Der oberste Bähnler Benedikt Weibel geht
Benedikt Weibel hat seine persönliche Weiche gestellt: Er tritt Ende Jahr als Vorsitzender der Geschäftsleitung der Schweizerischen Bundesbahnen SBB zurück.
Weibel ist die personifizierte Verkörperung der SBB und hat viele Höhepunkte, aber auch die grösste Panne in der Schweizer Bahngeschichte erlebt.
«Ich bin der dienstälteste Bahnchef Europas, und ich habe immer gesagt, dass ich zurücktreten werde, so lange ich noch in Form bin und selber darüber entscheiden kann», sagte Benedikt Weibel am Freitag vor den Medien in Bern.
Und in der Sprache des Sports fortfahrend: «Ich will nicht auf einer Bahre hinausgetragen werden. Umgekehrt ist es nicht so, dass ich das Handtuch werfe.»
Ein Bähnler, ein Arbeitsleben lang
Der gebürtige Solothurner Weibel, der in diesem Jahr 60 Jahre alt wird, ist seit sieben Jahren Vorsitzender der Geschäftsleitung der Schweizerischen Bundesbahnen SBB.
Seine Karriere im Unternehmen hatte er 1978 begonnen. Er ist Chef von mehr als 28’000 Bahnangestellten. Der Sozialdemokrat hat den früheren Regiebetrieb des Bundes zu einem dynamischen Unternehmen in Form einer Aktiengesellschaft umgewandelt.
In dieser schwierigen Umbauphase war es Weibel gelungen, das Vertrauen von Bevölkerung, Mitarbeitern und Politik in die SBB zu festigen.
Zug in die Moderne…
Als Bahnchef hat Weibel sowohl Höhepunkte wie Tiefschläge erlebt. Mit ihm tritt nicht irgend ein Bahnkonzernchef ab: Benedikt Weibel war die personifizierte Verkörperung der SBB. Der diplomierte Bergführer führte seine Bahn nach dem Grundsatz: «Man darf sich nicht überraschen lassen!»
Die Bahn 2000 war Weibels Kind. Der riesige Fahrplanwechsel im Dezember 2004 war eine Glanzleistung. Lauter Erfolgsgeschichten also, auch wenn die rechtsnationale Schweizerische Volkspartei den Genossen immer mal wieder als «Schönwetterpiloten» abkanzelte.
… kostet Stellen
Intern hatte Weibel aber auch für Unruhe gesorgt: Namentlich die Auftrennung des Unternehmens in die Divisionen Personen- und Güterverkehr stiess bei den Bähnlern auf Kritik. Doch der ausgewiesene Kommunikator vermochte auch hier die Wogen zu glätten.
Auch wenn er schlechte Nachrichten anzukünden hatte, wie vergangenen Oktober den Abbau von 600 Stellen beim Güterverkehr, blieb Weibel glaub- und vertrauenswürdig.
Rien ne va plus
Am 22. Juni 2005 kam es zur grössten Strompanne in der Schweizer Bahngeschichte. «Es ist mir unendlich peinlich», entschuldigte sich Weibel bei allen Kunden, die an diesem Tag auf dem gesamten Schweizer Schienennetz stecken geblieben waren. «Ich bin so lange dabei, ich habe noch nie etwas von diesem Ausmass erlebt», sagte Weibel.
Zwar hatte nach dem historischen Blackout niemand den Kopf des charismatischen SBB-Chefs gefordert, er selber war es, der sich Rücktrittsgedanken machte.
Allgemeines Bedauern
Der angekündigte Rücktritt Weibels löste praktisch überall Bedauern aus. Auch Bundespräsident Moritz Leuenberger würdigte dessen Verdienste. Weibel sei es gelungen, die SBB auf eine sozialverträgliche Art zu einer wettbewerbsfähigen Bahn zu machen, die überall in Europa als Vorbild gelte.
Weibel hinterlasse bei der Bahn eine riesige Lücke, sagte der langjährige Präsident der Eisenbahnergewerkschaft, der Solothurner Ständerat Ernst Leuenberger.
Weibel habe für die SBB und den öffentlichen Verkehr im Allgemeinen hervorragende Arbeit geleistet, hiess es bei der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SP). Sie wünscht sich einen fairen und verlässlichen Sozialpartner als Nachfolger.
Die Gewerkschaft transfair erwartet vom Nachfolger nicht nur Managementfähigkeiten und Kenntnisse des öffentlichen Verkehrs, sondern auch das nötige Gespür für die Anliegen der Mitarbeitenden.
Für den Schweizer Wirtschaftsdachverband economiesuisse steht bei der Regelung der Nachfolge von SBB-Chef Benedikt Weibel die Suche nach einer Person mit Weitblick im Vordergrund.
swissinfo
Benedikt Weibel hat seine Karriere bei den SBB 1978 begonnen. Seit 1993 leitet er das Unternehmen. Er wird 60 Jahre alt.
Als oberster Bähnler ist er Chef von rund 28’000 Mitarbeitern.
Er hat den ehemaligen Regiebetrieb des Bundes in ein modernes Transportunternehmen umgewandelt.
Höhepunkte waren die Bahn 2000 und der neue Fahrplan Ende 2004.
Tiefschlag war die Strompanne im Juni 2005, die das ganze Bahnnetz lahm legte.
Die SBB wurden 1999 in eine AG umgewandelt, die sich zu 100% im Besitz des Bundes befindet.
Die SBB transportieren jedes Jahr 253 Mio. Passagiere und 58 Mio. Tonnen Güter.
Das Unternehmen beschäftigt mehr als 28’000 Mitarbeitende, 600 Entlassungen sind angekündigt.
2005 erreichten 95% aller Züge das Ziel mit weniger als fünf Minuten Verspätung.
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