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Die Rückkehr der Geldschmuggler?

Italien hat - wie hier in Ponte-Chiasso - die Kontrollen verschärft. tipress.ch

Italiener bringen wieder vermehrt Kapital in die Schweiz. Während Tessiner Banken die Höhe der Beträge relativieren, sehen Finanzexperten darin einen Erfolg der Weissgeldstrategie. Bei der Mehrheit der Gelder handle es sich um deklarierte Vermögen.

Glaubt man dem Chef der italienischen Steuerbehörde «Agenzia delle Entrate», Attilio Befera, erfolgt zur Zeit eine Kapitalflucht in grossem Stil aus dem krisengeschüttelten Italien in die Schweiz. In einem Interview mit der Tageszeitung «La Repubblica» erklärte Befera diese Woche, dass man den Kampf gegen Steuerflüchtlinge verschärfen werde. Allein im Jahr 2011 seien 11 Milliarden Euro beschlagnahmt worden, die illegal aus dem Land geschafft werden sollten.

Die Beschlagnahmung von Geldern durch die Finanzpolizei an der Grenze sei um 50 Prozent gestiegen. «Und die Ausfuhr von Goldbarren in die Schweiz hat um 30 bis 40 Prozent zugenommen», so der oberste italienische Steuereintreiber.

Selbst alte Schmugglerpfade zwischen Italien und der Schweiz würden reaktiviert. Mehr noch: Die Schweizer Banken müssten Safes in Hotels anmieten, «um die abnorme Nachfrage von Seiten italienischer Kunden stillen zu können.»

Solche Aussagen über eine massive Kapitalflucht aus Italien sind nicht ganz neu. Ende Dezember hatte «La Repubblica» bereits berichtet, dass einige Kapitalflüchtlinge selbst mit primitiven Methoden – Schmuggeln von Geld in Koffern oder unter der Kleidung – vorgingen, so wie es in den 70er- und 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts der Fall war. Auch das Wochenmagazin «L’Espresso» hatte eine entsprechende Recherche publiziert.

Nicht die ganz grossen Beträge

Auf dem Finanzplatz Tessin, dem klassischen Bestimmungsort italienischer Fluchtgelder, werden die Aussagen relativiert. «Ein gewisser Fluss hat eingesetzt, aber nicht in ganz grossem Stil», meint der Ökonom und Journalist Alfonso Tuor, der am Bankenzentrum in Lugano-Vezia Kurse zu aktuellen finanzpolitischen Entwicklungen abhält. Seiner Meinung nach handelt es sich um kleinere Beträge.

Credit Suisse wollte im Tessin auf Anfrage keine Details zu Kapitalflüssen bekannt geben. Alfredo Gysi, Verwaltungsratspräsident der BSI mit Sitz in Lugano und Präsident der Auslandsbanken in der Schweiz, räumte hingegen Anfang Januar in einem Zeitungsinterview eine gewisse Kapitalflucht von Italien in die Schweiz ein, «wenn auch nicht in Milliardenhöhe, wie zuweilen behauptet wird».

Bei der BSI habe es Kontoeröffnungen gegeben und bestehende Kunden hätten mittelgrosse Summen neu in die Schweiz gebracht. Es handele sich aber ausschliesslich um deklarierte Gelder.

«Deklarierte Gelder»

Diese Einschätzung teilt auch Wirtschaftsanwalt und Finanzexperte Paolo Bernasconi aus Lugano. Eine Reihe italienischer Kunden transferiere seit einigen Monaten offiziell ausgewiesene Guthaben ganz legal von Italien in die Schweiz.

Die Möglichkeit der Insolvenz einiger italienischer Banken führe neben der Schulden- und Eurokrise und einer Strategie zur Risikoverteilung zu diesem Schritt. Man vertraue in dieser Situation der Schweiz.

«Der Zufluss legaler Gelder zeigt, dass die Weissgeldstrategie zu funktionieren beginnt – das ist ein gutes Zeichen», so Bernasconi. Dies sei wichtiger als das Schmugglerphänomen, das es durchaus auch gebe.

Noch schlummert Schwarzgeld

In der Tat herrscht am Finanzplatz Tessin kein Interesse, erneut als Fluchtort für nicht-deklarierte Gelder aus Italien zu gelten. Italien hatte den Finanzplatz Schweiz im Allgemeinen und das Tessin im Besonderen wiederholt scharf kritisiert und im Rahmen des Kampfes gegen Steuerhinterziehung auch die Kontrollen an den Grenzen verschärft.

Die so genannten «Fisco-Velox», mit denen die Finanzpolizei systematisch Autos fotografierte, welche über die Grenze in die Schweiz fuhren, sorgten für einigen Unmut.

Es wird geschätzt, dass immer noch rund 150 bis 160 Milliarden Euro an italienischen Schwarzgeldern in der Schweiz liegen. Italien hat im letzten Jahrzehnt drei Steueramnestien durchgeführt, die es möglich machten, Schwarzgeld bei milden Sanktionen und Gewährung von Straffreiheit zu repatriieren.

Allerdings plant die neue Regierung unter Mario Monti, neue Steuern auf die Amnestie-Gelder zu erheben. Die letzte Amnestie von 2009/2010 erlaubte es übrigens, Gelder auf Schweizer Konten zu belassen, wenn sie über ein Treuhandbüro in Italien ordentlich gemeldet wurden.

Schmunzeln über Hotelsafes

Keinen Kommentar zu den neuesten Entwicklungen gibt es von der Schweizer Bankiervereinigung in Basel. «Wir verfügen nicht über die entsprechenden Zahlen», erklärt Sprecherin Rebeca Garcia mit Verweis auf die Einzelbanken.

Eher schmunzeln muss man indes in der Bankenbranche über die Geschichte von den in Hotels angemieteten Safes. In Lugano jedenfalls sieht man diese Story vor allem als Teil einer gewissen Einschüchterungsstrategie gegenüber italienischen Kunden

Italien hat im vergangenen Jahrzehnt gleich drei Mal auf das Mittel der Steueramnestie zurückgegriffen. Der so genannte Scudo fiscale (Steuerschutzschild) erlaubte es, nicht deklariertes Vermögen im Ausland gegen eine festgelegte Abgeltungsleistung straffrei nach Italien zurückzuführen.

Durch die Schutzschilde der Jahre 2001 und 2003 konnten insgesamt 77 Mrd. Euro  an Vermögen repatriiert werden.

Zwischen September und Dezember 2009 trat unter Wirtschaftsminister Giulio Tremonti eine dritte Amnestie in Kraft, deren Frist bis 30.4.2010 verlängert wurde.

Es wurden nochmals knapp  100 Mrd. Euro repatriiert (darunter  66,78 Mrd. € aus der Schweiz, 7,6 Mrd. € aus Luxemburg und 4,6 Mrd. € aus San Marino).

Steueramnestien sind ethisch höchst umstritten.

Viele Bürger sehen darin eine Benachteiligung der ehrlichen Steuerzahler. Auch Befürworter von Amnestien sind indes der Meinung, dass diese eigentlich eine absolute Ausnahme bleiben sollten.

Die italienischen Steueramnestien hatten direkte Auswirkungen auf den Finanzplatz Schweiz und insbesondere das Tessin.

Allerdings kam der Südkanton bei der letzten Amnestie einigermassen gut davon, weil  auch die rechtliche Rückführung möglich war und eine Reihe lokaler Banken einen guten Teil der rückgeführten Gelder durch Filialen in Italien auffangen konnte.

Die Steuerhinterziehung ist in Italien ein Volkssport. Und sie schädigt den Staat und die Volkswirtschaft enorm.

Die Regierung von Mario Monti hat den Kampf gegen die Steuerflucht daher massiv verschärft.

Wie krass die Steuerhinterziehung im südlichen Nachbarland ist, zeigen Statistiken über die Einkommenserklärungen von selbständig Erwerbenden aus dem italienischen Finanzministerium.

Demnach deklarieren nur 15 Prozent aller Selbständigen ein Jahreseinkommen von mehr als 40‘000 Euro, bei über 100‘000 Euro sind es nur 3,3 Prozent.

Die neue Regierung Monti will dies nicht länger dulden und rückt nun auch gut Betuchten auf die Pelle.

Trotz verschiedener Anläufe existiert immer noch kein neues Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit Italien.

Die neue italienische Regierung unter Premier Mario Monti hat erklärt, dass sie nicht gedenkt, ein DBA in der Form der Abkommen zu unterzeichnen, welche die Schweiz mit Deutschland und Grossbritannien getroffen hat – die aber bisher nicht in Kraft getreten sind.

Nach Meinung der neuen italienischen Regierung entsprechen diese Abkommen nicht dem OECD-Standard.

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