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Eine Kuh auf Zeit

Albert Breitenmoser mit Lieblingskuh Wanda. swissinfo.ch

Jammern bringt nichts, sagte sich ein pfiffiger Appenzeller Bauer, als der Milchpreis erneut sank und es für seinen Kleinbetrieb immer enger wurde. Er setzte auf Innovation und vermietet seit Sommer 2007 seine Kühe, hauptsächlich an Leute aus der Stadt.

Der Aufstieg von Wasserauen im Kanton Appenzell Innerrhoden ist steil. Nach knapp einer Stunde erreicht man den Seealpsee in einem Hochtal am Fusse des Säntis.

Ab und zu trifft man einen Wanderer, ab und zu eine Kuh. Ist das jetzt Wanda, die «gutmütige» oder Cindy, die «eher kleine, bullige mit gutem Charakter» oder die «sensible» Diamond, die «laute Töne nicht mag und schnell die Flucht ergreift»?

So und ähnlich preist Albrecht Breitenmoser seine 19 Kühe an, die er über Internet vermietet – für einen Monat oder eine Alpsaison. Nicht dass der Mieter das auserwählte Tier mitnehmen könnte, nein, es bleibt in Breitenmosers Obhut.

Der Mieter hat aber das Recht, seine Kuh jederzeit zu besuchen. Er darf sie melken, die Käserei am Seealpsee besichtigen, Käse zum Vorzugspreis kaufen und eine Nacht in der einfachen Alphütte bei Grossvater Breitenmoser verbringen, der den ganzen Sommer über dort oben haust.

Druck macht erfinderisch

Als der Milchpreis vor zwei Jahren erneut sank und der Druck stieg, wollte der 38-jährige Familienvater nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern sich selber helfen. Er liess eine Homepage machen und Flyer drucken, mit dem Text: «Wollten Sie auch schon mal eine Kuh besitzen? Wir haben eine für Sie.»

Die Zettel klemmte er in Appenzell unter die Windschutzscheiben von auswärtigen Autos – und siehe da: sein Projekt hatte Erfolg. Bald waren alle Mietkühe vergeben. Im laufenden Jahr war der Ansturm so gross, dass Breitenmoser auch noch Kälber in Miete gab. Und das Jahr 2009 ist bereits ausgebucht.

Es sind vor allem Städter aus der Deutschschweiz, die sich interessieren. Aber auch aus dem Tessin, dem Südtirol, aus Deutschland und Kanada hat Breitenmoser Kundschaft. Drei Viertel sind Geschenke – für Geburtstage oder Hochzeiten. «Das Geschäft ist lukrativ», meint er und strahlt.

Ein Vater habe für seinen Sohn sogar eine Kuh auf Lebzeiten gemietet, sagt Breitenmoser und tätschelt Wanda liebevoll den Hals. Sie ist Mutter, Grossmutter, Urgrossmutter und die erste Kuh, die letztes Jahr in Miete ging.

Er erzählt von einem St. Galler Geschäftsmann, der für seine besten Kunden 10 Kühe gemietet hat. «Und ein Kalb, das noch gar nicht geboren ist, ist für drei Jahre nach Bangkok vergeben.»

Die Qual der Wahl

Viele der Kunden achteten auf den Charakter des Tieres, sagt der Appenzeller Landwirt: «Am beliebtesten sind jene, die sich gerne kraulen lassen. Aber auch das Aussehen sei wichtig: So seien Kühe mit Hörnern begehrter als solche ohne.

Als Breitenmoser diesen Sommer von der Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) den Innovationspreis erhielt, beschuldigte ihn eine Frau aus dem Berner Oberland, er habe ihre Idee kopiert.

Und in der Tat, in Brienz und im Diemtigtal gibt es ähnliche Modelle, das eine heisst Rent-a-Cow, das andere Kuh-Leasing. Der Appenzeller hat die Idee aber, wie er sagt, aus Kanada, wo er Mitte der 90er-Jahre ein Praktikum absolvierte: «Ich kannte einen Landwirt und exzellenten Züchter, der seine Kühe verkaufte, sie aber wie Rennpferde im Stall hielt.»

Breitenmoser wollte seine Kühe nicht verkaufen, er hängt zu sehr an ihnen. Stattdessen kam ihm die Idee, sie auf Zeit zu vermieten. Dies stiess aber nicht nur bei Bernern auf Kritik, auch Bauern aus der Umgebung äusserten mehr oder weniger laut ihren Unmut.

«Einer hatte sogar das Gefühl, seine Kühe würden via meine mit Seuchen angesteckt, welche die Städter ins Appenzell schleppten», so Breitenmoser und schüttelt den Kopf. Er arbeite sauber und die Mieter müssten sich die Hände desinfizieren, bevor sie sich den Melkschemel umschnallen und an die Kuh rangehen dürften.

Win-Win-Situation

Mit der Vermietung seiner Kühe, die er sowieso hegen, pflegen und melken muss, kann der Landwirt das bäuerliche Einkommen aufbessern.

Der Besuch aus der Stadt ist aber auch eine Abwechslung im Älplerleben und eine Bereicherung für die temporären Kuhhalter, «auch wenn es noch nie einer von ihnen geschafft hat, seine Kuh leer zu melken», so Breitenmoser.

«Mir ist wichtig, dass die Leute hinter die Kulisse schauen können. Denn es ist mehr als nur die Kuh auf der Weide, die zwei Mal am Tag gemolken wird.»

Mit oder ohne Kuh – der Gang auf die Seealp im Alpstein lohnt sich. Denn, so sagt der gewiefte Senn. «Das Appenzell hat viele schöne Flecken, aber die Seealp ist einer der schönsten.»

swissinfo, Gaby Ochsenbein, Seealp

Albert Breitenmoser aus dem Kanton Appenzell Innerrhoden (AI) hat für sein Projekt www.kuehe-mieten.ch den Innovationspreis 2008 der Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) erhalten. Der Preis ist mit 3000 Franken dotiert.

Mit seiner Idee leiste der Landwirt «einen wesentlichen Beitrag an das bäuerliche Einkommen». Zudem ermögliche diese Initiative eine Austauschplattform, wo sich die bäuerliche und die nichtbäuerliche Bevölkerung kennenlernten. Dies diene auch der Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte.

Interessierte können im Internet eine Kuh auswählen und sie für einen Monat (190 Fr.) oder eine Alpsaison (390 Fr.) mieten.

Der Mieter darf «sein» Tier so oft er will besuchen und hat auch Anrecht auf eine Betriebsführung, Melkunterricht, Käse zum Vorzugspreis und eine Übernachtung in der Alphütte auf der Seealp, inklusive Frühstück.

Zudem erhält der Mieter ein gerahmtes Erinnerungsfoto seiner Kuh.

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