Insgesamt gute Arbeitsbedingungen in der Schweiz
Im Europa-Vergleich gehört die Schweiz bezüglich Arbeitsbedingungen zu den besten. Dies hat eine Umfrage in 31 Ländern ergeben, an der die Schweiz erstmals teilgenommen hat.
Sehr gut schneidet die Schweiz bei Arbeitszufriedenheit und Vereinbarkeit von Beruf und Familie ab. Beim Frauenanteil in Chefetagen besteht aber Handlungsbedarf.
Erstmals war die Schweiz an der repräsentativen Umfrage zu den Arbeitsbedingungen dabei, welche die Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen seit 1990 alle fünf Jahre durchführt. Und sie schnitt gut ab, wie Jean-Daniel Gerber, Direktor des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco), am Dienstag vor den Medien sagte. «Bei uns herrschen gute bis sehr gute Arbeitsbedingungen», lautete sein Fazit.
Im europäischen Vergleich ist die Arbeitszufriedenheit in der Schweiz mit 91% sehr hoch. Nur Norwegen, Dänemark und Grossbritannien liegen laut der Studie noch weiter vorn.
«Attraktive Arbeitsplätze sind ein entscheidender Faktor im internationalen Standortwettbewerb», sagte Gerber.
88% der Befragten fanden, dass sich ihre Arbeitszeiten gut oder sogar sehr gut mit familiären oder sozialen Verpflichtungen verbinden lassen. Im europäischen Durchschnitt sprechen nur 78% von einer solch guten Vereinbarkeit.
Fordern und fördern
Zudem nehmen überdurchschnittlich viele Erwerbstätige an finanzierten Weiterbildungen teil. Nur Finnland und Schweden liegen hier höher.
«Es ist im Interesse der Arbeitgeber, die Mitarbeitenden nicht nur zu fordern, sondern auch zu fördern», sagte Thomas Daum, Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes. Nur mit attraktiven Arbeitsplätzen sowie mit motivierten und qualifizierten Mitarbeitenden könne die Schweiz im internationalen Standortwettbewerb bestehen.
Allerdings hängt dieser Wert deutlich von Geschlecht und Branche ab: Frauen und weniger ausgebildete Arbeitskräfte kommen deutlich schlechter weg.
Dass Frauen im Arbeitsleben oftmals benachteiligt sind, ist nicht neu. Eine Teilzeit arbeitende Frau hat gemäss Erhebung einen längeren Arbeitstag als ein männlicher Vollzeitbeschäftigter.
Zu wenig Chefinnen
«Wohl am meisten hat mich überrascht, wie wenig Chefpositionen in der Schweiz von Frauen besetzt werden», erklärte Willy Buschak, stellvertretender Direktor der europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen. In der Schweiz geben nur 21% an, eine Frau als Vorgesetzte zu haben. Der europäische Wert liegt bei 24%.
Dies dürfte auch damit zusammenhängen, dass nirgendwo in Europa so wenige erwerbstätige Frauen in Vollzeitstellen anzutreffen sind wie in der Schweiz. «Gerade Teilzeitarbeit erweist sich oft als Karrierekiller», sagte Doris Bianchi, Zentralsekretärin beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB).
Stress als Krankmacher
Bianchi kritisierte auch, dass die Weiterbildungschancen ungleich verteilt seien. «Nur 7% der Hilfsarbeitskräfte nehmen pro Jahr an einer bezahlten Weiterbildungsmassnahme teil, unter den Führungskräften sind es 63%.»
Ferner sei der Grundsatz, wonach Arbeit nicht krank machen dürfe, in der Schweiz noch lange nicht verwirklicht, denn rund ein Drittel sehe ihre Gesundheit durch die Arbeit beeinträchtigt.
Die Umfrage für das Jahr 2005 wurde in 31 europäischen Ländern durchgeführt. Der Bericht für die Schweiz wurde vom Seco in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nordwestschweiz erstellt. Zu den Hauptthemen gehören Gesundheit, Arbeitsorganisation, Arbeitszeit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Weiterbildungsmöglichkeiten.
swissinfo und Agenturen
Die Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen wurde 1975 gegründet und hat ihren Sitz in Dublin (Irland).
Sie ist eine tripartite Organisation, der Vertreter von Regierung, Arbeitgebern und Gewerkschaften angehören.
Ziel ist die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen.
Die Stiftung stellt dabei Institutionen Informationen sowie technischen und wissenschaftlichen Support zur Verfügung.
Die Analysen betreffen in erster Linie die Arbeitsbedingungen, die Work-Life-Balance, den sozialen Zusammenhalt und die Mitbestimmung der Angestellten.
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