Irak-Krise lähmt Schweizer Wirtschaft
Die Rede von US-Präsident Bush verstärkt die Unsicherheit der Schweizer Wirtschaft. Der Swiss Market Index erreichte den tiefsten Stand seit Februar 1997.
Die Exportwirtschaft leidet unter dem starken Schweizer Franken.
Die Börsenkurse in der Schweiz, aber auch an anderen europäischen Börsen, haben am Mittwoch wegen anhaltender Kriegsängste noch mehr nachgegeben. Sie verloren zeitweise über 2% und landeten auf dem tiefsten Stand seit knapp sechs Jahren. Der Dollar tauchte erneut unter 1,35 Franken.
Zürcher Börsenhändler führten die negative Entwicklung einzig auf die Rede von US-Präsident George W. Bush zur Lage der Nation zurück. Diese habe die anhaltenden Ängste vor einem Irak-Krieg nicht beseitigt.
Nationalbank schliesst Intervention im Devisenmarkt nicht aus
Werner Abegg, Sprecher der Schweizerischen Nationalbank (SNB), betonte zwar gegenüber swissinfo, die Zentralbank der Schweiz mache keine Kriegsvorbereitungen. «Wir beobachten die Finanzmärkte immer, das ist unsere tägliche Aufgabe. Wir können sofort reagieren.»
Wie SNB-Präsident Jean-Pierre Roth in einem Interview mit der Westschweizer Wirtschaftszeitschrift «Bilan» erklärte, hat die SNB aber durchaus gewisse Szenarien geplant:
So schliesst Jean-Pierre Roth eine Intervention auf den Devisenmärkten im Falle einer drastischen Aufwertung des Schweizer Frankens nicht aus.
«Wenn es einen weltweiten wirtschaftlichen oder geopolitischen Schock gibt, müssen wir uns etwas einfallen lassen, damit der Franken nicht noch stärker wird.»
Weitere Zinssenkung möglich
Auch werde die Zentralbank nicht zögern, die Zinsen weiter zu senken, betonte Roth gegenüber «Bilan»:
«Wenn nach unserer Einschätzung kein Inflationsrisiko besteht und wir eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation erwarten, ist unsere Philosophie klar: Es gibt keinen Grund, mit einer Senkung der Zinsen zu warten. Damit würden die Rahmenbedingungen verbessert und ein Aufschwung möglich.»
Auch Bernard Lambert, Ökonom bei der Genfer Privatbank Pictet, sieht eine Zinssenkung als geeignete Massnahme, auch wenn er den Spielraum als klein einschätzt.
«Zudem kann die SNB auf dem Devisenmarkt eingreifen und Dollar oder Euro kaufen, oder sie kann den Schweizer Franken vorübergehend an den Euro binden.»
Mit diesem Schritt würde die Schweizer Währung als «Save Haven» weniger attraktiv.
Übervorsichtige Anleger
Dass Investoren in einer globalen Vertrauenskrise und aus Angst vor einem möglichen Krieg zurückhaltend reagieren, ist klar und nachvollziehbar. SNB-Präsident Roth zeigt sich beunruhigt:
«Wie können Sie erwarten, dass sich multinationale Unternehmen in diesem Kontext in Investitionen stürzen? Und es ist exakt diese Schwäche des Investitions-Sektors, die auf der schweizerischen Konjunktur lastet.»
Das bekommt auch die Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie zu spüren, die in der Schweizer Wirtschaft mit ihren 330’000 Beschäftigten eine Schlüsselposition innehat.
Massive Exportverluste
Der grösste Sektor in der Schweiz leidet unter der gegenwärtigen Krise. Sowohl Absatz wie auch die Exporte gingen massiv zurück.
Thomas Daum, Direktor von Swissmem (Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie), hatte vor kurzem erklärt, die Entwicklungen in der Golf-Region hingen «wie ein Damokles-Schwert über allem». Eine weitere Schwächung des Dollars hätte «ernsthafte Konsequenzen für die Schweiz».
«Wir befinden uns in engem Kontakt mit der SNB und hoffen, dass sie alles tun wird, was möglich ist», erklärte Swissmem-Sprecherin Dorothea Tiefenauer gegenüber swissinfo. «Dass Herr Roth von einer möglichen Intervention auf dem Devisenmarkt spricht, begrüssen wir.»
Ohne Klarheit keine Besserung
Solange die Kriegsangst anhält, die Anzeichen auf einen baldigen Aufschwung fehlen, werden die Akteure auf den Finanzmärkten weiterhin defensiv handeln.
Der Negativ-Trend an der Schweizer Börse ist zur Zeit nicht aufzuhalten, sagte Gilbert Rod, Analyst bei der Waadtländer Kantonalbank:
«Der Dollar zerfällt, der Euro legt zu, die Preise für Erdöl und Gold haben zu einem Höhenflug angesetzt, und der Franken erreicht eine geradezu ungesunde Stärke: All diese Elemente sind Gift für die europäische Wirtschaft.»
swissinfo, Gaby Ochsenbein
Die Schweizer Börse erreichte den tiefsten Stand seit 1997.
Die Nationalbank hat die Zinsen innert zwei Jahren sechs Mal um total 2,75% gesenkt.
Massnahmen zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Krise:
Weitere Zinssenkung,
Interventionen auf dem Devisenmarkt,
Vorübergehende Bindung des Frankens an den Euro.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch