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Mit dem Flugzeug in die Antarktis

Tiefliegende Wolken erschweren die Landung bei Bellingshausen. Mission Antarctica

Mit einer internationalen Expedition wurden 1'000 Tonnen Abfall von einer russischen Forschungsstation in der Antarktis weggebracht.

Einer der Hauptsponsoren des Projektes ist Ernesto Bertarelli, Chef der Schweizer Biotechfirma Serono. Reporter Vincent Landon von swissinfo reiste zur Putzaktion in die Antarktis.

Der Flug

Punta Arenas, Chile: Wir warten, bis wir auf die russische Basis Bellingshausen fliegen können. Bürokratie, das Wetter und ein medizinischer Notfall verzögern unseren Abflug. Ein Mann mit einem Gehirntumor muss von Bellingshausen ausgeflogen werden. Der Arzt sollte mit uns hinfliegen und anschliessend den Patienten zurückbringen.

Zehn Minuten vor dem Abflug fahren wir vom Hotel zum Flughafen, wo die acht Mitglieder der Gruppe einen etwas verwirrten chilenischen Arzt antreffen, der erst vor drei Wochen von Santiago gekommen und noch nie mit einem Kleinflugzeug geflogen ist. Rund 40 Minuten nach dem Start erhält der Pilot von der chilenischen Flugwaffe die Anweisung, zurückzukehren.

Sie wollen den Arzt selber ausfliegen – wohl, damit ihnen die Ehre der Rettung zukommt. Der Arzt fliegt also mit einer Herkules der Luftwaffe nach Bellingshausen (ein Flug von dreieinhalb Stunden). Aber als er dort ankommt, können sie wegen der Wolken nicht landen und müssen nach Punta Arenas zurückkehren.

Am Ende der Welt

«Am Ende der Welt ist alles ein wenig anders», meint der britische Polarforscher Robert Swan, der erste Mensch, der zu Fuss beide Pole erreichte, und der die Mission Antarctica leitet, ein fünf Jahre dauerndes Projekt zur Abfallentsorgung auf einer russischen Forschungsstation.

«Wir waren zuerst in der Luft, wir hatten den Arzt bei uns, und wir hätten den Patienten ausfliegen können. Aber die ärztliche Versorgung ist das Wichtigste. Wir opferten einen Tag in der Antarktis für das Leben eines Menschen. Das war es natürlich wert, es hätte auch jemand von uns sein können.»

Wir kehren in unser Hotel zurück. Einige Tage lang werden uns laufend neue Abflugzeiten bekannt gegeben. Bis die chilenische Luftwaffe die Rettung durchgeführt und Bellingshausen wieder verlassen hat, hat es auf der Piste dort nicht genug Platz für unsere Maschine.

Danach ist das Wetter gegen uns. Tiefliegende Wolken verunmöglichen die Landung bei Bellingshausen. «Das Wichtigste ist die Sicht», erklärt Antarctica-Führer Alejo Contreros und fügt bei, dass er einmal 14 Tage warten musste, bis er auf die King George Island fliegen konnte. «Ohne ausreichende Sicht kann das Flugzeug nicht landen. Auf diesen Inseln braucht es aus Sicherheitsgründen eine Sicht aus mindestens 600 Fuss Höhe.»

Düsterer Zeitvertreib

Zum Zeitvertreib zeigt uns Alejo Dias von seinen früheren Reisen in der Antarktis. Er war bei den meisten Expeditionen der letzten 20 Jahre dabei. Als Alejo uns zum Abschluss die Bilder grosser antarktischer Flugunfälle zeigt, kommt uns die Gänsehaut: Eines der Flugzeuge ähnelt der Beechcraft, mit der wir in Kürze fliegen sollen!

Wir sind eine internationale Gruppe von Leuten und wollen den Ort besuchen, von wo der Abfall beseitigt werden soll. Zwei davon arbeiten für die Schweizer Firma Serono. Wir sind von der Schweiz, von Grossbritannien und Israel aus über Santiago nach Punta Arenas geflogen. Die meisten von uns haben keine Ahnung, was uns erwartet.

«Es ist alles voller Überraschungen», meint Gaz aus Grossbritannien. «Man weiss überhaupt nicht, was in den nächsten Minuten passieren wird.» «Wir sind am Ende der Welt», fügt Rob bei. «Man kann nicht nach Plan vorgehen – und das in einer Welt, wo die Menschen sich schon aufregen, wenn ein Flugzeug fünf Minuten Verspätung hat.»

Spannung unter den Wolken

Plötzlich sind wir wieder unterwegs zum Flughafen und dann zur russischen Basis. Anders als beim letzten Mal haben wir diesmal kein ideales Wetter, sondern fliegen durch eine dicke Wolkendecke.

Das Problem ist, dass wir nach dreieinviertel Stunden einen Punkt erreicht haben, von dem aus es nur noch vorwärts gehen kann. Wenn der Pilot denkt, dass wir nicht landen können, muss er zurückfliegen, sonst hat er nicht genug Treibstoff.

Gegen den Schluss zu wird es brenzlig. Unser Captain funkt die Landepiste an und erfährt, dass die Wolkendecke dort aufgebrochen ist. Er beschliesst weiterzufliegen. Er und der Copilot schauen besorgt in die Gegend und hoffen, bald Boden zu sehen.

Tiefer und tiefer fliegen wir, und noch immer ist keine Piste in Sicht. Wie kann ein Flugzeug unter diesen Umständen landen? Plötzlich ruft der Copilot und zeigt nach links. Der Pilot legt die Maschine in die Kurve und wir fallen vom Himmel. Innert Sekunden sind wir am Boden …

Und nächstes Mal: Auf der Jacht der Mission Antarctica….

Vincent Landon

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