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Mühlemann wirft das Handtuch

Lukas Mühlemann: Ein weiterer gestrauchelter Top-Manager auf dem Finanzplatz Schweiz. Keystone

Der seit längerem umstrittene CSG-Präsident Lukas Mühlemann verlässt die Spitze des zweitgrössten Schweizer Finanzkonzerns auf Ende Jahr. Nachfolger wird Swiss-Re-Chef Walter B. Kielholz.

In die Rolle des Konzernchefs teilen sich Oswald Grübel und John Mack.

Die Rücktritts-Ankündigung kam am Donnerstag überraschend. «Solange der Verwaltungsrat und ich überzeugt sind, dass ich einen massgeblichen Beitrag leisten kann, nehme ich meine Aufgabe bei der Credit Suisse Group wahr», hatte Mühlemann in einem «Weltwoche»-Interview von Mitte August erklärt.

Laut CSG-Mitteilung war es nun Mühlemann selber, der seinen Rücktritt auf Ende 2002 einreichte. Er wolle dazu beitragen, dass sich der Finanzkonzern «unbelastet von den Diskussionen um meine Person» erfolgreich weiter entwickeln könne, wird Mühlemann zitiert.

Der CSG-Verwaltungsrat wird über die Abgangs-Entschädigung für den zurücktretenden Konzernchef und VR-Präsident entscheiden. Veröffentlicht werden soll der Entscheid erst nach dem Ausscheiden Mühlemanns, hiess es bei der CSG.

Anzeichen von Misstrauen

Der designierte Nachfolger Mühlemanns als VR-Präsident, der 51-jährige Rückversicherungs-Konzernchef Walter B. Kielholz, würdigte die Leistungen Mühlemanns in höchsten Tönen. Allerdings hatte es bereits im Juli Hinweise gegeben, dass Mühlemann kein uneingeschränktes Vertrauen im Verwaltungsrat mehr besitzt.

Das Aufsichtsgremium segnete damals einen Teilrückzug Mühlemanns ab, bei dem dieser im nächsten Frühling das VR-Präsidium abgetreten hätte, aber Konzernchef geblieben wäre. Gleichzeitig wurde Mühlemanns langjähriger Weggefährte Thomas Wellauer vom Finanzkonzern verabschiedet und dessen interner Konkurrent Oswald Grübel nach siebenmonatiger Trennung in die Führungsspitze zurückgeholt.

Zweierteam für operative Führung

In die operative Führung sollen sich nach dem Abgang Mühlemanns Oswald Grübel und John Mack teilen. Beide wurden zusätzlich zu ihren Funktionen als Chefs der Credit Suisse Financial Services beziehungsweise der Credit Suisse First Boston vom Verwaltungsrat auf Anfang 2003 zu Co-Chief-Executive-Officers ernannt.

Die operative Führung des zweitgrössten Schweizer Finanzkonzerns liegt damit in den Händen eines Deutschen und eines Amerikaners.

Der 2001 von Mühlemann in die CSG geholte Mack hatte sich bei seiner Tätigkeit als US-Investmentbanker an der Wall Street den Übernahmen «Mack the knife» geholt. Grübel wird als ebenso starke Persönlichkeit beschrieben und kennt die CSG nach 30-jähriger Tätigkeit von Grund auf.

Der Chef geht von Bord – die Probleme bleiben

Analysten begrüssten den Abgang Mühlemanns und verwiesen auf das fehlende Vertrauen in den Zurücktretenden. Gleichzeitig wurden aber Vorbehalte zur Doppelbesetzung der Position des Konzernchefs gemacht. Dies habe auch bei anderen Konzernen nicht funktioniert, hiess es.

Einzelne Analysten sagten auch einen Machtkampf zwischen Grübel und Mack voraus. Andere sprachen mit Hinweis auf das Alter der beiden Topmanager – 59 und 58 Jahre – von einer Übergangslösung.

Für den unabhängigen Genfer Finanzanalysten François Savary wird ein Wiederaufschwung der CSG abhängig sein von den neuen Strukturen, den neuen Personen und ihren gesteckten Zielen. «Die Märkte werden den Abgang Mühlemanns begrüssen, es herrschte ein regelrechtes Misstrauen seiner Person gegenüber», so Savary zu swissinfo.

Fragwürdiges Allfinanzkonzept

Eine schwere Hypothek für die CSG sei die Winterthur Versicherung, sagt Savary. «Verkaufen oder nicht verkaufen? Das ist die grosse Frage. Viele Leute glauben, dass das Allfinanzkonzept nicht funktioniert.»

Dieser Ansicht ist auch David Hussey, Analyst für europäische Banken bei Barclays. Die «ausfasernde» Strategie Mühlemanns habe auf das Image gedrückt und dazu geführt, dass die CSG weniger gut abgeschnitten habe als zum Beispiel die UBS, sagt er gegenüber swissinfo. Hussey glaubt jedoch, dass es mit der CSG – «abgesehen von der Winterthur» – wieder aufwärts geht.

Für den Präsidenten der Schweizerischen Bankiervereinigung, Georg Krayer, ist mit dem Abgang von CSG-Chef Lukas Mühlemann eine gewisse Unsicherheit beendet. Er bedaure aber, dass die Karriere Mühlemanns zu einem derart abrupten und unerwünschten Ende komme, sagte Krayer im Fernsehen DRS. Der vollständige Rückzug von Mühlemann schaffe aber die Möglichkeit, dass dieses für die Schweiz wichtige Institut wieder vorwärts schauen könne.

Ethos und SVSA atmen auf

Die Anlagestiftung Ethos und die Schutzvereinigung Schweizer Anleger (SVSA) begrüssten den Rücktritt Mühlemanns. Die Stiftung hatte sich mehrfach öffentlich gegen die Ämterkumulation Mühlemanns ausgesprochen und dessen Fehltritte heftig kritisiert.

Den designierten CSG-VR-Präsidenten Walter Kielholz forderte die Stiftung auf, seine Funktion als Konzernchef des Rückversicherers Swiss Re aufzugeben. Die schwierige Lage der CSG mache einen Einsatz von 120 Prozent nötig.

Aktienkurs auf Talfahrt

Die Börse reagierte zunächst mit höheren Kursen auf den Abgang Mühlemanns. Im Handelsverlauf gab die Aktie dann deutlich nach. Gut eine Stunde vor Börsenschluss notierte der Titel in einem schwachen Gesamtmarkt mit 30,6 Franken um 5,6 Prozent unter dem Vortagesschluss.

Seit Jahresbeginn haben die Titel der CSG über 50 Prozent an Wert eingebüsst.

swissinfo

Ende 2002: Lukas Mühlemann tritt als CSG-Präsident ab
Anfang 2003: Swiss-Re-Chef Walter B. Kielholz tritt die Nachfolge an
Anfang 2003: Oswald Grübel und John Mark übernehmen als Co-Chief-Executive-Officers die operative Führung der CSG

Unter dem Druck der Aktionäre und der Öffentlichkeit tritt Lukas Mühlemann per Ende Jahr als Konzernchef und Verwaltungsrats-Präsident der Credit Suisse Group (CSG) zurück.

Die CSG lüftete am Donnerstag den Schleier darüber, wer Mühlemann als VR-Präsident nachfolgt. Die Wahl fiel auf Swiss-Re-Chef Walter B. Kielholz, derzeit Vizepräsident dieses Gremiums beim grössten Schweizer Finanzdienstleistungs-Konzern.

Die Konzernleitung wird mit einer Doppelspitze besetzt. Oswald Grübel, Chef der Credit Suisse Financial Services (CSFS), und John Mack, Chef der Credit Suisse First Boston (CSFB), bilden ab Anfang 2003 die Konzernleitung. Beide gelten als starke Persönlichkeiten.

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