Presseschau vom 27.01.2003
Ein einziges Thema beherrscht am Montag die Schlagzeilen der Schweizer Presse: Das World Economic Forum WEF in Davos und die Krawalle der Gegner in Bern.
Während am Davoser Gipfel der Auftritt des US-Aussenministers Colin Powell zur Irak-Krise für Schlagzeilen sorgte, kam es in Bern zu Gewaltszenen.
«Wer keine Gewalt will, muss auf Distanz», titelt der BLICK.
«Es hätte eine grosse Demonstration der Anti-WEF-Bewegung werden sollen. Es wurde ein Flop. Eine Minderheit kam in Davos an. Der grosse Harst wurde auf dem Weg dorthin von Militanten blockiert oder rieb sich mit der Polizei auf.»
Und der BLICK kommt zum Schluss: «Das WEF wird sich durch die Vorgänge vom Wochenende nicht aus Davos vertreiben lassen. Und das ist gut so.»
Verpasste Chance
Dieses Mal habe Bern den Zorn der WEF-Gegner zu spüren gekriegt, schreibt die BASLER ZEITUNG. «Bärendienst der Boykotteure», titelt sie heute.
«Fazit: Das Debakel ist mehr als eine verpasste Chance: Die Scharfmacher haben der Anti-Globalisierungs- und Anti-Kriegsbewegung einen Bärendienst erwiesen.»
Die Erfahrungen der letzten Tage hätten gezeigt, dass es diesen Kreisen nicht um die Sache, sondern um Provokation gehe, schreibt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.
«Die Konsequenz ist spätestens jetzt unausweichlich – es müssen andere ran. Herausgefordert sind damit die besonnenen Kräfte der Sozialdemokraten, der Gewerkschaften und der Grünen. Ein Anfang ist mit der klaren Distanzierung vom Oltner Bündnis gemacht.»
Mit dem Oltner Bündnis, einem losen Zusammenschluss von WEF-Kritikern, geht auch die NEUE LUZERNER ZEITUNG hart ins Gericht. «Brandstifter und Komplizen», titelt sie.
«Wie gerechtfertigt der Sicherheitskorridor war, zeigt das Berner Finale. Es fällt schwer, zu glauben, dass jene, die weitab von Davos ihrer Zerstörungswut freien Lauf liessen, als lammfrohe WEF-Gegner durch die Alpenstadt gezogen wären.»
Ende einer Bewegung?
Was die BERNER ZEITUNG unter dem Titel «Ende einer Bewegung» zum Ausdruck bringt.
«Die Bilder der Strassenschlacht von Samstagnacht bezeichnen das Ende einer Bewegung, die sich eigentlich für mehr Frieden und Gerechtigkeit auf der Welt engagieren will.»
Die globalisierungskritischen Kreise in der Schweiz würden sich nun auf eine neue Strategie einigen müssen, und das brauche viel politisches Geschick.
«Gleiches ist auch von der anderen Seite zu erwarten: Die Chaoten von Samstagnacht als ‹Terroristen› zu bezeichnen, wie das nun der Berner Polizeidirektor macht, ist dafür der denkbar schlechteste Ansatz.»
Denn mit solch kriegerischen Tönen werde keine einzige Strassenschlacht zu verhindern sein.
«Wie hältst du es mit der Gewalt?», stellt der Berner BUND schliesslich die Gretchenfrage.
«Wer sich um grundsätzliche Fragen herumdrückt in der Hoffnung, sie lösten sich schon von alleine, steht am Schluss vor einem Scherbenhaufen. Dieser kann in Bern rund um den Hauptbahnhof besichtigt werden.»
USA: Vertrauen verloren
Weltpolitik gab es derweil in Davos: US-Aussenminister Colin Powell bekräftigte die harte Haltung gegen den Irak. Die AARGAUER ZEITUNG vermutet aber, dass die USA noch zuwarten. Denn die Armee sei noch Monate nicht kriegsbereit.
«Daraus ergibt sich eine gewisse Hoffnung, dass die USA gezwungen werden, zuerst das wahre Problem im Nahen Osten zu lösen, den israelisch-palästinensischen Konflikt. In dieser Sache unternehmen die Amerikaner nichts. Genau deswegen verspielt die Bush-Regierung das Vertrauen der restlichen Welt.»
Auch der TAGES ANZEIGER ortet einen Vertrauensverlust der USA, in ihrer Kritik am «alten Europa». Colin Powell habe nun versucht, die Wogen etwas zu glätten. Doch:
«Erst wenn Washington zögerliche Partner nicht mehr beschimpft, sondern sie mit Argumenten und Belegen von Saddams Gefährlichkeit zu überzeugen vermag, kann Vertrauen in die US-Politik entstehen.»
Und für die Westschweizer Zeitung LE TEMPS schliesslich ist klar:
«Sauf miracle, la guerre aura lieu.»
Der Krieg kommt, wenn nicht noch ein Wunder geschieht.
swissinfo, Christian Raaflaub
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