«Public Eye» eröffnet «Davoser Gipfel»
Am "Public Eye on Davos", der Gegenveranstaltung zum WEF, verlangte Oskar Lafontaine, dass auch am offiziellen Forum mehr über die nicht glänzende Seite der Globalisierung gesprochen werden sollte.
«Vertrauen bilden» lautet das Motto des World Economic Forums (WEF). Dafür ist das WEF jedoch laut «Public Eye» die falsche Plattform.
Hinter dem «Public Eye» stehen internationale Nichtregierungs-Organisationen, mit der Erklärung von Bern (EvB) als Koordinatorin. Der Anlass wird zum vierten Mal durchgeführt.
Der thematische Fokus liegt auf der Rolle der Konzerne im Globalisierungs-Prozess. Die Organisatoren hoffen, damit die öffentliche Diskussion über die negativen Auswirkungen der einseitig von wirtschaftlichen Interessen gesteuerten Globalisierung voran zu bringen.
Nach einer spärlich besuchten morgendlichen Pressekonferenz sorgte der ehemalige deutsche Finanzminister Oskar Lafontaine mit seinem Auftritt am Nachmittag für einen übervollen Konferenzraum.
Rund 150 Personen fanden sich zu seiner Rede ein. Eine Stunde lang äusserte sich ein nach wie vor politisch sehr engagierter Lafontaine zum drohenden Irak-Krieg und zur Globalisierung.
Nicht nur die glänzende Seite der Medaille
Dazu Lafontaine: «Wenn wir heute hier in Davos zusammenkommen, dann tun wir das, um über die Kehrseite der Medaille zu reden, die Globalisierung genannt wird. Wir wissen, dass auf dem offiziellen Wirtschaftsgipfel allzu gerne nur über ihre glänzende Seite gesprochen wird.»
Lafontaines Fazit: «Wie früher, so geht es heute immer noch um Geld, Waffen, Rohstoffe und Absatzmärkte.»
Vertrauen entsteht woanders
Einer Umfrage des WEF zufolge leiden Politik und Wirtschaft unter einem massiven Vertrauensverlust in der Gesellschaft. Deshalb lautet das Motto des WEF «Vertrauen bilden».
Darüber kann man beim «Public Eye» nur den Kopf schütteln. Matthias Herfeldt, Sprecher der Erklärung von Bern, gegenüber swissinfo: «Das WEF ist nicht der Ort, an dem Vertrauen gebildet wird. Man bedenke, dass beispielsweise noch letztes Jahr in dessen Verwaltungsrat ein Unternehmen wie Enron vertreten war!»
Glaubwürdige Diskussionen über Vertrauen finden laut Herfeldt auf zivilrechtlichen Plattformen wie am Weltsozialforum in Porto Alegre statt. Dazu Herfeldt: «Dort werden neue, unverbrauchte Konzepte erarbeitet.»
NGOs stehen gut da
Derselben Umfrage des WEF zufolge gelten Nichtregierungs-Organsationen (NGOs) wie die Organisatoren des «Public Eye» als vertrauenswürdig. «Kein Grund, uns auf diesen Lorbeeren auszuruhen», erklärt Matthias Herfeldt vor den Medien weiter.
Das Programm von «Public Eye» dreht sich um die Verantwortung und Kontrolle von internationalen Unternehmen. Die Organisatoren hatten deshalb auch die CEOs von BP und Nike zu einem kritischen Dialog eingeladen. Doch im Unterschied zu anderen Managern sagten sie ab.
WEF antwortet mit Open Forum
Stattdessen will auch das WEF am eigenen «Open Forum» einen kritischen Dialog zwischen WEF-Mitgliedern und NGOs anbieten. Auch das «Public Eye» war dazu eingeladen worden. Doch besteht ein gewisses Misstrauen gegenüber den Absichten des WEF.
Dazu Mirjam Behrens, Sprecherin von Pro Natura: «Wir werden diese Veranstaltungen zuerst kritisch unter die Lupe nehmen, bevor wir eine Teilnahme erwägen. Prinzipiell dagegen sind wir nicht!»
UNO soll in die Pflicht
Das WEF setzt weiterhin auf Eigenverantwortlichkeit bei den Unternehmen. Das «Public Eye» sieht dies anders. Dazu Sprecher Herfeldt: «Die UNO ist die legitime Plattform für das Erstellen und Durchsetzen von verbindlichen Regeln.»
Bereits in den 70er Jahren habe es solche Forderungen gegeben – vergebens. Herfeldts Fazit: «Die Politik muss die Leitplanken für wirtschaftliches Handeln definieren.»
«Public Eye» ist flexibel – und friedlich
WEF-Gründer Klaus Schwab hat kürzlich in einem Gespräch mit den Medien angedeutet, dass er sich durchaus vorstellen könne, das WEF irgendwann in einem anderen Land durchzuführen.
Kein Problem für «Public Eye». Matthias Herfeldt: «Wir sind eine internationale Koalition von NGOs. Wir können uns auch in einem anderen Land organisieren.»
Die WEF- und Globalisierungs-Opposition teilt sich auf in Dialog suchende und -ablehnende Gruppierungen. Das «Public Eye» sucht laut Herfeldt die friedliche Form der Auseinandersetzung.
«Es ist auch für uns wichtig, Vertrauen aufzubauen und vor allem zu bewahren – und zwar das Vertrauen einer breiten Bevölkerung. Schliesslich wollen wir die Stimmbürger und Stimmbürgerinnen für die Globalisierungs-Kritik mobilisieren.»
swissinfo-Sonderkorrespondenten Andrea Tognina und Elvira Wiegers, Davos
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