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SBB: Ein Kurzschluss löste Supergau aus

Viele Pendler blieben wegen der Bahn-Panne auf dem Bahnsteig, wie hier in Zürich. Keystone

Ein Kurzschluss hat die Panne verursacht, die am Mittwoch die Schweizerischen Bundesbahnen komplett lahm gelegt hatte. Eine Kettenreaktion war die Folge.

Während der Erklärung der Ursachen mussten die SBB zugeben, dass ihr Stromnetz strukturelle Schwächen aufweist.

Die SBB haben einen Kurzschluss an einer Übertragungsleitung in der Zentralschweiz als Ursache des Blackouts im gesamten Bahnverkehr vom Mittwochabend genannt.

Der Zusammenbruch sei auf ein Netzproblem zurückzuführen, sagte SBB-Infrastrukturchef Hansjörg Hess. Die Aufsichtsbehörde der Bahn wird sich einschalten.

Vom beispiellosen Stromausfall auf dem gesamten Netz der Schweizer Normalspurbahnen waren laut SBB rund 200’000 Reisende in Bahnhöfen und in 1’500 Zügen betroffen. Betroffen war auch der Bahnverkehr ins angrenzende Ausland.

Sieben Züge steckten in Tunnels

Sieben in Tunnels stecken gebliebene Züge wurden innerhalb von höchstens anderthalb Stunden ins Freie gezogen. Der letzte Reisezug erreichte seinen Bestimmungsbahnhof am frühen Donnerstagmorgen um 03.43 Uhr.

Inzwischen habe sich der Bahnverkehr wieder normalisiert. «Wir fahren wieder», sagte SBB-Generaldirektor Benedikt Weibel am Donnerstag vor den Medien.

Am Donnerstag kam es nur noch vereinzelt zu Zugsausfällen, so etwa zwischen Luzern – Bern und Zürich – Chur.

Grosses Aufkommen am Donnerstag

Es wurde mit einem grossen Verkehrsaufkommen mit über 1’100 Gruppen mit rund 17’000 Schülern gerechnet.

Probleme gab es jedoch noch im Güterverkehr, nachdem der gesamte Binnen- und Wagenladungsverkehr in der Nacht auf Donnerstag eingestellt worden war.

Ursache der Mega-Strompanne war ein Kurzschluss an der SBB-Übertragungsleitung von Amsteg nach Rotkreuz, wie der SBB-Infrastrukturchef Hess darlegte.

Wegen AlpTransit weniger Leitungs-Kapazität

Dieser führte am Mittwoch um 17.08 Uhr zum Abschalten mehrerer SBB-Kraftwerke und löste eine fatale Kettenreaktion aus.

Zwei der drei Leitungen, die Energie vom Kraftwerk Amsteg in die Deutschschweiz transportieren, waren zum Zeitpunkt des Kurzschlusses wegen Bauarbeiten für AlpTransit Gotthard direkt unter den Leitungen ausgeschaltet.

Damit wurde die Stromversorgung des Schweizer Bahnnetzes in zwei Teilnetze getrennt. Im Süden stand zuviel und im Norden zuwenig Energie zur Verfügung.

Da die Kraftwerke am Gotthard nach dem Kurzschluss nur noch das Tessin mit Energie versorgen konnten, kam es laut Hess im südlichen Stromnetz der Bahn wegen Überlastung zu Schutzabschaltungen.

Zunächst brach deshalb der Bahnverkehr der Region Uri und Tessin total zusammen. Wegen der fehlenden Leistung aus den Urner und Tessiner Kraftwerken von 200 Megawatt kam es in den folgenden Minuten auf dem übrigen Schweizer Bahnnetz im Norden zunehmend zu Energieversorgungs-Engpässen.

Die Züge konnten zunächst noch fahren, doch arbeiteten die Anlagen im Überlastbereich, bis es um 17.47 Uhr zum totalen Crash kam. Der Grund für den Kurzschluss an der Übertragungsleitung war vorerst nicht bekannt.

Einsprachen verhindern Netz-Ausbau

Zum Zusammenbruch haben laut Hess alleine Netzprobleme geführt. Das Stromversorgungsnetz der SBB habe eine geringe Ausfalltoleranz, weil es noch nicht eng genug vermascht sei.

Die SBB sind deshalb bereits seit langem daran, die Ringe im Energienetz zu schliessen. Der Bau der Leitungen werde jedoch teilweise bereits seit Jahrzehnten durch Einsprachen verhindert, sagten Hess und Weibel an der Medienkonferenz.

So stehen etwa die geplante Nufenenleitung voraussichtlich noch Jahre nicht zur Verfügung, dasselbe gelte auch für die Leitung Kerzers – Yverdon in der Westschweiz.

Der Zusammenbruch des Bahnverkehrs sei ihm unendlich peinlich, sagte Weibel. Er sei auch überrascht gewesen, weil er so etwas noch nie in diesem Ausmass erlebt habe.

Railchecks für 3 Mio. Franken und 250 Reisebusse

Bisher wurden rund 200’000 so genannte «Sorry»-Railchecks mit einem Gesamtwert von etwa drei Millionen Franken an betroffene Passagiere verteilt.

Rund 250 Reisebusse standen im Einsatz und etwa 300 Menschen wurden in Hotels untergebracht.

Der Stromausfall bei den SBB beschäftigt auch die Aufsichtsbehörde des Bundes. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) werde den SBB sicher gewisse Fragen stellen, sagte BAV-Sprecher Gregor Saladin.

Er erinnerte daran, dass vom Bund jährlich rund 1,5 Mrd. Franken in die Infrastruktur der Bahn fliessen. Deshalb bestehe natürlich auch ein Interesse an einem guten und zuverlässigen Funktionieren des Bahnverkehrs.

swissinfo und Agenturen

Die SBB befördern pro Tag im Schnitt mit 9000 Zügen rund 700’000 Personen.
Etwa 2200 Güterzüge befördern zudem 160’000 Tonnen Fracht.
Zusammen mit den Regional- und Privatbahn-Unternehmen, die von der Panne teilweise betroffen wurden, umfasst das landesweite Schienennetz 5100 km.
Es ist damit eines der dichtesten auf der Welt.
Die Schweizer gelten als Europas fleissigste Zugsfahrer. Weltweit werden sie nur noch von den Japanern überboten.

Der SBB-Supergau hatte nur schwache Auswirkungen auf andere Verkehrsnetze.

Die Post erklärte, nur geringe Verspätungen in ihren Lieferungen aufzuweisen.

Die Grossverteiler haben unter der Bahn-Panne nicht zu stark gelitten, denn sie konnten einen wichtigen Teil der Transporte auf die Strasse umlenken.

Die Kühlwagen wurden nicht im Mitleidenschaft gezogen, denn sie sind mit einer eigenen Energiequelle ausgestattet.

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