Schweizer Flughäfen konkurrenzieren sich
Von den drei Schweizer Flughäfen hat sich Genf am stärksten entwickelt. Das vor allem wegen den Billigfluggesellschaften, so Direktor Jean-Pierre Jobin.
Im Gespräch mit swissinfo erklärt er seine Gewinnstrategie und zeigt die Beziehungen zwischen den drei grössten Flughäfen auf.
Seit 1996 fliegt die Swissair beziehungsweise die Swiss den Flughafen Genf nicht mehr an. Dieser hat sich jedoch gut von diesem Schlag erholt. Davon zeugen das seit mehreren Jahren anhaltende Wachstum und die auch während Rezessionsperioden im Luftreiseverkehr erwirtschafteten Gewinne.
Diese Bilanz ist eine Bestätigung für Jean-Pierre Jobin, der seit 12 Jahren Generaldirektor des Flughafens Genf ist. Im Januar 2006 wird er diesen Posten abgeben.
swissinfo: Von den drei Schweizer Flughäfen konnte Genf in den letzten Jahren das nachhaltigste Wachstum verzeichnen. Weshalb?
Jean-Pierre Jobin: Der Flughafen Genf hält sich gut, weil sein Markt in der Romandie und im benachbarten Frankreich im Aufbau ist. Und wir haben das Glück, dass wir mit easyJet Switzerland, einer Tochtergesellschaft der britischen Fluglinie, seit 1998 eine Billigflug-Gesellschaft haben, die ein neues, einfaches, günstiges und effizientes Produkt anbietet. Unserer Kundschaft gefällt das, und sie will mehr solche Flüge.
Diese Fluggesellschaft stimuliert den gesamten Markt. Ich stelle jedenfalls fest, dass die klassischen Fluglinien (mit denen rund 70% unserer Reisenden fliegen) ebenfalls Wachstum verzeichnen. Und ihnen kommt wie easyJet zugute, dass sich sowohl die frühere Swissair wie auch die heutige Swiss aus Genf zurückgezogen haben.
Die Swiss hat sich bewusst für den Flughafen Zürich entschieden und konzentriert ihren Verkehr dort. Auf Kosten von Basel und Genf. Das bedauern wir. Aber die anderen Fluglinien reagieren gut und übernehmen die von der Swiss verschmähten Passagiere.
swissinfo: Können der Rückzug der Swissair und der Swiss und das Aufkommen von easyJet allein die gute Leistung Ihres Flughafens erklären?
J.-P.J.: Wir haben niemals vorgegeben, ein «Hub», also ein Anschlussflughafen für das Streckennetz einer Gesellschaft zu sein. Die beiden anderen Schweizer Flughäfen dagegen haben diese Rolle gespielt, Zürich mit der Swissair, Basel mit der Crossair. So kam der Basler Flughafen 2000 auf vier Millionen Reisende und Zürich auf 23 Millionen, 40% davon auf der Durchreise.
Heute, mit dem Verschwinden der Swissair und den laufenden Restrukturierungen bei der Swiss, gibt es immer weniger Durchreisepassagiere. Das erklärt zu einem guten Teil die Schwierigkeiten dieser beiden Flughäfen. So verzeichnete Zürich letztes Jahr noch 17 Millionen Passagiere und Basel 2,5 Millionen.
swissinfo: Stehen Sie in Konkurrenz zu Zürich und Basel oder ist Genf vielmehr eine Ergänzung?
J.-P.J.: Beides. Vor rund fünf Jahren haben wir die Vereinigung der internationalen Flughäfen der Schweiz gegründet, dem Zürich, Basel, Genf, Lugano und Altenrhein (St. Gallen) angehören. Wir tauschen unsere Erfahrungen aus und können dank gemeinsamen Anschaffungen Kosten senken.
Aber andererseits, und dieses Thema ist eigentlich ein Tabu, stehen wir auch in Konkurrenz, wenn es darum geht, Fluggesellschaften anzuziehen. Wir verfolgen also gemeinsame Interessen, stehen aber auch im Wettstreit.
swissinfo: Der Flughafen Genf hat denn auch soeben eine Werbekampagne in Bern und Solothurn lanciert.
J.-P.J.: In der Tat. Die Regionen, in denen sich die Kundschaft auf die Märkte Basel, Zürich und Genf verteilt, sind meiner Ansicht nach veränderlich. Je nach Angebot interessiert sich diese Kundschaft für den einen oder anderen Flughafen.
Mit dem Produkt, das wir seit einigen Jahren anbieten – Billigflüge – sind wir für Passagiere attraktiv, die ausserhalb unserer üblichen Kundenregion zu finden sind. So haben wir zum Beispiel immer mehr Berner, Aargauer, Solothurner und sogar Zürcher Kundschaft, die nach Genf kommt, um für 50 Franken nach Barcelona oder nach Madrid zu fliegen.
swissinfo: Welche anderen Sektoren sind neben den Low-cost- und den herkömmlichen Fluggesellschaften in Genf am Wachsen?
J.-P.J.: Einige herkömmliche Gesellschaften bieten Luxusleistungen für eine begüterte Kundschaft und für Geschäftsleute an. Im Übrigen steigen aber immer mehr Geschäftsleute und Firmen aus dem traditionellen Netz aus, indem sie ein Flugzeug stundenweise mieten oder ihre eigene Maschine kaufen.
swissinfo-Interview: Frédéric Burnand, Genf
(Übertragung aus dem Französischen: Charlotte Egger)
Die Zahlen von 2004:
Zürich: 17’252’906 Passagiere (+1,2%), 12’300’000 davon lokale.
Genf: 8’593’114 Passagiere (+6,2%), 8’330’000 davon lokale.
Basel: 2’549’083 Passagiere (+2,4%), 2’500’000 davon lokale.
Die Top Ten der Destinationen ab Genf sind London (1,6 Millionen Passagiere), Paris (1 Mio.), Zürich (580’000), Amsterdam (480’000), Frankfurt (369’000), Barcelona (363’000), Brüssel (298’000), Nizza (251’000), Madrid (239’000) und Rom (206’000).
Die Marktanteile der Fluggesellschaften sehen wie folgt aus: easyJet (30, 5%), Swiss (14,6%), British Airways (9,9%), Air France (7,6%) und Lufthansa (6,3%).
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