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Schweizer Wirtschaft droht Nullwachstum

Die Aussichten für die Schweizer Wirtschaft sind düster. Keystone Archive

Die Schweizer Wirtschaft kommt dieses Jahr nicht aus ihrer Stagnation, auch wenn sich der Irak-Konflikt bis im Sommer entspannt.

Laut KOF-Prognose steigt die Arbeitslosenquote auf 3,8%. Eine leichte Erholung tritt erst 2004 ein.

Die Konjunkturforscher der ETH Zürich (KOF) sehen für die Schweizer Wirtschaft in diesem Jahr kaum Silberstreifen am Horizont. Sie rechnen mit einem «Nullwachstum», wie sie am Donnerstag in Zürich mitteilten. Erst 2004 soll das Schweizer Bruttoinlandprodukt (BIP) um 0,8% steigen.

Damit revidierte die KOF nicht nur ihre letzte offizielle Prognose deutlich nach unten. In ihrer Korrektur zeigt sie sich auch pessimistischer als andere Institutionen. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) und die Credit Suisse rechnen mit einem Wachstum von 0,5%. Die Prognose-Werte des Bundes (seco) und der UBS betragen 0,8% und jener der Basler BAK 1%.

Deiss: Strukturelle Probleme angehen

Die KOF-Prognosen liegen auch deutlich unter jenen des Bundes, der für dieses Jahr mit 0,8 und für 2004 mit 1,4 Prozent Wachstum rechnet. Die Zahlen zeigten aber in die gleiche Richtung, hielt Wirtschaftsminister Joseph Deiss an einer Medienkonferenz nach 100 Tagen im neuen Amt fest.

Nun sei die internationale Entwicklung abzuwarten, zumal die kurzfristig möglichen konjunkturpolitischen Massnahmen im Inland eingeleitet worden seien. Deiss erinnerte etwa an die Task Force Lehrstellen und die Senkung der Beiträge an die Arbeitslosenversicherung.

Für ein langfristiges Wachstum müssten aber strukturelle Probleme angegangen werden.

Gemäss den Zahlen der KOF fällt das Wachstum in diesem Jahr noch schwächer aus als 2002, wenn auch nur minim: Weil sich die Exporte besser entwickelten als erwartet, wurde der Wert für 2002 von -0,1% auf +0,1% nach oben korrigiert.

Erholung im Ausland hilft Schweiz vorerst wenig

Hoffnungsvoller ist die Einschätzung des weltwirtschaftlichen Umfeldes: Ausgehend von einer Entspannung in der Irakkrise bis im Sommer rechnen die KOF-Experten mit einer nachhaltigen Beruhigung an den Finanz- und Rohölmärkten. Davon gingen positive Impulse auf die Wirtschaftsaktivitäten in den Industrieländern aus.

Doch das hilft der Schweizer Wirtschaft vorerst wenig. «Im laufenden und im kommenden Jahr ergeben sich aus dem Ausland kaum Impulse für die einheimische Wirtschaft», sagte Prognose-Experte Yngve Abrahamsen.

Entsprechend werde sich die Situation am Arbeitsmarkt weiter verschlechtern: Die Arbeitslosenquote (2002: 2,8%) betrage im laufenden Jahr durchschnittlich 3,8% und im nächsten Jahr 4,2%.

Die Finanzbedingungen bleiben laut KOF-Leiter Bernd Schips günstig: Die Nationalbank machte mit Zinssenkungen deutlich, dass sie der Frankenaufwertung nicht tatenlos zuschaut. Die bereits tiefen Kurzfristzinsen bleiben auf tiefen Niveau und der Euro-Franken-Kurs stabil.

Schips gibt zu bedenken: «Man kann die Pferde zur Tränke führen, doch saufen müssen sie selber.»

Die KOF wertet den privaten Konsum weiterhin als stärkste Wachstumsstütze. Der private Konsum soll sich bis Ende 2004 bei 0,9% respektive 1,1% auf tiefem Wachstumsniveau stabilisieren.

Folgen von SARS nicht abschätzbar

Hingegen werde der staatliche Konsum mit 1% nur halb so stark zulegen wie letztes Jahr. Dies führe unter anderem zu einer weiteren Stagnation bei den Bauinvestitionen Auch die Nachfrage nach Ausrüstungs-Investitionen und die Warenexporte dürften nur mässig steigen.

Als grösstes Prognose-Risiko betrachte er einen rascheren Rückgang oder ein Verharren des Ölpreises, sagte Schips. Zu den volkswirtschaftlichen Folgen der Lungenkrankheit SARS sagte er: «Das ist ein neues Phänomen, da können wir nichts abschätzen.»

Gefragt nach seinem Rezept für die Schweizer Wirtschaft verurteilte Schips einmal mehr die Ausgabekürzungen, welche die Nachfrage bremsten. Er fügte hinzu: «Nach den eidgenössischen Wahlen werden die Leute wieder nachdenken und einsehen, dass ein Entlastungsprogramm erst kommen sollte, wenn es wieder besser geht.»

Probleme hausgemacht

Laut Alois Bischofberger, Chefökonom der Credit Suisse, hat der Verlauf des Irak-Krieges nur geringen Einfluss auf die Lage der Schweizer Wirtschaft. «Wir dürfen nicht mit einer nachhaltigen Erholung rechnen. Ein kurzer Krieg wird die grundlegenden politischen und ökonomischen Probleme nicht lösen», sagte Bischofberger gegenüber swissinfo.

Die Schweizer Wirtschaft sei nach wir vor in einem bedeutenden Ausmass subventioniert und kartellisiert. «Das Problem ist bekannt, was fehlt, ist der politische Wille zur Durchsetzung der notwendigen Massnahmen.»

Dennoch relativiert Bischofberger seinen pessimistischen Befund. Verglichen mit den Haupthandelspartnern wie Deutschland befinde sich die Schweizer Wirtschaft in einer relativ vorteilhaften Lage.

Grosse Teile der Exportindustrie seien international konkurrenzfähig. «Es ist interessant, dass die Exporte trotz starkem Franken kaum eingebrochen sind.»

swissinfo und Agenturen

Reales BIP-Wachstum 2002: 0,1%
Arbeitslosigkeit 2002: 2,8%
Jahresteuerung 2002: 0,6% (im Vergleich zum Vorjahr)

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