Steueramnestie lässt Schweiz vorerst kalt
Den Schweizer Banken droht ein weiterer Abfluss von verwalteten Vermögen, falls die deutsche Regierung ihr Konzept für eine Steueramnestie in die Tat umsetzt.
Rund 44 Mrd. Franken flossen bereits im Rahmen einer ähnlichen Amnestie nach Italien ab.
Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder hat am Montag die Einführung einer 25-prozentigen Zinsbesteuerung und eine bedingte Amnestie für Steuerflüchtlinge angekündigt.
Deutsche, die aus steuertechnischen Gründen Geld im Ausland platziert haben, sollen dies vorübergehend straffrei nach Deutschland zurückführen können.
Bis Ende 2003 gilt ein Steuersatz von 25%. Warten die Steuerflüchtigen bis zu einem halben Jahr länger, fallen 35% an.
Voraussetzung sei aber die Selbstanzeige betonte Finanzminister Hans Eichel, der nicht von einer Amnestie für Steuerflüchtlinge sprechen wollte.
25 Milliarden in die leeren Kassen
Die Bundesregierung hofft, damit nicht versteuertes Geld – «Schwarzgeld» aus deutsches Sicht – ebenso wie legales Geldvermögen von mehr als 100 Mrd. Euro (148 Mrd. Franken) aus dem Ausland zurückholen zu können. Dies bedeute einmalige Einnahmen für den deutschen Bund und Länder von 25 Mrd. Euro. Das Gesetz soll Anfang nächsten Jahres vom Parlament behandelt werden und rückwirkend ab 1. Januar 2003 gelten.
Die Opposition, Wirtschaftsverbände und Ökonomen reagierten auf die Steuervorschläge der deutschen Regierung positiv.
Italien macht es vor
Bis anhin wollte die SPD aus Gerechtigkeits-Gründen nichts von einer Steueramnestie wissen. Die Kehrtwende der deutschen Regierung folgt unmittelbar auf die Ankündigung einer weiteren umfassenden italienischen Steueramnestie.
Dabei will die italienische Regierung nicht mehr nur natürlichen Personen, sondern neu auch Firmen Fluchtgeld-Amnestie gewähren. Experten rechnen damit, dass mindestens nochmals so viele Gelder aus dem Ausland nach Italien zurück fliessen könnten, wie bei der ersten Amnestie zwischen November 2001 und Ende 2002.
Obwohl bei der ersten Amnestie nur natürliche Personen begünstigt waren, wurden Vermögenswerte im Betrag von 59 Mrd. Euro (88 Mrd. Franken) legalisiert. Die Hälfte davon befand sich auf Banken in der Schweiz, vorab im Tessin.
Während der Finanzplatz Schweiz die Folgen der italienischen Steueramnestie zu spüren bekam, sind die allfälligen Auswirkungen einer deutschen Amnestie noch völlig offen.
Geld bleibt in der Schweiz
Alles hänge von der Ausgestaltung der Amnestie ab, sagt Thomas Sutter, Sprecher der Schweizerischen Bankiervereinigung. Bei der italienischen Steueramnestie etwa seien zwischen 5 und 10 Prozent der in der Schweiz liegenden italienischen Spargelder zurückgeflossen. Dies, obwohl auf den legalisierten Beträgen nur ein Obolus von 2,5% zu entrichten war.
Das Beispiel Italien zeige, dass selbst ein «lächerlich» kleiner Steuersatz nur wenig Geld zurückbringen könne, betont Werner Rüegg vom Kaufmännischen Verband Zürich. «Die Gelder bleiben in der Schweiz, und ich hoffe, dies ist wegen der besseren Qualität der Dienstleistungen so, und nicht wegen einer allfälligen dunklen Herkunft.»
Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, der Börsenkrise sowie der grossen Umstrukturierung bei den Allfinanz-Unternehmen seien viel gravierender.
Banken folgen dem Geld
Die italienische Steueramnestie zeigt aber auch, dass die repatriierten Vermögen für die Schweizer Banken nicht gänzlich verloren sind. «Besonders Grossbanken konnten einen Teil der Vermögen über ihre Filialen in Italien zurückgewinnen», sagt Claude Zehnder von der Zürcher Kantonalbank.
Schweizer Banken haben auf die italienische Steueramnestie deshalb mit einer Ausweitung ihres Filialnetzes in Italien reagiert. Dies dürfte auch bei einer deutschen Amnestie der Fall sein, machen doch schon heute Schweizer Banken in der Bundesrepublik gute Geschäfte.
Bankgeheimnis wichtiger
Viel wichtiger ist den Banken, dass es zu keiner Aufhebung des Bankgeheimnisses kommt. Bankiersvereinigung wie Privatbanken verwiesen darauf, dass Deutschland mit der geplanten Zinsbesteuerung dem seit langem praktizierten Modell der Schweiz folgen würde.
swissinfo, Hansjörg Bolliger
Rund 300 Mrd. Euro von deutschen Staatsbürgern liegen auf ausländischen Banken. Mit der Amnestie sollen 100 Mrd. Euro zurückgeholt werden.
Der Steuersatz beträgt bis Ende 2003 25%, bis Ende Juni 2004 35%.
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