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Viele Schweizer reisen lieber nach Österreich

Berge sind auch in Österreich schön. Im Bild: Spullersee mit Gehrengrad, Vorarlberg. www.uni-konstanz.de

Die hohen Preise sind nicht der einzige Grund, warum viele Leute ihre Ferien nicht mehr in der Schweiz verbringen.

Laut den jüngsten Statistiken verliert die Schweiz viele potenzielle Feriengäste an Österreich, weil ihnen dort mehr geboten wird.

«Jedes Restaurant hat einen Kinderspielplatz. In der Schweiz sind so grosse oder so gut eingerichtete Spielplätze wie in Österreich kaum zu finden», erzählt die Schweizerin Beatrice Böhlen, die letztes Jahr ihre Ferien in Kärnten verbrachte.

«Unsere Kinder waren überall willkommen. Das ist in der Schweiz nicht immer der Fall.»

Halb so teuer

Eine Seilbahn- oder Bootsfahrt koste etwa halb so viel wie in der Schweiz, sagt Böhlen weiter. Sie will mit ihrer Familie wieder nach Österreich fahren, diesmal für Winterferien.

Die Schweizer Feriengäste lieben ihr Nachbarland seit jeher, weil sie sich dort wohl fühlen. Es ist ähnlich wie die Schweiz, gleichzeitig aber auch anders. Es ist deshalb leicht für sie, ihrem Land den Rücken zu kehren.

Plus sieben Prozent

Schweizer Feriengäste verbrachten letztes Jahr 2,7 Millionen Nächte in österreichischen Hotels, Gasthöfen und Ferienwohnungen. Das ist eine Zunahme von sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Aber nicht nur die Schweizerinnen und Schweizer selber machen weniger Ferien in ihrem Land. Auch die Zahl ausländischer Feriengäste ging in der Schweiz letztes Jahr um über neun Prozent zurück. Statistisch gesehen galt bisher die Regel, dass bei Rückgang der Ausländer-Logiernächte die Inländer den Ausfall wettmachten oder umgekehrt. Dieses Szenario hat 2001 nicht mehr gespielt.

Die grossen Verlierer waren die Schweizer Ferienhotels. Sie beklagen für 2001 einen Einnahmeverlust von sechs Prozent, und auch dieses Jahr gab es keine Trendwende.

Teure Lebenshaltungskosten in der Schweiz

Im Vergleich dazu verzeichnete Österreich letztes Jahr bei den Übernachtungen ein Wachstum von 1,5 Prozent. Und dies trotz der instabilen Weltwirtschaft und den Terroranschlägen in New York, wegen denen viel weniger Gäste aus Amerika und Asien nach Europa kamen.

Der überbewertete Schweizer Frankens und die allgemein hohen Lebenshaltungskosten machen die Schweiz 30 bis 40 Prozent teurer als ihre europäischen Nachbarn.

Die Pauschalpreise selber sind zwar nicht so hoch, die allgemeinen Kosten «ausser Haus» belasten jedoch das Portemonnaie der Touristen.
Das gilt als einer der Hauptgründe, warum die Schweizer Ferienorte so schlecht ausgelastet sind.

Mehr Gegenwert fürs Geld

Aber nach Meinung des Schweizers Urs Kamber, Tourismusdirektor im österreichischen Ferienort Lech, geht es nicht nur um den Preis.

Denn auch Lech, ein Ferienort der oberen Preisklasse, konnte letztes Jahr mehr Gäste verzeichnen. «Lech ist nicht gerade eine billige Destination. Aber es bietet viel fürs Geld.»

Als Schweizer und früherer Direktor des Schweizer Ferienorts Bad Ragaz kann Kamber Preise und Leistungen in beiden Ländern vergleichen.

Familienbetriebe

«Die meisten Hotels in Österreich sind auch heute noch Familienbetriebe, was ihnen einen gewissen Charme verleiht», führt Kamber aus. «Ich glaube, die Leute wollen nach wie vor Geld ausgeben, und sie sind bereit, für einen wirklich guten Service auch gut zu bezahlen. Aber niemand will in einem Hotel ohne Atmosphäre und ohne persönlichen Service sitzen.»

Laut Kamber sind 75 Prozent der Feriengäste nicht zum ersten Mal in Lech. Und wenn sie wiederkommen, dann oft mit Freunden.

Ambiente als Qualitätskriterium

Diese Theorie wird von Kristy Lausenhammer von der Österreich Werbung in Wien bestätigt. «Wenn Sie Ihre Ferien in einem privat geführten Gasthof verbringen, können Sie die Besitzerfamilie kennen lernen, ihre Sitten und ihre Lebensweise», erklärt sie. «Das ist etwas Besonderes.»

Zwar sind auch die meisten Schweizer Hotels heute in einheimischer Hand, dafür sorgen Gesetze wie die Lex Friedrich. Aber immer mehr ist nicht nur das Personal vorwiegend ausländischer Herkunft, sondern auch das Management und die Leitung.

Der typische Schweizer Service, den die ausländischen Touristen suchen, geht damit verloren, obwohl die Qualitätskriterien des Service an sich stimmen.

Unflexibel

Thomas Allemann, Ökonom des Schweizer Hotelier-Vereins, glaubt, dass der Gästeschwund eher eine Frage des Preises sei. Die Schweizer Hotels seien nicht so flexibel wie die österreichischen.

«Wir haben ein strenges Klassifizierungssystem», führt er aus. «Schweizer Viersternhotels bieten zum Beispiel Mahlzeiten rund um die Uhr an und haben ein ‹à la carte›-Restaurant im Haus.»

Weniger Swissness, mehr Standard

Laut Allemann bringt dies höhere Betriebskosten mit sich, welche sich im Preis für Zimmer und Mahlzeiten niederschlagen. In Österreich würden viele Hotels der gleichen Kategorie nur Halb- oder Vollpension anbieten und damit Unkosten sparen.

Ausserdem gibt es in der Schweiz nur wenig kleine beherbergungsorientierte Hotels und Gasthöfe mit vernünftigen Preisen. Kleinere Gasthöfe machten ihren Umsatz und Gewinn traditionell vor allem mit Getränken und Mahlzeiten und weniger mit der Unterkunft. Das Geschäft mit der Unterkunft im KMU-Hotelbereich haben seit einigen Jahren nun vor allem Kettenhotels an sich gerissen – und die bieten weniger Swissness und mehr Standard.

Imagefrage: Auch in der Schweiz gibt es Günstigangebote

Silvia De Vito von Schweiz Tourismus kündigt an, dass viele Ferienorte für den kommenden Winter Spezialangebote machen, «damit die Schweiz wieder wettbewerbsfähiger wird».

Aber sie räumt ein, dass es oft eine Imagefrage sei. Denn in der Schweiz könnten alle Gäste Unterkünfte und Dienstleistungen finden, die ihrem Budget entsprechen.

Laut de Vito arbeitet Schweiz Tourismus hart daran, dieses Image zu verbessern, durch «landesweite Einführung eines Qualitätsstandards, damit die Feriengäste einen angenehmeren Aufenthalt in der Schweiz haben».

swissinfo

Schweizer Hotels verzeichneten letztes Jahr 0,9 Prozent weniger Übernachtungen
Die Zahl der ausländischen Feriengäste ging um über neun Prozent zurück
Österreich verzeichnete 2001 ein Plus von 1,3 Prozent
Fast sieben Prozent mehr Schweizer verbrachten ihre Ferien letztes Jahr in Österreich

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