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Ein Zytgloggeturm für Amerika

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In Adams County, Indiana, liegt das beschauliche Städtchen Berne. Auf die alte Heimat ist man stolz, dass die Vorfahren einst aus religiösen Gründen das Land verlassen mussten, ist Vergangenheit.

Noch immer haben viele der rund 4000 Einwohnerinnen und Einwohner von Berne Schweizer Wurzeln. Geranien, Schweizer Wappen und Namen sind überall präsent.

Die Nachfahren der Siedler legen Wert auf Traditionen der alten Heimat, auch wenn vielen bewusst ist, dass sie die Dinge etwas durch eine rosa Brille betrachten. «Ein freundlicher Umgang, die gute Arbeitsmoral, das Bewusstsein für Qualität und Sparsamkeit ist uns wichtig», heisst es immer wieder.

«Noch heute sagt man von den Schweizern, wenn sie einen Dollar verdienen, legen sie davon 10 Cent zur Seite», erklärt etwa Gaylord Stuckey, früherer Bürgermeister der Stadt. Auch er ist stolz auf seine Herkunft, läuft gerne im «Chüier-Mutz» herum.

Bild einer «Schweizer» Kleinstadt

Das Schweizer Erbe ist überall präsent, auffällig ist neben den vielen Schweizer Namen und Wappen an Geschäften und Wohnhäusern der Blumenschmuck, Geranien zieren Fensterbänke und Strassenränder.

Die meisten Siedler waren Bauern, doch hatte es auch Schmiede, Schreiner und Zimmerleute unter ihnen, Handwerk, das noch heute das wirtschaftliche Bild von Berne mitprägt.

Das Leben hier verläuft bedächtig, man grüsst und kennt sich, aber auch die Fremde wird freundlich gegrüsst. Nicht nur auf der Main Street, sondern genauso beim Bummel durch die ruhigen Hinterstrassen. Auch hier finden sich zahlreiche Hinweise auf die Schweiz.

«Schwiizerdütsch» verschwindet

Doch was langsam verschwindet, ist der Schweizer Dialekt. Es heisst, noch vor ein paar Jahren habe man sich in Berne mit «Wie geits» begrüsst. Heute nicht mehr. John Eicher, ein Nachfahre der ersten Siedler, den ich im lokalen Tourismusbüro treffe, spricht gut Berndeutsch, nur ab und zu fliesst ein englisches Wort ein.

Jeden Morgen trifft er sich mit Freunden zum Kaffee, «de brichte mr zäme uf Schwiizerdütsch». (Dann sprechen wir zusammen in Schweizerdeutsch). Am nächsten Tag leiste ich ihnen Gesellschaft, sie erzählen Geschichten von früher, in Schweizer Dialekt, nur ab und zu müssen sie nach einem Wort suchen.

Sie gehören zur dritten Generation der Siedler, sind so um die 70 Jahre alt. Ihre Kinder und Kindeskinder sprechen praktisch nur noch Englisch. «Leider stirbt dieses Wissen aus», bedauert einer der Freunde von John Eicher. Er war noch nie in der Schweiz, ein Traum, den er sich noch erfüllen möchte.

16 christliche Gemeinschaften

Verändert hat sich auch die religiöse Zusammensetzung der Bevölkerung. Neben den Mennoniten (1100 Personen) gibt es 15 weitere christliche Ausrichtungen. «Wir haben ein gutes Verhältnis untereinander, arbeiten miteinander, da gibt es keine Probleme», sagt Craig Maven, Chef-Pastor der First Mennonite Church, gegenüber swissinfo.

Vom Täuferjahr 2007 in der Schweiz hat Maven gehört, auf seinem Pult liegt auch die Broschüre. Eine offizielle Delegation werden die Mennoniten aus Berne aber nicht ins Emmental entsenden.

«Ich denke jedoch, dass die eine oder andere Familie den Anlass nutzt, die Schweiz zu besuchen.» Etwa drei Viertel seiner Gemeinde habe noch Schweizer Wurzeln.

Die Aufgabe des Bürgermeisters

«Gut», sagt seinerseits Bürgermeister John Minch auf die Frage, wie sich das Zusammenleben zwischen den «Swiss» und den «English» gestalte. Manchmal müsse er als Bürgermeister schauen, dass die Schweizer bei gewissen Projekten vor lauter Enthusiasmus für ein Schweizer Anliegen die anderen im Städtchen nicht vergässen.

Ein Beispiel ist das ambitiöse Projekt zur Errichtung eines 48 Meter hohen, dem Zeitglockenturm in Bern nachempfundenen Turms. Er war nicht gegen das Projekt, bestand aber auf privater Finanzierung. Wenn alles klappt, soll der Turm 2009 stehen. Ein neues Wahrzeichen für Berne.

swissinfo, Rita Emch aus Berne, Indiana

1852 lässt sich eine Gruppe von 70 Mennoniten aus dem Jura in der Gegend nieder.

1871 wird die Gemeinde als Berne registriert. Erstmals fährt ein Zug durch Berne.

Die Eisenbahn-Verbindung bringt neue Einwanderer, zumeist aus der Schweiz und aus Deutschland. Die wirtschaftliche Entwicklung setzt ein.

Heute leben in Bern selbst 4150 Personen. Rund um das Städtchen haben sich 5000 Amische angesiedelt.

Wie andere Kleinstädte verliert auch Berne für eine jüngere Generation Anziehungskraft. Wer ins College geht, kehrt oft nicht mehr zurück.

Etwa ein Viertel der Bevölkerung ist über 65 Jahre alt.

Wirtschaftlich geht es der Gemeinde ziemlich gut, auch wenn sie in den vergangenen Jahren industrielle Arbeitsplätze an Asien verloren hat.

Dafür gibt es mehr Stellen im Dienstleistungsbereich, so in der Alters- und Wohnsiedlung «Swiss Village».

Zudem haben sich einige neuere Industrien aus der Elektronik- und der Autozulieferer-Branche angesiedelt.

Daneben gibt es weiterhin eine Reihe von Handwerks-Betrieben.

Die Handelskammer von Berne organisiert jeden Sommer die «Swiss Days», ein Festival mit Schweizer Essen, Musik, Tanz, Ausstellungen und anderen Attraktionen.

Die «Swiss Days» ziehen jeweils Tausende von Heimweh-Schweizern von nah und fern an.

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