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Mangelnde Akzeptanz gegenüber Muslimen

Örhun ist besorgt über die die Haltung in der Schweiz gegenüber Muslimem. RDB

Der OSZE-Botschafter für Diskriminierung und Intoleranz gegen Muslime, Ömür Orhun, ist über die "wachsende Islamophobie" in der Schweiz beunruhigt.

Der türkische Diplomat hat auch die Minarettverbots-Initiative kritisiert. Die Lebensbedingungen für Muslime in der Schweiz seien jedoch besser als in anderen europäischen Ländern.

Muslime hätten verstärkt das Gefühl, in der Schweiz nicht willkommen zu sein, sagte der Gesandte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) am Mittwoch zum Abschluss seines dreitägigen Besuches in Bern.

Örhun war einer Einladung der Landesregierung gefolgt, um die Situation der Muslime zu untersuchen. Allerdings wurde sein Besuchswunsch vom Schweizer Aussenministerium im Sommer auf Ende des Jahres, auf die Zeit nach den eidgenössischen Wahlen, verschoben.

Keine muslimischen Ghettos

Die Schweizer Bevölkerung scheine sich gleichzeitig immer mehr vor Muslimen zu fürchten. Dies führe bei der muslimischen Bevölkerung zu einem Gefühl von Angst, Entfremdung.

«Das Problem der gegenseitigen Wahrnehmung, von gegenseitiger Furcht und Angst bei muslimischen und nicht-muslimischen Gemeinschaften könnte problemlos mittels kleiner Gesten und gutem Willen korrigiert werden. Geschieht das nicht, könnte sich diese Störung in Zukunft weiter steigern», sagte er gegenüber swissinfo.

Für Örhun könnten die Kantone eine Geste zum Aufbau von Vertrauen und Akzeptanz machen, indem sie den Islam auf dieselbe Stufe stellten wie das Christen- oder Judentum. «Die muslimische Gemeinde fragt, warum ihr nicht dieselben Möglichkeiten wie einer viel kleinere Religion eingeräumt werden.»

Zu früh für definitives Urteil

Orhun hatte unter anderem mit der muslimischen Gemeinschaft in Zürich und mit Vertretern von Bund und Kantonen gesprochen. Er traf auch Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey, Innenminister Pascal Couchepin und Justizminister Christoph Blocher.

Am letzten Tag seines Besuches sei es noch zu früh für ein definitives Urteil, sagte Orhun. «Bei der Ausbildung scheinen muslimische Jugendliche jedoch besser gestellt zu sein als in anderen OSZE-Ländern».

Auch die finanzielle Lage der Muslime sei nach seinem ersten Eindruck besser als anderswo – sie würden nicht in Ghettos verdrängt. Auch seien ihm keine konkreten Fälle von Übergriffen oder Vandalismus zugetragen worden.

Minarettverbot schlecht für den Ruf der Schweiz?

Kritik übte Orhun an der Anfang Mai von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) lancierten Minarettverbots-Initiative. «Das Minarett ist ein Bestandteil der Moschee, so wie der Kirchturm zur Kirche gehört». Ein Bauverbot sei nicht menschenrechtskonform.

Moscheen sollten nicht in Keller verbannt werden; vielmehr sollte den Gläubigen geholfen werden, sich besser in der Öffentlichkeit darzustellen. Auch die weitere Verschärfung des Ausländerrechts könnte eine «ungünstige Atmosphäre» schaffen und dem Ruf der Schweiz im Ausland schaden, sagte Orhun.

Er äusserte sich grundsätzlich positiv über die Ausbildung von Imamen in der Schweiz. Diese müssten eine Landessprache und die demokratischen Werte der Schweiz kennenlernen. Die religiöse Ausbildung auf das Gastland zu beschränken lehnte Orhun jedoch ab.

Bericht an Spanien

Die Schweiz ist bereits das zehnte Land, das Orhun besucht. Zuvor war er unter anderem in den Niederlanden, Frankreich, Grossbritannien, Dänemark und Spanien. Er wird seine Beobachtungen bis Januar 2008 in einem Bericht zuhanden der spanischen OSZE-Präsidentschaft zusammenfassen.

Ob dieser öffentlich gemacht wird, hängt von den Schweizer Behörden ab. Bislang hatte sich nur Dänemark bereit erklärt, den Bericht des OSZE-Gesandten zu publizieren.

swissinfo und Agenturen

Religionszugehörigkeit in der Schweiz:
Römisch-Katholiken: 42%
Christ-Katholiken: 0,2%
Evangelisch-Reformierte (mit Freikirchen): 33%
Christlich-Orthodoxe (serbische, russische, mazedonische, griechische): 1,8%
Anglikanische Kirchen: 0,1%
Muslime: 4,3%
Juden: 0,2%
Buddhisten: 0,3%
Hindus: 0,4%
Andere religiöse Gemeinschaften: 0,1%
Ohne Religionszugehörigkeit: 11%
(Basis: Eidgenössische Volkszählung 2000)

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wurde 1995 gegründet. Sie ist die Nachfolgeorganisation der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE).

Die OSZE hat aktuell 56 Mitgliedsländer. Ausser allen Staaten Europas gehören ihr die Nachfolgestaaten der Sowjetunion an, sowie die USA und Kanada.

Sie ist damit die grösste kontinentale Organisation, die sich mit Friedensförderung, Konfliktprävention und Sicherheit beschäftigt.

Die OSZE setzt sich darüber hinaus ein für die Menschenrechte, für stabile demokratische Strukturen, für wirtschaftliche und soziale Entwicklung und für eine nachhaltige Nutzung der Ressourcen.

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