OSZE-Botschafter in der Schweiz nicht willkommen
Ömür Orhun, OSZE-Gesandter für die Bekämpfung von Diskriminierung von Muslimen, will der Schweiz einen Besuch abstatten. Dem Schweizer Aussenministerium ist er aber erst nach den Wahlen genehm.
Der Grund: Das Departement von Micheline Calmy-Rey befürchtet mögliche politischen Kontroversen, welche in den Wahlen vom Oktober eine Rolle spielen könnten.
Bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist Ömür Orhun verantwortlich für die Bekämpfung von Diskriminierung von Muslimen.
In dieser Mission wollte der Türke die Schweiz besuchen. Das Schweizer Aussenministerium (EDA) hat ihm nun aber einen Korb erteilt – vorerst. «Die Schweizer Regierung hat mir geantwortet, mein Besuch könne nach den Wahlen stattfinden», sagte Orhun der SonntagsZeitung (neueste Ausgabe).
Das EDA wollte sich zur Angelegenheit gegenüber der Zeitung nicht äussern. «Wir haben Vorabklärungen getroffen und verschiedene Stellen konsultiert», sagte Sprecherin Carine Carey. Man sei der Auffassung, dass ein solcher Besuch am geeignetsten Ende Jahr stattfinde.
Kein Verständnis
Die Absage stösst bei Politikern, die von der SonntagsZeitung befragt wurden, auf Unverständnis. «Ich sehe keinen Grund, warum man ihn nicht einladen könnte», sagte die freisinnige Nationalrätin Christa Markwalder.
Für ihren Kollegen in der Aussenpolitischen Kommission, den sozialdemokratischen Grenchner Stadtpräsidenten Boris Banga, ist die Absage ein absolutes Schwächezeichen. «Die Schweiz hat nichts zu verstecken», wird er zitiert.
Längerfristig schlecht
Georg Kreis, Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR), erklärte gegenüber swissinfo, dass das EDA mit der Verschiebung kurzfristig einen kleinen Schoneffekt erreichen mag. «Aber längerfristig schneidet man sich damit ins eigene Fleisch», so der Basler Historiker.
Die EKR hatte in ihrem letztjährige Bericht über Muslime in der Schweiz festgehalten, dass diese in den letzten zehn Jahren zu neuen Sündenböcken geworden seien.
Stein des Anstosses
Orhun äusserte sich denn auch besorgt. «Ich bin erstaunt über jüngste Entwicklungen betreffend Muslime, im Besonderen über die Minarett-Initiative.» Für ihn gehörten Minarette zu Moscheen wie Kirchtürme zu Kirchen.
Im Mai hatten rechtskonservative und christlich-fundamentalistische Kreise in der Schweiz eine Minarett-Initiative lanciert. Damit bezwecken sie, in der Verfassung ein Verbot von Minaretten zu verankern. Minarette sind die Türme, welche Moscheen kennezeichnen.
Kein zweiter Fall Diène
Der Fall Orhun erinnert an die Kontroversen um den UNO-Berichterstatter über Rassismus, den Senegalesen Doudou Diène.
Dieser hatte der Schweiz nach einem fünftägigen Besuch vorgeworfen, Rassismus in der politischen Debatte zu instrumentalisieren. Dafür erntete der UNO-Gesandte heftige Kritik, vor allem von Rechts.
swissinfo
Seit drei Jahren ist Ömür Orhun im Teilzeit-Mandat Botschafter der OSZE für die Bekämpfung von Diskriminierung von Muslimen. Daneben arbeitet er im türkischen Aussenministerium.
Seit einem Jahr kritisiert Orhun Deutschland wegen dessen Tests im Einbürgerungsverfahren von Muslimen. In diesem Jahr kritisierte er Dänemark, dessen Regierung seinen Bericht aber zurückwies.
Der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sind 56 europäische Länder angeschlossen. Die OSZE ist die wichtigste Organisation für regionale Sicherheit.
Ihr Dispositiv sieht Massnahmen in den drei Bereichen menschliche, politisch-militärische sowie ökonimische-ökologische Sicherheit vor.
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