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Rikon zwischen Riten und Kochtopf

Das "Rad der Lehre" des Tibet-Instituts in Rikon. Keystone

Alles spricht vom Dalai Lama, der in Zürich zur Zeit Buddhisten und Sympathisanten unterweist. Die Schweiz gilt als Pionierland tibetischer Exil-Kultur.

In Rikon bei Winterthur gingen Religion und Kultur der damaligen Flüchtlinge mit dem Kochpfannen-Produzenten Kuhn Rikon eine fruchtbare Symbiose ein.

Rikon, die kleine Ortschaft im Tösstal, 30 Kilometer von Zürich entfernt, steht für einheimische Industrie gleichermassen wie für fernöstliche Kultur und Religion. Nicht nur der berühmte Schweizer Dampfkochtopf «Duromatic» wurde dort erfunden.

1968 weihte man in Rikon auch das erste tibetisch-buddhistische Kloster der westlichen Hemisphäre ein.

Frühe tibetische Emigration in den 60er-Jahren

Zurück geht diese west-östliche Zusammenarbeit der Kuhn Rikon AG und der tibetischen Emigration auf die frühen 60er-Jahre. Die Kuhn Rikon stellt seit 1926 Kochgeschirr und Zubehör her. Sie hat Tochtergesellschaften in England, Spanien und den USA. 1959 hatte der Dalai Lama aus Tibet nach Indien flüchten müssen, 1961 erreichten die ersten Tibeterflüchtlinge die Schweiz.

Das Familien-Unternehmen gehörte damals den Brüdern Henri und Jacques Kuhn. Jacques gilt als Erfinder des Duromatic-Dampfkochtopfs, von dem bisher rund 10 Millionen Stück verkauft worden sind. Die beiden sahen schnell, dass die Tibeter nicht einfach bloss Vertriebene waren, sondern einen kulturellen und religiösen Hintergrund mitbrachten, der einzigartig war.

Es begann mit fünf tibetischen Familien, die Anfang der 60er-Jahre in Rikon in Unternehmens-Wohnungen der Pfannenfabrik einzogen. Die Kinder kamen in die Gemeindeschule, die Arbeitsfähigen in die Pfannenfabrik. Betreut wurden sie über das Rote Kreuz vom Altphilologen Peter Lindegger und seiner Frau.

Heimatverlust, Betreuung und Integration

Die Familien Kuhn und Lindegger nahmen bald darauf an der Gründung des Klosters teil. Es ging um die geistige Betreuung der Flüchtlinge, um das Abfedern des Verlusts der Heimat, um die Erleichterung der Konfrontation mit der völlig fremden Schweizer Kultur und um Integration.

Die Kuhns und Peter Lindegger reisten dafür 1966 persönlich zum Dalai Lama ins indische Dharamsala. Sie erreichten, dass der Dalai Lama 1967 einen Abt und fünf Mönche nach Rikon entsandte.

Der Klostergründung stellte sich jedoch noch ein weiteres Hindernis in den Weg: In der Schweiz galt um diese Zeit noch ein 1874 in die Verfassung aufgenommenes Gründungsverbot für Klöster, das sich zur Zeit des Kulturkampfs gegen die Jesuiten gerichtet hatte.

Für Rikon kam deshalb 1967 die rechtlich bedingte Bezeichnung «Klösterliches Tibet-Institut» zum Tragen. Das Verfassungs-Verbot wurde erst 1972 aufgehoben.

Einziges Kloster ausserhalb Asiens

In Form einer Stiftung erhielt das «Tibet Institut» vom Familienunternehmen Kuhn Rikon Bauland und ein Kapital von 100’000 Franken.

Im Herbst 1968 konnte das erste westliche tibetische Kloster, das auch als buddhistisches Zentrum und akademisch-wissenschaftliches Institut gedacht war, von den beiden Hauptlehrern des 14. Dalai Lama eingeweiht werden. Yongdzin Ling Rinpoche und Yongdzin Trijang Rinpoche führten mehr als einmonatige Zeremonieren durch.

Rikons «Kloster zum Rad der Lehre» ist bis heute das einzige tibetische Kloster ausserhalb Asiens geblieben. Es wurde vom Dalai Lama bisher zehn Mal besucht. Auch die Beziehungen zum Unternehmen sind intensiv geblieben.

Jacques Kuhn ist heute noch im Institut aktiv. Bis 1999 leitete seine Frau Mathilde als Präsidentin die Stiftung, seither und noch bis vor kurzem wurde sie vom 86-Jährigen geleitet.

Über 2000 Tibeter und zahlreiche westliche Anhänger

Rund 30 Tibeter und Tibeterinnen arbeiten heute in der Kuhn Rikon AG. Anfang der 60er-Jahre waren etwa 1000 Tibeter in die Schweiz gekommen. Später kamen weitere. Heute umfasst die Gemeinschaft über 2000 Mitglieder.

Das Kloster in Rikon gilt nicht nur als ihr religiöses und kulturelles Zentrum, sondern auch als Anziehungspunkt der ständig wachsenden Zahl westlicher Anhänger des tibetischen Buddhismus.

Eine monastische Gemeinschaft von neun Mönchen kümmert sich um die religiös-spirituellen Bedürfnisse der Schweizer Tibeter. Gleichzeitig dient das Kloster als Ausbildungsstätte für Mönche und unterrichtet die nachwachsenden Generationen in Schrift, Kultur und Buddhismus.

Bibliothek mit rund 10’000 Titeln

Die Kloster-Bibliothek umfasst heute rund 10’000 Titel. 1993 musste sie erweitert werden. Westliche Wissenschaftler und tibetische Mönche können damit direkt zusammenarbeiten. Das Kloster nimmt auch allgemeine Informations-Arbeiten wahr, zum Beispiel die Reihe Opuscula Tibetana.

Im Jahr 1985 wurde als herausragender Höhepunkt vom Dalai Lama selber eine Kalachakra-Initiation vorgenommen. An ihr nahmen zirka 2000 tibetische und rund 4000 westliche Buddhisten teil.

swissinfo, Alexander Künzle

Anfang August wird das weltliche und religiöse Oberhaupt der Tibeter für 10 Tage in der Schweiz weilen.
Vom 5. bis zum 12. August wird der Dalai Lama im neuen Zürcher Hallenstadion Tausende im Mahayana-Buddhismus unterweisen.
Zentrum der Schweiz-Tibeter ist das Kloster in Rikon. Der Dalai Lama besuchte es schon zehn Mal.
Dieses «Tibet-Institut» wird von einer öffentlich anerkannten Stiftung getragen.
Stiftungszweck: Geistige und kulturelle Betreuung der Exiltibeter, Erhalten der Kultur und Religion für nachfolgende Generationen, Austausch von Kultur und Wissen zwischen Ost und West.

Die Schweiz war das erste europäische Land, das 1961, zwei Jahre nach der Flucht des Dalai Lama, begann, Tibetflüchtlinge aufzunehmen.

Die Brüder Kuhn und Peter Lindegger aus Rikon wandten sich in der Folge mit der Frage an den Dalai Lama, wie den Flüchtlingen der Heimatverlust wettzumachen sei und wie sie am besten zu integrieren wären.

Das Oberhaupt des tibetischen Buddhismus wies auf die wesentliche Rolle der Klöster für die Tibeter hin.

1967 erfolgte die Grundsteinlegung. Heute, im 37. Jahr des Bestehens, kümmern sich 9 Mönche in Rikon um die über 2000 Tibeterinnen und Tibeter in der Schweiz.

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