Adrian – der Selfmademan von Lushnja
Viele junge Albaner haben eine ungenügende oder gar keine Berufsausbildung, gehen schlechtbezahlten Gelegenheitsjobs nach oder sind arbeitslos. Nicht so Adrian. Der 26-jährige Installateur aus Lushnja hat sich sein eigenes Geschäft aufgebaut und ist glücklich.
Zusammen mit seinem Kollegen Elvin hantiert Adrian an dicken Rohren herum, kontrolliert Dichtungen und Filter für das Schwimmbad in Lushnja, das zu einem grossen, neuen Fitnesskomplex gehört. Es ist dunkel im Untergeschoss – und anfangs Sommersaison gibt es alle Hände voll zu tun.
Adrian, 26, und Elvin, 23, sind Mechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Vor ein paar Jahren haben sie die Berufsschule in Lushnja abgeschlossen, die von der Schweizer Entwicklungsorganisation Swisscontact unterstützt wird. Seither sind die beiden selbständig und arbeiten gelegentlich zusammen, je nach Auftragsvolumen. Elvin hat seine Werkzeuge immer im Auto mit dabei, einen Laden hat er nicht.
Anders sieht es bei Adrian aus. Er teilt sich mit einem Kollegen ein Geschäft und kann so bei der Miete sparen. Ein Freund hütet den Laden, verkauft Sanitärartikel und sonstiges Material und nimmt Aufträge entgegen. «Wenn Beratungen gefragt sind, dann ruft er mich an.»
Die albanische Regierung bemüht sich seit dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes vor 20 Jahren, das Berufsbildungssystem zu modernisieren und den europäischen Standards anzupassen.
Seit Mitte der 1990er-Jahre ist die Schweiz in der albanischen Berufsbildung aktiv. Mit dem Projekt AlbVet (Vocational Education Training) unterstützt sie Albanien bei der Reformierung des Berufsbildungswesens.
Die Berufsbildung soll stärker auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes abgestimmt werden. Neben theoretischem Wissen wird auch praxisorientiertes Lernen gefördert – gemäss dem dualen Bildungssystem in der Schweiz.
Öffentliche und private Akteure werden dazu motiviert, Praktika anzubieten und sich an Berufsbildungs-Projekten für Jugendliche zu beteiligen. Das ist nicht einfach, da der Privatsektor noch relativ schwach ist und die meisten Unternehmen Klein- und Kleinstbetriebe sind.
«Ich liebe meine Arbeit»
Adrian hat Glück gehabt und vor zwei Jahren diesen Grossauftrag an Land gezogen. Am Neubau des Fitnesscenters hat er alle Installationen ausgeführt und ist jetzt verantwortlich für die Wartung des Komplexes in Lushnja. «Ich muss jederzeit zur Verfügung stehen und allfällige Probleme beheben.» Repariert er beispielsweise eine Pumpe, so ist er im Stundenlohn bezahlt, bei Grossinstallationen monatlich. Wenn ihm die Arbeit über den Kopf wächst, dann zieht er Freunde hinzu, wie zum Beispiel Elvin.
Schon in der 8. Klasse, als er vierzehn Jahre alt war, habe er zu Hause immer alles repariert, sagt Adrian «Du musst Sanitärinstallateur werden, du bist für diesen Beruf prädestiniert», erklärte sein Vater. Und weil man in Albanien dem Vater nicht widerspricht, kam es auch so. Bereut hat Adrian diese Berufswahl nie. «Mir gefällt dieser Job, ich liebe die Arbeit.»
Bereits im zweiten Lehrjahr begann er mit seinem Lehrer Niko Nikolla von der Berufsschule Lushnja zu arbeiten. Dieser nahm ihn zu privaten Aufträgen mit. «Nach der Schule ging ich nicht nach Hause wie die anderen, sondern mit zur Arbeit. So lernte ich die praktische Seite des Berufs und viele Leute kennen.»
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«Adrian ist mittlerweile besser in seinem Beruf als ich», rühmt ihn sein Lehrer. «Als Schüler war er in der Theorie nicht bei den Klassenbesten, aber praktisch war er einer der Fähigsten, die ich je hatte. Er war sehr neugierig und wissensdurstig. Immer fragte er: ‹Was ist das? Was machst Du da? Warum läuft das so?› Er war ziemlich aufsässig.»
Seit 2005 ist Adrian selbständig und hat sich in den letzten Jahren ein Kundennetz aufbauen können. «Man kennt mich in der Stadt als seriösen und guten Installateur», sagt er überzeugt. Im Sommer nimmt ihn die Wartung des Fitnesscenters ziemlich in Anspruch, und auch sonst kann sich der junge Mann über Aufträge nicht beklagen. «Am Morgen verlasse ich das Haus mit leeren Taschen, und am Abend bin ich sehr zufrieden mit dem Verdienst, den ich nach Hause bringe», sagt er stolz. «Ich konnte bereits mein drittes Auto kaufen.»
Sein Geschäft läuft so gut, dass wenig Freizeit bleibt. «Es kann vorkommen, dass ich sieben Tage die Woche arbeite.» Ferien machte er im letzten Jahr gerade mal fünf Tage, zusammen mit Freunden an der Küste in der Nähe von Lushnja.
Noch immer arbeitet Adrian eng mit Niko Nikolla zusammen. Wenn er Grossprojekte hat, meldet er das seinem früheren Lehrer und Förderer, der ihm dann ein paar Lehrlinge besorgt, die sich so ihrerseits Praxis aneignen können. «Eine Win-Win-Situation.» Der junge Mann aus Lushnja ermutigt auch andere Betriebe, Praktikanten aufzunehmen. Gerne würde er an seiner früheren Schule auch unterrichten. «Aber das geht nicht, das bürokratische Prozedere ist zu kompliziert.»
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Expandieren – beruflich und privat
Im Ausland war Adrian noch nie. «Italien würde ich gerne mal besuchen, oder für eine gewisse Zeit in Deutschland oder der Schweiz arbeiten. Da würde ich nicht nein sagen.» Seine berufliche Zukunft sieht er aber in Lushnja, da ist er heimisch, da kennt man ihn. Wenn es weiter gut läuft, möchte er sein Geschäft expandieren und Kollegen einstellen, die er heute bei Bedarf als Hilfskräfte einsetzt. «Ich wünsche mir ein qualifiziertes Team.»
Auch eine Familie möchte der Single-Mann einmal haben. «Mit 30 will ich heiraten und drei Kinder haben, zwei Söhne und eine Tochter.» Zur Zeit lebt er noch bei seinen Eltern. Als jüngster von drei Brüdern unterstützt er sie – wie das die albanische Tradition verlangt.
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