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«Alpen-Club hat Schweizer Identität mitgeprägt»

Es ist auch dem SAC zu verdanken, dass die Schweizer Bevölkerung ihre Berge entdeckt hat. AFP

Der Schweizer Alpen-Club (SAC) ist mit seinen 150 Jahren einer der ältesten und erfolgreichsten Sportverbände der Schweiz. Sein Einfluss reiche aber weit über den Sport hinaus, sagt Daniel Anker, Autor zahlreicher Bergbücher, im Interview.

«Mehr als Bergsport»: Das vom Schweizer Alpen-Club für sein 150-jähriges Bestehen gewählte Motto ist sicherlich passend. Der 15 Jahre nach der Geburt des modernen Bundesstaats gegründete Club habe eine wichtige Rolle bei der Bildung einer nationalen Identität gespielt, sagt der Alpinjournalist Daniel Anker.

Anker zeichnet verantwortlich für das 280 Seiten starke Buch «Helvetia Club», das kürzlich zum Anlass des 150-jährigen Jubiläums des Schweizer Alpen-Clubs herausgegeben wurde.

swissinfo.ch: Das Buch für die 150-Jahr-Feiern des SAC heisst «Helvetia Club». Ist der Schweizer Alpen-Club der Schweizer Club par excellence?

Daniel Anker: Er ist auf jeden Fall ein Club, der viel für die Schweiz getan und das Land bekannt gemacht hat. Es reicht, an die topografischen Landeskarten oder an die Raumplanung in den Berggebieten zu denken.

Dann gibt es eine ganze Serie von Details, die zeigen, wie sich dieser Club in den Genen der Schweiz festgesetzt hat. Kurz nach seiner Gründung 1863 gehörten bereits vier Mitglieder der Landesregierung zum SAC. In jüngster Zeit, zwischen 1993 und 1995, waren erneut vier Bundesräte dabei. Heute ist es Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann.

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swissinfo.ch: Der SAC entstand 15 Jahre nach der Gründung des Bundesstaats. Inwiefern hatte dieser Club Anteil an der Geschichte der modernen Schweiz?

D.A.: Einerseits hat er uns ermöglicht, vollen Besitz des Territoriums zu nehmen. Zu jener Zeit gab es die Dufour-Karte. Es war jedoch eine Karte mit zu kleinem Massstab, nämlich 1:100’000. Zudem war sie in den Bergen nicht genau genug.

Der erste SAC-Präsident Rudolf Theodor Simler hat grossen Wert darauf gelegt, dass diese Karten besser lesbar und genauer sind. Es war also nicht nur ein Club von Menschen, die lediglich in die Berge gehen wollten.

Andererseits hat der Club dazu beigetragen, eine Schweizer Identität zu schaffen, beispielsweise mit den vielerorts angebrachten Panorama-Tafeln oder mit Beobachtungs-Türmen. Das war eine Art, den Menschen beizubringen, wie die Berge heissen. Dazu kam der Bau der SAC-Hütten, die den Zugang zu den Bergen vereinfachten.

ZVG

swissinfo.ch: War der Club auch eine Art patriotische Antwort auf die britische Vorherrschaft in den Alpen?

D.A.: Ja, die Gründung des SAC hat die «Konkurrenz» angekurbelt. Simler störte sich daran, dass die Schweizer englische Publikationen zur Hand nehmen mussten, um an Informationen über ihre Berge zu kommen. Daher hat er – zusammen mit 34 weiteren Männern – nicht nur einen Club gegründet, sondern auch das «Jahrbuch des Schweizer Alpenclub» herausgegeben, durch das die Alpen besser bekanntgemacht werden sollten.

swissinfo.ch: Der SAC wurde auch mit einem wissenschaftlichen Ziel gegründet. Was ist sein Beitrag neben der Entwicklung von topographischen Karten?

D.A.: Der Schutz der Bergwelt und der Schönheit der Landschaften generell. Bereits 1872 hat sich beispielsweise die Sektion Pilatus aus Luzern eingesetzt für die Erhaltung eines grossen erratischen Blocks, des Honigsteins in der Nähe von Roggliswil. Jahre später hat sich der SAC gegen eine Bahn auf das Matterhorn gewehrt.

swissinfo.ch: Oft haben aber die verschiedenen Sektionen des SAC keine einheitliche Position, wenn es um den Schutz der Landschaft geht. Wie erklären Sie sich das?

D.A.: Der SAC ist ganz einfach ein Spiegel der Gesellschaft. Ein Walliser ist dem Tourismus gegenüber positiver eingestellt. Ein Basler dagegen setzt sich vielleicht eher für einen radikaleren Schutz der Bergwelt ein.

Diese Differenzen finden sich nicht nur innerhalb des SAC, sondern sind regelmässig auch bei politischen Entscheiden zu beobachten. Denken wir nur an die «Volksinitiative gegen den uferlosen Bau von Zweitwohnungen», die in den Städten zu grossen Teilen angenommen und in den alpinen Tourismus-Regionen abgelehnt wurde.

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swissinfo.ch: In welchen anderen Bereichen ist der SAC ebenfalls ein Spiegel der schweizerischen Gesellschaft?

D.A.: In seinem Umgang mit den Frauen! In der Schweiz haben die Frauen das Stimmrecht 1971 erhalten. Doch die Frauen konnten erst ab 1980 Mitglieder des SAC werden, als er sich mit dem Schweizer Frauenalpenclub (gegründet 1918, die Red.) zusammenschloss.

swissinfo.ch: Mit seinen rund 140’000 Mitgliedern ist der SAC der fünftgrösste Sportverband der Schweiz. Wie erklären Sie sich diesen grossen Erfolg?

D.A.: Wer Clubmitglied ist, zahlt weniger in den Hütten, erhält eine schöne Zeitschrift und so weiter. Es gibt aber auch einen anderen Aspekt: Die Bergwelt erlebt einen regelrechten Boom. Symptomatisch ist dafür zum Beispiel, dass man heute oft auch in den Städten Leuten in Bergschuhen oder Wanderkleidung begegnet.

Der SAC profitiert von diesem Boom und schürt ihn gleichzeitig auch. Für lediglich 120 Franken pro Jahr erhält man eine Menge. So bietet beispielsweise allein die Sektion Bern jedes Wochenende etwa ein Dutzend Touren für jeden Geschmack an.

Berge sind aber nicht nur in der Schweiz ein Erfolg. Der Österreichische Alpenverein hat noch eine höhere Anzahl Mitglieder, und der Deutsche Alpenverein ist mit einer Million Mitgliedern der weltgrösste Bergsport-Verband.

Der SAC besteht aus 111 Sektionen. Diese bewirtschaften 152 Hütten mit insgesamt 9200 Betten. 2012 verzeichneten sie 310’000 Übernachtungen.

Neben den Berghütten organisiert der SAC Kurse, Exkursionen und Skitouren. Der Club setzt sich auch für den Spitzensport ein: Das Sportklettern wird seit 1994 gefördert, Skitouren-Wettkämpfe seit 1997.

Mit seinen rund 140’000 Mitgliedern ist er der fünftgrösste Sportverband der Schweiz.

swissinfo.ch: Wie werden Ihrer Meinung nach die Schweizer Berge in 20, 30 Jahren aussehen?

D.A.: Sie werden immer noch da sein, nur etwas grauer, weil viele Gletscher geschmolzen sein werden. Einige Bergrouten werden wegen der Klimaerwärmung etwas schwieriger zu begehen sein.

Andererseits wird man sich nicht mehr anseilen müssen, wenn es keine Gletscher mehr gibt. Man kann vielleicht in neue Höhen vordringen, die bis dahin wenig bekannt sind.

swissinfo.ch: Sie befürchten aber keine Invasion?

D.A.: Was die hohen Berge angeht: Nein. Eiger, Mönch oder Jungfrau ist es egal, ob es mehr oder weniger Leute hat. Und auch in der Schweiz findet man immer wieder Gegenden, in denen man allein ist. Sonst kann man immer noch nach Italien oder in weitere Regionen ausweichen, wo es viele andere Berge gibt, die wir nicht kennen.

Der Winter, mit dem Variantenskifahren und anderen ähnlichen Aktivitäten, ist eine andere Sache. Da ist der Druck auf die Natur, besonders auf die Tierwelt, viel stärker.

Das Internationale Olympische Komitee IOC hat kürzlich das Sportklettern von der Shortlist möglicher neuer Sportarten für die Olympischen Sommerspiele 2020 gestrichen.

Der internationale Dachverband für Sportklettern hatte ein entsprechendes Gesuch eingereicht.

Um den einzigen offenen Platz an den Spielen 2020 kämpfen nun noch Softball, Ringen und Squash.

Momentan ist noch offen, ob die Kandidatur für die Olympischen Sommerspiele 2024 erneut eingereicht werden soll.

(Übertragen aus dem Italienischen: Christian Raaflaub)

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