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FIFA Präsident wird daheim immer noch gefeiert

Sepp Blatter mit Fans im Oberwallis. Keystone

International steht er unter Druck. In seiner Heimat aber, im alpinen Oberwallis, kann FIFA-Präsident Sepp Blatter immer noch auf Unterstützung zählen. Doch hat der Skandal um den internationalen Fussball die Ansichten der Einheimischen gegenüber dem Fussball-Patriarchen verändert?

«Sepp ist ein echter Trumpf für das Wallis und das Oberwallis», sagt Peter Schmid, einer der einheimischen Zuschauer am jährlichen «Sepp Blatter Turnier» im Bergdorf Ulrichen. «Er ist ein echter Walliser, der nie Angst hat, auf irgendjemand zuzugehen, und der mit allen spricht. Er ist ein sehr bodenständiger Mann.»

Das Turnier fand am 22. August in Ulrichen statt. Wie in den letzten 18 Jahren kam Blatter ins Oberwalliser Bergdorf, woher seine Vorfahren stammen, um das «Sepp Blatter Turnier» zu veranstalten. Mitglieder lokaler Fussballvereine wie auch pensionierte internationale Fussballstars spielen vor einem hauptsächlich einheimischen Publikum und bringen damit etwas Schwung in das sonst eher beschauliche Ulrichen.

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«Herr Joseph Blatter – Seppi für uns – ist ein echter Gentleman», sagt ein Mann aus dem Publikum, der nicht namentlich erwähnt werden will. «Er hat gut gearbeitet und bei der FIFA nie etwas Unrechtes getan.» Andere wollen keinen Kommentar abgeben oder laufen gleich in eine andere Richtung, wenn sie das Mikrofon sehen.

«Es ist etwas einfach, ihm auf den Kopf zu schlagen», sagt Yvan Quentin, ein lokaler Fussballer, der es bis in die Nationalmannschaft gebracht hatte. «Blatter ist ein echter Walliser, und jemand, der sehr viel für den Sport getan hat. Wir sollten gewisse Dinge zur Seite legen und versuchen, den Tag und das Fest zu geniessen», sagt der eingeladene Gast.

Blatters Grossvater war von Ulrichen nach Visp gezogen. swissinfo.ch

Zusammenkommen

Einige bemerken aber, dass die Atmosphäre dieses Jahr gedämpfter ist als in vergangenen Jahren. Dazu gehört auch Christian Constantin, Präsident des Unterwalliser Super-League-Vereins Sion. «Meinen Sie nicht auch, dass sich dieses Jahr weniger Leute mit ihm zeigen wollen?», fragt er.

Philippe Blatter, Präsident des Organisationskomitees in Ulrichen und ein entfernter Verwandter von Joseph, bemerkt, dass dieses Jahr viel mehr Journalisten das Turnier beobachten.

Auffallend ist die Abwesenheit der Fussball-Legenden Franz Beckenbauer und Michel Platini, die sich in der Vergangenheit regelmässig in Ulrichen zeigten. Beckenbauer sagte die Einladung wegen seines kürzlich verstorbenen Sohnes ab. Platini, der letzten Monat seine Kandidatur für die Präsidentschaft des Weltfussballverbands angekündigt hatte, war laut Joseph Blatter eingeladen, entschied sich aber gegen eine Teilnahme.

«Meine Wurzeln»

In den vergangenen Jahren sprach der Präsident des Weltfussballverbands FIFA, der 2016 zurücktreten will, immer wieder in der Öffentlichkeit über seine Walliser Herkunft. Ein Kanton, den Touristen wohl eher wegen seiner Skistationen wie Verbier und Zermatt kennen. Ulrichen liegt nahe der Quelle der Rhone und ist umgeben von einigen der höchsten Gipfel der Schweiz.

Blatters Karriere

Geboren im Industriestädtchen Visp (heute rund 7300 Einwohner), bekannt für die grossen Chemiewerke der Lonza AG, wo sein Vater angestellt war.

Die Sekundarschule absolvierte Blatter im französischsprachigen Unterwallis, die Universität besuchte er in Lausanne.

Trotz seiner frühen Begeisterung für den Fussballsport begann er eine Karriere in der Geschäftswelt, nachdem ihm sein Vater angeblich erklärt hatte, im Fussball sei kein Geld zu verdienen. Er gab dafür seine Ambitionen auf, einem Schweizer Team der höchsten Liga beizutreten.

Der junge Mann begann seinen Aufstieg in verschiedenen Organisationen, zuerst beim Walliser Verkehrsverband (Tourismusbehörde), dann bei Schweizer und internationalen Sportverbänden.

Blatter war zuerst Zentralsekretär des Schweizerischen Eishockeyverbandes, darauf verantwortlich für das Sport-Sponsoring beim Schweizer Uhrenhersteller Longines, bevor er 1975 seine Karriere beim Weltfussballverband FIFA begann.

«Hier habe ich meine Wurzeln. Das bedeutet, dass ich von hier meine Energie herhabe. Sie sehen ja, wie ich hier empfangen werde», sagt Blatter in unser Mikrofon, während er sich am Spielfeldrand und bei Picknicktischen unter seine Anhänger mischt.

Auf dem Flyer für den Event liess sich Blatter mit einer Strophe der Walliser-Hymne zitieren: «Nennt mir das Land, nach dem zurück es stets den Sohn der Berge zieht, wenn er mit tränumflortem Blick im Geist die ferne Heimat sieht.»

Ein Globetrotter

Während Blatter «mit seiner Herkunft vereint» bleibe, habe er wie viele vor ihm – so etwa jene Walliser, die im 19. Jahrhundert nach Argentinien ausgewandert seien – seine «periphere» Region der Schweiz verlassen, um eine bessere Zukunft zu suchen, erklärt Constantin.

In Visp, dem Industriestädtchen weiter unten im Rhonetal, in dem Blatter aufgewachsen ist, erzählen die Leute im beliebten Café Napoleon – das Blatters Schwiegersohn gehört –, dass ihr Kumpel Sepp öfters hier vorbeischaue.

Bis vor noch nicht allzu langer Zeit reiste er überallhin, traf sich mit Staatschefs und weibelte für seinen Fussballverband. Im Juni 2015, nachdem er den Final der Frauen-Fussballweltmeisterschaft in Kanada nicht besucht hatte, erklärte er, nicht mehr zu reisen, so lange die Krise in der FIFA anhalte (eine Ausnahme allerdings machte er für die Auslosung der Qualifikationsgruppen für die WM 2018 in Russland).

In den Gassen von Visp erklären Passanten, Blatter habe sich hier ein grosses Anwesen gekauft und plane, dieses zu renovieren. Im gleichen Städtchen haben Einwohner vor ein paar Jahren Unterschriften gesammelt, um die Primarschule nach Blatter zu benennen. Das Anliegen kam allerdings nicht durch.

Charles Louis Joris, ein Geologe und Bekannter Blatters, sieht ihn eher als Weltbürger denn als Walliser. Er sei ein «Globetrotter», was in dieser Region eher selten sei.

Nomade

In Ulrichen hingegen betont Blatter gegenüber swissinfo.ch, er sei wie die Rhone – die durch das Tal nach Genf fliesst und von dort durch Frankreich ins Mittelmeer – dazu bestimmt, weiterzugehen, zu ferneren Horizonten.

«Wenn ich in Pension gehe, werde ich einen Fuss hier im Wallis haben, besonders in der Nähe von Visp, wo meine Tochter lebt», sagt er. «Doch den anderen Fuss muss ich anderswo haben. Ich bin jetzt ein Nomade. Ich muss reisen, ich kann nicht damit aufhören. Und ich hoffe, dass ich noch lange Zeit da sein werde.»

Wird das «Sepp Blatter Turnier» in Ulrichen, da nun klar ist, dass der Namensgeber im Februar 2016 zurücktreten wird, dieses Jahr zum letzten Mal durchgeführt?

«Es ist zur Legende geworden, man kann nicht aufhören damit», sagt Blatter. «Das müssen die Leute hier entscheiden; ich bin aber sicher, dass sie den Namen nicht herausnehmen werden, denn es ist ein hiesiger Name. Es ist ein guter Name, immer noch. Einige Leute sagen, es sei kein guter Name. Aber das ist falsch.»

Mehr Unterstützung für Blatter?

François Carrard, Leiter der FIFA-Reformkommission, sagte gegenüber der Zeitung «Le Matin Dimanche», die Kritik an Sepp Blatter sei «unfair», und es gebe keine Beweise, dass der FIFA-Präsident etwas mit Korruption zu tun habe.

«Dieser Mann wurde unfair behandelt. Und wenn wir schon über Korruption sprechen… Ich habe das ganze US-Verfahren auf meinem Tisch. In der Anklageschrift findet sich nicht ein Wort gegen ihn. Nichts. Mir ist heute von einem Hinweis auf Korruption gegen Blatter nichts bekannt», sagte der ehemalige Generaldirektor des Internationalen Olympischen Komitees im Interview.

Zudem berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, dass die Kooperation zwischen US- und Schweizer Behörden betreffend Korruption in der FIFA abgenommen habe. Laut Insidern könnte die bestehende Gesetzgebung der Schweiz die Strafverfolgung in diesen Fällen einschränken.

Gemäss diesen Quellen hat die frühere Zusammenarbeit zwischen den Behörden der beiden Länder, die im Mai 2015 in Zürich zur Verhaftung von 7 internationalen Fussballfunktionären geführt hatte, auf höherer Ebene nachgelassen.

So hätten die USA die Schweiz nur einmal offiziell um Rechtshilfe ersucht. Dabei verfügten die Eidgenossen über umfangreiche Unterlagen, die bei der Fifa beschlagnahmt worden seien – darunter auch Informationen aus dem Büro des scheidenden Verbandspräsidenten Joseph Blatter. Die Schweizer hätten ihrerseits kein offizielles Rechtshilfeersuchen geschickt.

(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

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