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Fussballtrainer Raoul Savoy: «Bin der Prophet, der im eigenen Land nichts gilt»

Mann mit Bart auf einem Balkon,mit Sicht auf das Nebelmeer
Gegensatz zu seiner aktuellen Fussball-Heimat Zentralafrikanische Republik: In St. Croix, auf über 1000 Meter im Waadtländer Jura gelegen, haben Raoul Savoy und seine Familie jetzt im Herbst oft Aussicht auf das Nebelmeer unter ihnen. RTS

Neben Murat Yakin und Thomas Häberli (Estland) ist Raoul Savoy der einzige Schweizer, der Trainer eines Fussball-Nationalteams ist. Er träumt von der WM und einer Rückkehr in die Schweiz. Auch wenn es ihn schmerzt, dass der hiesige Verband ihn nicht ernst genommen hat.

In der Schweiz ist Raoul Savoy kein wirklich bekannter Name. Seine Aktiv-Karriere als Amateur-Goalie musste der 50-Jährige im Alter von 28 Jahren wegen Schulterproblemen beenden. Er war in der Tschagajew-Ära 2011 Delegierter von Neuchâtel Xamax.

2013 trainierte der Waadtländer das U21-Team des FC Sion in der Promotion League, der dritthöchsten Liga der Schweiz. Damit hat es sich dann aber auch schon.

WM-Traum mit einem der ärmsten Länder der Welt

Viel aufregender ist Savoys Wirken in Afrika: Seine Stationen führen von Marokko über Algerien bis nach Gambia, Äthiopien, Kamerun und Eswatini (ehemals Swasiland). Er hat vom Norden bis in den Süden Afrikas Teams trainiert.

>> SRF Sport hat einen Beitrag mit dem unterschätzten Schweizer Fussballtrainer gemacht, den Sie hier Externer Linksehen können.

Aktuell ist er Coach der Republik Zentralafrika. Der Afrika-Cup im kommenden Januar wurde um zwei Punkte verpasst. In der WM-Qualifikation holte sein Team am Montag vor einer Woche beim überraschenden 1:1 in Mali im zweiten Spiel den ersten Punkt.

Die Endrunde zu erreichen, ist das grosse Ziel von Savoy. «Ich will das dem Land ein erstes Mal ermöglichen, um die Menschen hier noch stolzer zu machen. Und natürlich will man als Trainer einmal an einer WM teilnehmen», sagt er.

Trainer von Stars wie Kondogbia

Dass dies vielleicht ein unerfüllter Traum bleiben wird, dürfte auch Savoy bewusst sein. Denn die Republik Zentralafrika ist eines der ärmsten Länder der Welt. Auch für Fussball fehlt immer wieder das Geld.

Ein weiteres Problem: Viele Spieler sind in Europa aufgewachsen und verdienen ihr Geld dort. Nicht alle sind immer bereit, die Reise-Strapazen auf sich zu nehmen und ihre Karriere für ihr Heimatland zu riskieren.

Bestes Beispiel ist Geoffrey Kondogbia. Der ehemalige Spieler von Inter Mailand und Atletico Madrid (aktuell ist er in Marseille engagiert) hat im Alter von 30 Jahren erst ein Dutzend Länderspiele absolviert, einige davon als Captain.

Trainer, Scout und Reiseplaner

Savoy ist in seiner aktuellen Funktion aber viel mehr als nur Trainer. Das Scouting gehört genauso zu seinen Aufgaben wie die Reiseplanung. «Man muss sehr viel mehr regeln, sich um alles kümmern. Die Reisen sind sehr lang. Manchmal ist es schwierig, Unterkünfte für das Team zu finden», erklärt er.

Wenigstens muss er sich nicht um seine persönliche Sicherheit fürchten. «Ich habe einen wichtigen Posten, bin da bekannt. Die Behörden passen auf», sagt er.

Sein Engagement in Zentralafrika hat wenig mit der Idylle in seiner Heimat in Sainte-Croix im Kanton Waadt (auf 1086 m ü. M. gelegen) gemeinsam. Savoy wurde 2014 erstmals Nationaltrainer. Doch im Zuge des Bürgerkrieges fiel die Mannschaft auseinander. In Gambia, der nächsten Station, fehlte irgendwann das Geld. 2015 war Savoy plötzlich arbeitslos.

Hiesiger Verband hielt ihn für einen Touristen

Er erwarb das Trainer-Diplom der Stufe Uefa-Pro-Lizenz – nicht in der Schweiz, sondern in Schottland. «Als ich mich in der Schweiz für die Ausbildung beworben habe, dachte der Verband, ich sei ein Tourist, und nahm mich nicht ernst», erzählte Savoy vor zwei Jahren gegenüber der NZZ.

Verständlich, dass sein Verhältnis zu seiner Heimat etwas zwiespältig ist. «Man hat mich in der Schweiz nie angefragt. In Afrika schätzt man meine 20-jährige Erfahrung und meine Qualitäten», sagt Savoy.

Doch aufgegeben hat er noch nicht ganz. «Die Schweiz ist meine Heimat und ich fühle mich hier ein bisschen wie der Prophet, der im eigenen Land nichts gilt. Aber es ist schon so: Ich würde gerne einmal in der Schweiz Trainer sein.»

Die nächsten Monate verbringt er jedenfalls in der Schweiz – auf den Höhen des Waadtländer Juras, wo auch seine Frau und seine beiden Töchter leben.

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