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Leihmütter-Geschäft weckt Ängste

Leihmutter-Dienstleistungen in Entwicklungsländern zielen auf eine internationale Kundschaft. SRF

Ein Baby-Kauf ist heute technisch möglich. Gewisse Entwicklungsländer offerieren ausländischen Interessierten Leihmutterschafts-Pakete, alles inbegriffen.

Für Konsternation sorgte kürzlich ein Bericht in der Rundschau des Schweizer Fernsehens, wonach eine 52-jährige Bernerin ein Kind einer Leihmutter aus Georgien in die Schweiz gebracht hatte.

Die Vormundschaftsbehörde ihrer Wohngemeinde hat der Bernerin das Kind wieder weggenommen. Als Grund führte die Behörde an, der Sohn der 52-Jährigen, der das Kind mitbetreuen sollte, sei ein zweifach verurteilter Sexualstraftäter.

Wie in den meisten anderen Ländern Europas ist die Leihmutterschaft auch in der Schweiz verboten. Doch in Ländern wie Georgien oder Indien gibt es Leihmutterschafts-Kliniken. Dort ist diese Praxis legal.

Schweizer Behörden betonen denn auch, es sei schwierig herauszufinden, wie viele Schweizer das nationale Verbot umgehen und die Hilfe solcher ausländischen Kliniken in Anspruch nehmen, um zu einem Kind zu kommen.

In einem spezifischen Fall erhielt die Schweizer Botschaft in Georgien drei schriftliche Anfragen von Leuten, die sich dafür interessierten.

Die georgische Leihmutterschafts-Agentur, deren Dienstleistungen die Bernerin in Anspruch nahm, offeriert Pakete ab 15’000 bis 30’000 Euro. Der Tarif hängt auch davon ab, wieviele Versuche es für die Leihmutter braucht, bis sie schwanger wird. Sie erhält für die Leih-Dienstleistung bis zu 9000 Euro.    

Die internationale Kundschaft kann in Georgien Leihmütter engagieren, Ei- und Sperma-Spendende nötigenfalls dazu. Es genügt ein Passwort, das mit einem SMS zugesandt wird. Die kinderlosen Interessierten erhalten Zugang zu einer Liste von möglichen Leihmüttern, mit Foto, detaillierten Alters- und Rasseangaben.

Rechte der Leihmütter und der Kinder

Leihmutterschafts-Gegner führen an, dass Frauen, die sich auf diese Weise verdingen, in armen- oder in Entwicklungsländern oft keine andere Möglichkeiten fänden, sich ihr Leben zu finanzieren. Fast immer haben Leihmütter bereits eigene Kinder und brauchen Geld für ihre Familien.

Die georgische Rechtssprechung sieht für die Leihmutter keine expliziten Rechte über das Kind vor, auch dann nicht, wenn sie auch die Ei-Geberin ist. Die dortigen Behörden stellen die Geburtsurkunde auf den Namen der Auftrags-Eltern aus. Andere Länder kennen die Möglichkeit, dass die Leihmutter mit einer Adoption des Kindes einverstanden sein muss. Dies schliesst mit ein, dass sie die biologische Mutter ist, auch wenn dies nicht unbedingt der Fall ist. 

Marlène Hofstetter, Leiterin der Adoptions-Sektion von Terre des hommes, sagt gegenüber swissinfo.ch, dass unfruchtbare Elternpaare, die über internationale Agenturen Leihmütter verpflichten, solche schlecht gestellten Frauen zu ihrem eigenen Profit «ausnützen».

«Es ist bekannt, dass sich die Beziehungen zwischen Mutter und Kind während der Schwangerschaft entwickeln», sagt Hofstetter. «Für eine Frau, die ein Kind neun Monate lang austragen muss, ohne sich mental an dieses binden zu dürfen, kommt dies einem Missbrauch gleich.»

Sie würden zwar bezahlt, befänden sich aber gleichwohl in einer prekären Finanzsituation. Ausserdem bleibe die Frage, ob das Kind ein Recht darauf habe, seine biologischen Eltern zu kennen. Paare, die ein Kind bei einer Leihmutter bestellen, haben nämlich die Möglichkeit, ihre eigene Identität der Leihmutter nicht preiszugeben.

«Wie mit diesen Situation nachher umgegangen wird, ist uns unbekannt», sagt Hofstetter, «werden die Eltern ihren Kindern eines Tages die Wahrheit erzählen?»

Welche Nationalität?

Die Bernerin erreichte zwar, dass «ihr» Kind einen provisorischen Pass erhielt. Doch bleibt die Frage im Raum, wer ihre biologischen Eltern sind und welche Nationalität sie haben, sagt Cora Graf-Geiser, stv. Direktorin des Eidgenössischen Amts für das Zivilstandswesens.

Sie hält auch fest, dass die kantonalen Behörden keine ausländischen Geburtsurkunden akzeptieren, wenn ein Verdacht bestehe, dass sie entweder gefälscht seien oder unrichtige Angaben enthielten. 

«Paare die im Ausland mit Leihmüttern Kinder machen lassen, können nicht sicher sein, mit diesen Kindern in die Schweiz zurückreisen zu dürfen, nur weil sie eine Geburtsurkunde besitzen», sagt Graf-Gaiser.

Die Schweiz sei sicher nicht das einzige Land, das für solche Fälle strenge Massnahmen vorsieht. Die Gesetzgebung sei ähnlich wie jene in Nachbarländern wie Deutschland, das es den eigenen Staatsbürgern klar und deutlich verbietet,  zum Beispiel in Indien ausgetragene Zwillinge zurück ins Land zu bringen.

Tamara Khachapuridze, Direktorin des Leimütter- und Donationszentrums in Georgien, hält dagegen fest, dass Länder, die die Einreise von Kindern verbieten, die von Leihmüttern im Ausland geboren worden sind, die Rechte sowohl der Eltern als auch der Kinder missachten.

«Es gab zahlreiche Fälle, in denen die Eltern von ihren Babies getrennt worden sind – eine Schande für die Konsulate, die dies veranlassen», so Khachapuridze. 

Begleitete Fortpflanzung

Gabriel de Candolle, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin, sagt gegenüber swissinfo.ch, dass das schweizerische Recht zur begleiteten Reproduktion «zu den restriktivsten der Welt gehört.» Es sollte, so de Candolle, liberalisiert werden, um mit der Entwicklung in der Medizin Schritt zu halten.

Ein grosser Schritt nach vorne wäre es, Frauen zu erlauben, Eier für die In-Vitro-Fertilisation (IVF) zu spenden. Zur Zeit dürfen nur Männer Sperma für IVF spenden.   

De Candolle sagt, dass bei der gegenwärtigen Gesetzeslage in der Schweiz sterile Paare ihr Glück «sicher» bei internationalen Leihmutter-Agenturen suchen würden.  

«Instinktiv bin ich gegen Leihmutterschaft», so de Candolle. «Denn Ärzte müssen Krankheiten behandeln. Eine 32- bis 35-jährige Frau, die steril geworden ist, weil die Menopause zu früh eintrat oder weil sie Chemotherapien gegen Krebs erhielt, hat einen legitimen Anspruch darauf, dass ihr die Medizin hilft.»

«Eine 45-Jährige hingegen, die nicht mehr schwanger werden kann, weil ihre Eierstöcke zu alt sind , obschon sie sonst gesund ist, muss einfach einsehen, dass ihre Zeit der Reproduktion vorüber ist.»

Leihmütter («Tragemütter») sind Frauen, die für die Dauer einer Schwangerschaft ihre Gebärmutter «verleihen». Damit bringen sie an Stelle anderer Frauen Kinder zur Welt.

Die Leihmutter kann mit dem Sperma des Mannes des den Auftrag gebenden Paares inseminiert werden.

Oder das Embryo der bestellenden Eltern kann in die Gebärmutter der Leihmutter implantiert werden.

In der Schweiz sind alle Formen von Leihmutterschaft verfassungsmässig verboten.

Im Ausland abgeschlossene Leihmutterschafts-Verträge sind in der Schweiz nicht anerkannt.

Schweizer Behörden dürfen entsprechende ausländische Dokumente nicht anerkennen, die gegen Schweizer Gesetze verstossen.

So sagt der Schweizer Botschafter in Georgien, «dies ist klar der Fall für georgische Geburts-Urkunden für Kinder, die von Leihmüttern im Auftrag von Schweizer Paaren ausgetragen worden sind».

Schweizer Botschaften dürfen deshalb solchen Kindern keine Pässe und/oder Reisedokumente aushändigen.

(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)

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