Patrouillen gegen Nebenwirkungen im Ausgang
Jedes Wochenende strömen bis 80'000 Jugendliche in die Partystadt Zürich. Die Nebenwirkungen ihrer Feiern im öffentlichen Raum sind beträchtlich: Sachbeschädigungen, übermässiger Alkoholkonsum, Lärm oder Gewalt. Mit Patrouillen soll dies vermindert werden.
Es ist Freitagabend, 17 Uhr. Das Wochenende steht vor der Tür. Nach einer kurzen Sitzung im Büro treten Astrid, John und Markus die zweite Hälfte ihres Dienstes an.
Bis 22 Uhr werden sie in Parkanlagen, bei einer Tankstelle und im Hauptbahnhof zum Rechten schauen.
Die erste Station ist ein kleiner Park, der sich direkt neben einem Schulhaus befindet. Mit Taschenlampen ausgerüstet, schreitet die Patrouille durch den Park. «Es ist noch zu früh für die Jugendlichen, aber auch zu kalt, um jetzt draussen zu sein», sagt Astrid.
Anscheinend war es für einige Leute in der Vornacht nicht zu kalt, denn bei einer Bank entdeckt die Patrouille Spuren der letzten Nacht: leere Bierdosen, Abfall und Erbrochenes.
Die nächste Station ist eine Tankstelle. «Das ist ein beliebter Treffpunkt für die Jugendlichen, weil sie hier Alkohol kaufen können», sagt Astrid. Jetzt ist es hier allerdings noch ruhig.
Soziale Kontrolle
Die Patrouillen der Abteilung Sicherheit, Intervention Prävention (sip) des Sozialdepartements der Stadt Zürich ziehen durch Zürichs Ausgehviertel, Parkanlagen und bestimmte Quartiere und suchen mit Jugendlichen, die sich auffällig verhalten, das Gespräch.
«Die Jugendlichen sollen sehen, dass sie nicht vollkommen anonym sind in der grossen Stadt, denn wir sehen sie und sie sehen uns», sagt Christian Fischer, Betriebsleiter der Abteilung sip. «Damit üben wir soziale Kontrolle aus.»
Die Patrouillen sind unbewaffnet und treten «halb-uniformiert» auf mit einer offiziellen «sip-Züri»-Jacke. Kommunikation ist das wichtigste Instrument. «Zeigt sich jedoch jemand nicht kooperativ oder gar gewalttätig, rufen wir die Polizei», erklärt Fischer.
Treffpunkt Hauptbahnhof
Nach dem Park und der Tankstelle geht die Tour der sip-Patrouille weiter zum Hauptbahnhof. Pendlerströme schlängeln sich durch die grosse Halle, dazwischen viele wartende Jugendliche, zumeist in Gruppen.
Eine der Gruppen verreist in die Berge. Sie hat Gepäck, Snowboards und vor allem viel Alkohol dabei. Ein Grund für das Patrouillen-Team, die jungen Burschen anzusprechen.
Das Team versucht, die Snowboarder in ein Gespräch zu verwickeln. Die Angesprochenen reagieren zuerst abweisend, antworten aber bald bereitwillig auf Fragen wie «Seid ihr in der Ausbildung?» oder «Wohnt ihr noch bei den Eltern?».
«Wir gehen für einige Tage snowboarden. Dafür verpulvern wir unseren ganzen Lehrlingslohn», sagt einer der Burschen lachend.
Die Gruppe hat einige Flaschen mit gelbem Inhalt vor sich stehen. «Das ist Bier mit Sirup gemischt», erklärt einer. Es beginnt eine Diskussion über die Risiken von Alkohol generell, und auf der Piste im Speziellen.
Die Burschen zeigen sich einsichtig: «Ein Bier zum Mittagessen ist ja ok. Trinkt man mehr, dann mag man ja nicht mehr mithalten auf der Piste.»
Wenn die Eltern kommen müssen
Nicht immer verlaufen die Gespräche so locker. «Heikel wird es, wenn die Jugendlichen sehr betrunken sind und wir vermuten, dass sie jünger als 16 Jahre sind», sagt Astrid. «In solchen Fällen müssen wir die Eltern einschalten, damit sie ihr Kind abholen kommen.»
Da die sip-Patrouillen nicht berechtigt sind, Ausweiskontrollen durchzuführen, sind sie darauf angewiesen, dass die Jugendlichen freiwillig Auskunft über ihr Alter und die Telefonnummer der Eltern geben.
«Natürlich haben viele Angst davor, wie die Eltern reagieren», sagt Astrid. «Einige sind zwar erschrocken, wenn wir uns melden, doch viele sind für unsere Arbeit dankbar.»
Auch die Jugendlichen zeigen gelegentlich ihre Dankbarkeit: «Ein 15-jähriges Mädchen hat uns einen Kuchen gebracht. Sie sagte uns, dass sie sich zwar an nichts mehr erinnern könne, doch sei sie froh, dass sie dank dem Einsatz der sip gut nach Hause gekommen sei.»
Alkohol und Alltagssorgen im Ausgang
Um 22 Uhr rüstet sich die 2. Patrouille für die Nachtschicht. Bis um 8 Uhr werden sie im Einsatz sein. Zuerst gehen Erika und Beni durch das Niederdorf in der Altstadt. «Im Gegensatz zu früher läuft hier heute wenig», sagt Erika. «Die Jungen zieht es vermehrt in die neuen Ausgehviertel, wie etwa in den Kreis 5.»
Im ehemaligen Industriequartier hat es über 50 Bars und Clubs. Auf den Trottoirs sind praktisch nur junge Erwachsene anzutreffen. Der Lärmpegel und das Gedränge sind gross.
Torkelnde Jugendliche und zerbrochene Flaschen zeugen davon, dass schon einiges an Alkohol getrunken wurde. «Vieles dreht sich um Alkohol», sagt Erika.
«Weil dieser in den Bars oft zu teuer ist, legen sich die Jugendlichen ein Lager in einem Gebüsch zurecht. Sie verlassen regelmässig die Bar, um draussen ihren Alkohol zu trinken.»
In den Diskussionen mit den Jugendliche kommen auch andere Themen zur Sprache, wie Erika erklärt: «Die Arbeit bzw. die Ausbildung, das Verhältnis zu den Eltern und Beziehungsprobleme beschäftigen viele.» Auch für solche Anliegen habe die Abteilung sip ein offenes Ohr.
Sandra Grizelj, Zürich, swissinfo.ch
Während des Jahres 2007 kam es in der Stadt Zürich zu mehreren tragischen Gewalttaten unter Jugendlichen, die sich im öffentlichen Raum und im Umfeld der Partyszene ereigneten.
Anlässlich dieser Häufung beauftragte der Stadtrat das Sozialdepartement, Sofortmassnahmen einzuleiten. Diese hatten zum Ziel, die Sicherheit in öffentlichen Anlagen und im Umfeld der Partyszene zu erhöhen sowie Gewalt im Ausgang zu verhindern.
Daraus entstand das Projekt «ZüriCourage» der Abteilung Sicherheit, Intervention und Prävention (sip). Seit Ende 2007 suchen sip-Patrouillen gezielt das Gespräch mit Jugendlichen im öffentlichen Raum.
Anfangs als Pilotprojekt angesetzt, erteilte der Zürcher Stadtrat im Oktober 2009 die definitive Einführung der Patrouillen.
Die Patrouillen sollen die Jugendlichen auf die Risiken ihres Freizeitverhaltens sensibilisieren.
Im Winter gibt es spezielle Kälte-Patrouillen, die sich um obdachlose Menschen kümmern.
Die Patrouillen leisten einerseits aktive Sozialarbeit, indem sie bei Problemen oder Schwierigkeiten auf andere Institutionen verweisen, wo Jugendliche Hilfe finden können.
Andererseits übernehmen sie auch ordnungsdienstliche Aufgaben, indem sie die Jugendlichen dazu auffordern, ruhiger zu sein oder ihren Abfall zu entsorgen.
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