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Schweizer gehen in Vancouver auf Medaillenjagd

Ab Freitag leuchten die grossen Olympischen Ringe über Vancouver. Reuters

In Vancouver haben die Olympischen Winterspiele 2010 begonnen. Gian Gilli, Chefcoach der Schweizer Delegation, rechnet für seine Athletinnen und Athleten mit zwölf Medaillen, sieht aber Raum für mehr.

Vor dem Auftakt an der kanadischen Pazifikküste verströmt der 52-jährige Bündner grosse Zuversicht. Kaum je sei eine stärkere Schweizer Delegation an Winterspiele gereist als das 146-köpfige Team von Vancouver.

«Dank vieler Athleten, die schon Olympia-Erfahrung aufweisen, ist die Mannschaft sehr stark und ambitioniert», sagt Gilli gegenüber swissinfo.ch. «Wir haben zahlreiche Favoriten in den eigenen Reihen. Ihr Ziel muss lauten, am Tag X die beste Leistung zu erbringen, statt den Fokus auf eine Medaille zu legen.» Geben die Sportler ihr Bestes, kämen die Medaillen automatisch, so der ehemalige Langläufer.

Turin übertreffen

Vor vier Jahren kehrte die Schweizer Delegation mit 14 Medaillen aus Turin zurück, so vielen wie noch nie zuvor. Für Vancouver «budgetiert» Gian Gilli zwölfmal Edelmetall oder noch mehr.

Die besten Chancen rechnet sich Gilli für die alpinen Skirennen, im Skispringen und im erstmals ausgetragenen Ski Cross aus. Für medaillenverdächtig hält er auch Curling, Bobfahren und Eiskunstlauf.

Dabei könnte es aber auch die eine oder andere Überraschung geben. «Das Schweizer Frauen-Bobteam ist wahnsinnig stark, ebenso das Frauen-Eishockey-Team», freut sich Gilli. Bei den Eishockeyanerinnen haben ihn vor allem deren Kampfgeist und die Energie beeindruckt, welche die Spielerinnen auf dem Eis an den Tag legen.

«Der Daumen der Nation»

Ganz klar, dass in der Wintersportnation Schweiz die grössten Hoffnungen auf den Alpinen ruhen. Auf den Skipisten wird ein Dreikampf zwischen der Schweiz, Österreich und den USA erwartet.

Am meisten Medaillenhoffnungen hat das zehnköpfige Schweizer Männerteam genährt, das um den 35-jährige Neuenburger Didier Cuche als Leader besteht.

Mit seinen vier Weltcupsiegen in diesem Winter, darunter dem grandiose Doppel in Kitzbühel, ist er Favorit sowohl für die Abfahrt als auch im Super G.

Cuche will sich auch nicht von einem gebrochenen rechten Daumen einbremsen lassen. Die Verletzung, die eine Operation erforderte, handelte er sich vor zwei Wochen in Slowenien ein, als Cuche im Riesenslalom auf der pickelharten Piste stürzte.

«Ich spüre keine grossen Schmerzen mehr, so dass ich mit der Hand jeden Tag fester zupacken kann», sagt Cuche zu swissinfo.ch. Bewusst hat er seine Emotionen nach den beiden Siegen in Kitzbühel etwas heruntergefahren. «Ich hoffe, eine Medaille zu gewinnen, welche, spielt keine Rolle.»

Janka in Lauerposition

Sollte der Trumpf Cuche nicht stechen, steht mit dem jungen Bündner Carlo Janka gleich das nächste hochkarätige Schweizer Medaillenversprechen bereit.

Mit seinem Sieg in der Lauberhorn-Abfahrt hat Janka nicht nur viele Insider überrascht. Er hat auch bewiesen, dass er als 23-Jähriger schon ganz grosse Rennen gewinnen kann. Und wie Cuche ist auch Janka fähig, in beiden Speed-Disziplinen aufs olympische Podium zu fahren.

Ein Platz auf dem Treppchen ist auch dem Slalomkünstler Sylvan Zurbriggen zuzutrauen, der sich in den letzten Weltcupeinsätzen in Superform präsentierte.

«Ich werde etwas Verrücktes wagen, sonst kann man nichts gewinnen», kündet der Walliser an, der in diesem Weltcup-Winter schon viermal auf dem Podest stand. «Diese Chance bietet sich nur einmal in vier Jahren, also darf man sie nicht verschlafen.»

Schweizer Frauen dezimiert

Zuletzt vermochten auch die Schweizer Skifahrerinnen zu überzeugen. Edelmetall-Hoffnungen ruhen dabei in erster Linie auf den Schultern von Fabienne Suter, die im Weltcup schon zweimal unter die ersten drei fuhr. Vielleicht gelingt gar Aufsteigerin Nadja Kamer eine Sensation. Die Schwyzerin, deren Namen vor drei Monaten noch kaum jemand kannte, platzierte sich im Januar gleich zweimal in den Top-3.

Im gleichen Atemzug müssen aber auch die schier nicht enden wollenden Ausfälle erwähnt werden, von denen die Schweizer Skifrauen in diesem Winter getroffen wurden. Lara Gut fiel mit einem Hüftbruch gleich zu Beginn aus, während es Fränzi Aufdenblatten und Martina Schild kurz vor dem Saisonhöhepunkt traf. Bei beiden lautete die Diagnose Kreuzbandriss.

«Wir haben sechs vielversprechende Fahrerinnen infolge Verletzung verloren. Das macht uns zwar sehr traurig, aber das Risiko gehört zum Sport», sagt Gian Gilli.

Auch bei Dominique Gisin, der besten Schweizer Abfahrerin, musste nach einem Sturz Anfang Jahr das Schlimmste befürchtet werden. Doch nach einer Knieoperation konnte sie bereits wieder ins Weltcupgeschehen eingreifen. Ein Exploit an Olympia, sprich eine Medaille, wäre unter diesen Umständen aber eine grosse Überraschung.

Während sich die Schweizer Alpinen das Rampenlicht – trotz aller Rückschläge – gewohnt sind, könnte in Vancouver die Aufmerksamkeit erstmals auf Biathlon fallen, die Kombination von Langlauf und Schiessen. Dies dank Selina Gasparin. Gian Gilli zollt der Bündnerin wegen der völligen Hingabe, mit der sie ihren Sport betreibt, grössten Respekt.

Aber auch die Kollegen Gasparins liessen zuletzt aufhorchen, mit Top-Ergebnissen im Einzel wie in der Staffel.

Ski Crosser in den Fussstapfen Gian Simmens?

Ihr olympisches Debüt erlebt in Vancouver die junge Disziplin Ski Cross. Pro Lauf, der rund eine Minute dauert, treten dabei vier Rennläufer direkt gegeneinander an. Und das auf einer Piste, die mit Sprüngen, Wellen und engen Kurven gespickt ist.

Gilli erinnert daran, dass Schweizer Sportler bei solchen Olympia-Premieren schon oft erfolgreich waren. Etwa Gian Simmen, der 1998 in Nagano als Underdog zur Halfpipe-Premiere antrat und als strahlender Olympiasieger heimkehrte.

Zuletzt kehrt Gilli aber wieder zu einem Schweizer zurück, den wohl fast alle zu den fixen Medaillenanwärtern zählen: zu Eiskunstläufer Stéphane Lambiel, der nach seinem Rücktritt vom Rücktritt jüngst an den Europameisterschaften mit einer geglückten Kür Silber geholt hatte.

Olympischer Geist lebendig

Aber aller Gedankenspiele um mögliche Medaillen zum Trotz vergisst Gian Gilli den vielzitierten olympischen Geist nicht. «Ob die Schweizer Teilnehmerinnen und Teilnehmer Edelmetall gewinnen oder mit leeren Händen heimkehren, ist letztendlich unwichtig, denn sie machen Erfahrungen und haben Erlebnisse, die sie nie mehr vergessen werden.»

Beim Gedanken an die Kameradschaft und den gegenseitigen Respekt, die beim Zusammentreffen der besten Athletinnen und Athleten der Welt herrschten, kriege er immer noch Gänsehaut, gesteht Gilli. Und das nach sechs Olympischen Winterspielen, die er bisher erlebt hat. Vancouver wird sein siebtes Olympia-Abenteuer sein.

Tim Neville, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)

Im nordamerikanischen Land leben rund 36’000 Schweizer Bürger.

Die ersten siedelten sich 1668 östlich von Quebec an. 1740 gingen rund 400 Schweizer nach Nova Scotia, einer Provinz an der südöstlichen Küste. 1850 folgten zahlreiche Bauern, Handelsleute und Handwerker.

Nach dem Zweiten Weltkrieg folgten ihnen Hochschuldozenten, Ingenieure und Fachkräfte. In der Provinz Alberta heisst eine Kleinstadt Stettler, benannt nach Karl Stettler, der den Ort 1905 als Schweizer Kolonie gründete.

(Quelle: Swiss Olympic)

Bundespräsidentin Doris Leuthard wird am Freitag, den 12. Februar an der Eröffnungszeremonie der Spiele anwesend sein und am Samstag auch noch die Abfahrt der Männer verfolgen, bevor sie in die Schweiz zurückkehrt.

Bundesrat und Sportminister Ueli Mauer weilt vom 17. bis 23. Februar an den Olympischen Spielen.

Budget: 1.73 Mrd. kanadische Dollar.

25’000 freiwillige Helfer

13’000 akkreditierte Journalisten

1,6 Mio. erhältliche Tickets

250’000 erwartete Zuschauer.

Geschätzte drei Mrd. TV-Zuschauer.

Bewohner von Vancouver: 612’000

Bewohner von Whistler: 10’000; während der Spiele 55’000.

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