Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

10 kleine Sprachen der Schweiz

Schulzimmer
In Evolene im Kanton Wallis wird noch ein frankoprovenzalischer Dialekt unterrichtet. KEYSTONE/Jean-Christophe Bott

Die Schweiz ist ein mehrsprachiges Land. Nebst den vier Landessprachen gibt es eine Vielzahl von Kleinstsprachen und Dialekten. Manche davon sind allerdings unter Druck – andere sogar ausgestorben. Wir geben einen Überblick.

1 Tessiner Dialekt

Die Tessiner und Italienischbündner Mundarten gehören zum Lombardischen, einer norditalienischen Dialektgruppe. Die Dialekte unterscheiden sich von Tal zu Tal. Seit Jahrzehnten sind vor allem die Tessiner Dialekte stark im Rückgang. Während in den 1970er-Jahren die Mehrheit der Tessiner zu Hause Dialekt sprach, waren es 2012 nur noch rund 30 Prozent. Auch im italienischsprachigen Graubünden (Misox, Calanca, Bergell und Puschlav) zeigt sich eine ähnliche Tendenz, wenn auch etwas schwächer.

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2 Gurinerditsch (Bosco Gurin)

Im 13. Jahrhundert wanderten deutschsprachige Siedler aus dem Wallis ins abgelegene Valle di Bosco Gurin. Die Bewohner des einzigen deutschsprachigen Dorfes des italienischsprachigen Kanton Tessins bewahrten wegen der isolierten Lage unzählige Wörter und Formen aus dem Alt- und Mittelhochdeutschen und entwickelten eigene CharakteristikaExterner Link. Deshalb ist GurinerditschExterner Link einzigartig. Doch das Walserdeutsch aus Bosco Gurin wird nur noch von ganz wenigen Personen gesprochen.

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Ein Mann steht vor einem Holzhaus, umgeben von viel Schnee.

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40 Einwohner, zwei Sprachen, ein Gemeindepräsident

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Menschen am Ursprung der Demokratie – wie vielfältig sie leben und denken. Alberto Tomamichel ist Gemeindepräsident von Bosco Gurin.

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3 Walserdialekt von Mutten

Siedler aus dem Wallis brachten ihre Sprache auch in den Kanton GraubündenExterner Link. Dabei sticht das Walserdeutsch von Mutten besonders hervor, da es sich sprachwissenschaftlich keiner Hauptgruppe der Walserdialekte zuordnen lässt. 1934 schrieb ein DialektologeExterner Link seine Habilitation über «Die Mundart von Mutten», konnte aber auch keine abschliessende Erkenntnis liefern. Die archaische Mundart ist mittlerweile fast verschwundenExterner Link.

4 Rätoromanisch

Rätoromanisch entstand aus der Vermischung von Volkslatein mit keltischen und rätischen Sprachen im Gebiet des heutigen Kanton Graubündens. Rätoromanisch gilt laut Atlas der gefährdeten Sprachen der UNESCOExterner Link als gefährdete Sprache. Während in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch die Mehrheit der Bündner Bevölkerung Rätoromanisch sprach, sind es heute noch etwa ein Fünftel. In der ganzen Schweiz sprechen noch etwa 0,5 Prozent der Schweizer Bevölkerung einen der fünf rätoromanischen IdiomeExterner Link. Die am meisten gefährdete Dialektgruppe ist das SutsilvanExterner Link. Es wird nur noch an einer einzigen Primarschule unterrichtet.

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5 Frankoprovenzalisch (Arpitan)

Bis ins 19. Jahrhundert sprachen die Bewohner der französischsprachigen Schweiz (ausser im Kanton Jura) frankoprovenzalische Dialekte. Es handelt sich dabei nicht etwa um einen französischen Dialekt, sondern um eine romanische Sprache, die ähnlich eigenständig ist wie Rätoromanisch.

Das Hochfranzösisch verdrängte Frankoprovenzalisch. Heute wird es nur noch im Kanton Freiburg und im Unterwallis gesprochen – und zwar von älteren Menschen. Mit einer Ausnahme: Der frankoprovenzalische Dialekt «Patois d’Evolène» konnte sich im Walliser Val d’Hérens erstaunlich gut halten und wird sogar an der Primarschule unterrichtet.

Mehrere Hörproben finden Sie im «Atlas linguistique audiovisuel du Valais romandExterner Link«.

6 Frainc-Comtou-Sprache

Frainc-Comtou ist ein Dialekt der Langue d’oïl, einer Gruppe von Romanischen Sprachen. Er wurde in Teilen Frankreichs und im Schweizer Kanton Jura gesprochen. Anfang des 20. Jahrhunderts ist die Sprache fast verschwunden. Sowohl in FrankreichExterner Link wie auch in der SchweizExterner Link werden Bemühungen unternommen, den Dialekt zu bewahren. Dennoch sprechen wohl kaum mehr als 3800 Personen in Frankreich und der Schweiz Frainc-Comtou.

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7 Romanes

Romanes ist die Sprache der Sinti und RomaExterner Link – die ursprünglich aus Indien eingewanderten Fahrenden. Romanes gehört wie Urdu und Hindi zur indoarischen Sprachfamilie. Heute leben schätzungsweise 50’000 bis 80’000 RomaExterner Link in der Schweiz. Sie kämpfen um Anerkennung des Romanes als Minderheitensprache.

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8 Jenisch

Manche Schweizer Fahrende sprechen nebst Schweizerdeutsch auch JenischExterner Link. Diese Sondersprache wird mündlich tradiert. Sie ist eine Varietät der deutschen Sprache – wobei es in der Schweiz, Österreich, Deutschland, den Benelux-Staaten und Frankreich unterschiedliche Jenisch-Dialekte gibt. Der Wortschatz des Jenischen ist sprachhistorisch eng mit dem RotwelschExterner Link verwandt – einer im Mittelalter im deutschen Sprachraum benutzten Geheimsprache von Bettlern.

Weil die Schweiz den Jenischen zwischen 1926 und 1973 systematisch die Kinder weggenommen hatExterner Link, geriet Jenisch arg in Bedrängnis. Manche Jenische müssen die Sprache heute neu lernen. Wie viele Schweizer noch Jenisch sprechen, wird nicht erhoben.

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Jenisch: Die blumigste Sprache der Schweiz (I)

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Venanz Nobel, selber Jenischer, gibt in einer zweiteiligen Serie einen Einblick in die Sprache dieser Fahrenden. «Nein, es ist keine Geheimsprache», lächelt mein Gegenüber. «Sie ist immer schon in Beizen und auf Marktplätzen verwendet worden. Aber man soll sie heute nicht in ein Lexikon pressen, das würde sie steril machen.» Die Rede ist von einer…

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9 Jiddisch

Das unter europäischen Juden entwickelte JiddischExterner Link ist keine einheitliche Sprache, sondern besteht aus vielen Dialekten und einer künstlichen Hochsprache (Yivo). Im aargauischen Surbtal – wo Schweizer Juden bis Mitte des 19. Jahrhunderts leben mussten – entwickelte sich eine Schweizer Variante (Surbtaler oder Endinger Jiddisch), doch diese starb Ende des 20. Jahrhunderts aus. Nur einzelne Wörter wurden ins Schweizerdeutsche übernommen – zum Beispiel «Stuss» für «Unsinn».

Einige Nachkommen der Anfang des 20. Jahrhunderts aus Osteuropa eingewanderten Juden sprechen noch ostjiddische Dialekte. Dies vor allem in orthodoxen Familien.

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Jiddisch

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Isaak Guggenheim-Bloch: «Berufe der Juden», «Vorbereitungen auf den Sabbat», «Die hohen Feiertage»Externer Link aus dem Schweizerischen Idiotikon (Surbtaler Jiddisch aus Endingen)

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10 Mattenenglisch

MattenenglischExterner Link ist eine ausgestorbene Sonder- und Geheimsprache, welche im Mattequartier in Bern und von der Stadtberner Unterschicht gesprochen wurde. Der Soziolekt entwickelte sich auf der Grundlage des Matteberndeutsch – wobei die Worte nach komplizierten Regeln umgebaut wurden: Die ersten Buchstaben eines Wortes wurden bis und mit dem ersten Vokal abgetrennt und hinten ans Wort gehängt. An den Wortanfang kam immer der Buchstabe «i». Und am Schluss des Wortes wurde der Vokal zu «e» umgebaut. Die Sprache enthielt auch Wörter aus dem Französischen, Rotwelschen, Hebräischen und Jenischen. Viele mattenenglische Ausdrücke sind ins Berndeutsche übernommen worden.

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Sprache oder Dialekt?

Die Unterscheidung zwischen Dialekt und Sprache ist nicht einfach. Es gibt linguistische, aber auch historische und politische Kriterien zur Beurteilung, ob eine Sprache bloss ein Dialekt oder aber eine eigenständige Sprache ist.

Eigenständige Sprache = Die Sprecher verstehen einander. Gleichzeitig unterscheidet sich die Sprache deutlich von anderen Sprachen. Im Idealfall gibt es eine standardisierte Schriftsprache und eine gemeinsame Literatur.

DialektExterner Link = Eine lokale oder regionale Sprachvarietät (häufig Mundart), die sich von der Standardsprache unterscheidet.

Regiolekt = Eine regional verbreitete Umgangssprache.

Soziolekt = Eine von einer bestimmten sozialen Gruppe gesprochene Sprache.

Idiom = Eine für eine Gruppe von Dialekten standardisierte Schriftsprache.

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