Wie gefährlich ist das Comeback von Covid-19?
Covid-19 kehrt in die Schlagzeilen zurück: Die Gesundheitsbehörden der Schweiz und der USA haben jüngst Empfehlungen für eine erneute Impfung gegen Covid-19 für den kommenden Winter herausgegeben. Wie gehen die Schweiz und andere Länder mit dem begrenzten, aber besorgniserregenden neuen Anstieg der Coronavirus-Fälle um?
Seit dem Sommer haben die Infektionen mit neuen Varianten von Covid-19 und die damit verbundenen Spitalaufenthalte in den USA, Europa und Asien zugenommen.
Obwohl sie unter den Höchstständen von 2020 geblieben sind, schätzte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 6. September, dass weltweit Hunderttausende von Menschen wegen des Virus ins Krankenhaus eingeliefert wurden.
In nur einem Monat will die Schweiz eine neue Covid-19-Impfkampagne für gefährdete Personen mit Gesundheitsrisiko starten. Nach Ansicht von Epidemiolog:innen sind Auffrischungsimpfungen immer noch der sicherste Schutz gegen die neuen Varianten, die vor allem in den letzten Monaten im Umlauf waren.
Was wissen wir bisher über die neuen Covid-19-Varianten?
Das sich ständig weiterentwickelnde Coronavirus bringt immer wieder neue Varianten hervor, die für die Gesundheitsbehörden in aller Welt eine Herausforderung darstellen. Dabei sind einige Varianten besorgniserregender als andere.
Die neuen Varianten, die von Epidemiolog:innen und Medien aufmerksam verfolgt werden, gehören alle zur Omikron-Familie. Die Varianten BA.2.86 (Pirola), EG.5 (Eris) und FL.1.5.1 (Fornax) scheinen für den jüngsten Anstieg der Infektionsfälle verantwortlich zu sein. Es ist jedoch BA.2.86, die in letzter Zeit Anlass zu besonderer Besorgnis gegeben hat.
Pirola wurde zunächst in Dänemark und Israel identifiziert, aber es ist nicht klar, woher sie ursprünglich stammt. Im Vergleich mit der bisherigen, dominanten Variante namens XBB.1.5 weist Pirola mehr als 30 verschiedene Spike-Mutationen auf. Die Spike-Proteine sind Schlüsselelemente, denn sie ermöglichen es dem Virus, an menschliche Zellen anzudocken und in sie einzudringen.
Müssen wir uns wieder Sorgen um Covid-19 machen?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat nun in der nördlichen Hemisphäre vor «besorgniserregenden» Covid-19-Trends gewarnt und zu verstärkten Impfungen und Massnahmen aufgerufen.
Ende August hatte die WHO die Pirola-Variante BA.2.86 in die Liste der zu überwachenden Varianten aufgenommen, vor allem wegen des raschen Anstiegs der Zahl der Infektionsfälle und Mutationen.
«Wir sind besorgt, weil sie von einer Linie von Omikron (BA.2) abstammt, die als ausgestorben galt, und weil sie mehr als dreissig Mutationen an strategischen Stellen aufweist», sagte Antoine Flahault, Direktor des Instituts für globale Gesundheit an der Universität Genf, gegenüber der Westschweizer Zeitung 24heures.
Er fügte jedoch hinzu, dass es «derzeit keine alarmierenden Anzeichen für diese Variante gibt». Die Tatsache, dass diese Variante als «besorgniserregend» eingestuft wurde, bedeutet, dass sie unter Beobachtung gestellt wurde und ein gewisses Potenzial zur weiteren Ausbreitung besitzt.
«Das bedeutet nicht, dass die Öffentlichkeit besorgt sein sollte», sagte Rudolf Hauri, Präsident der kantonalen Gesundheitsbehörden, gegenüber der Schweizer Zeitung Blick.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat festgestellt, dass neue Varianten, die derzeit im Umlauf sind, neue Mutationen aufweisen, die es ihnen ermöglichen, den teilweisen Impfschutz der Bevölkerung zu durchbrechen.
Ausserdem nimmt der Schutz durch die Impfung (oder einer frühere Infektion) mit der Zeit ab. Aufgrund dieser beiden Faktoren, zu denen noch der vermehrte Kontakt in geschlossenen Innenräumen hinzukommt, rechnet das BAG in diesem Herbst und Winter mit einem Anstieg der Infektionszahlen.
Im Vergleich zu den Pandemiejahren 2020 und 2021 habe sich die Situation aber deutlich verändert, heisst es. «Bei Personen unter 65 Jahren, die keine Risikofaktoren aufweisen, ist die Wahrscheinlichkeit einer schweren Form von Covid-19 minimal», erklärte das BAG am 11. September.
Wie ist die Situation in der Schweiz und wie könnte sie sich entwickeln?
Ende August wurde die Pirola-Variante zum ersten Mal in Schweizer Abwässern nachgewiesen. Gleichzeitig wurde sie auch in anderen Ländern entdeckt. Nach Angaben des BAG wurden in der vergangenen Woche in der Schweiz rund 1000 Covid-Fälle registriert, was einer Zunahme der Inzidenzrate von fast einem Drittel in 14 Tagen entspricht.
Obwohl die Zahl der Fälle derzeit ansteigt, «hält sich die Zahl der Erkrankten, die aufgrund von einem schwerem Verlauf ins Spital eingewiesen werden mussten, derzeit in Grenzen», sagte Christoph Berger, Leiter der Eidgenössischen Impfkommission (EKVK), gegenüber dem Schweizer Fernsehen SRF.
Eines der grössten Probleme während der Covid-19-Pandemie war der Druck auf das Gesundheitssystem und der Mangel an Krankenhausbetten. In diesem Fall, so versichert Hauri, «wird es wegen Covid keinen Ausnahmezustand mehr geben. Wenn es einen Bettenmangel gibt, dann nur, weil es nicht genügend Pflegepersonal gibt».
Wie wirksam sind Impfstoffe gegen die neuen Varianten?
Laut Reuters erklärten Moderna und Pfizer, dass ihre aktualisierten Impfstoffe bei Tests gegen die hoch mutierte Untervariante BA.2.86 «starke Reaktionen hervorriefen», also wirksam gewesen sein sollen. Die aktualisierten Impfstoffe von Moderna, Pfizer und Novavax werden voraussichtlich noch im September erhältlich sein.
Für die Schweiz empfehlen Behörden die Impfung mit einem an die Variante XBB.1.5 angepassten Impfstoff auf mRNA- oder Proteinbasis. Das Zulassungsverfahren für diese Impfstoffe läuft derzeit beim Swissmedic-Heilmittelinstitut, der schweizerischen Zulassungsstelle.
Wie gehen Länder auf der ganzen Welt mit den jüngsten Entwicklungen des Coronavirus um?
Obwohl es schwierig ist, die Zahl der Covid-19-Fälle, die Infektionsraten und die Krankenhausaufenthalte auf der ganzen Welt zu vergleichen, haben wir uns einige der Massnahmen gegen die Ausbreitung der neuen Varianten genauer angesehen.
Sowohl die USA als auch die Schweiz haben Anfang dieser Woche Impfempfehlungen gegen Covid-19 herausgegeben. Das BAG und die EKV empfehlen den Impfstoff für Personen mit besonderen Gesundheitsrisiken.
Z. B. für über 65-Jährige, über 16-Jährige mit Vorerkrankungen oder Down-Syndrom sowie schwangere Frauen mit Vorerkrankungen. Die USA wählten einen breiteren Ansatz und empfehlen die Impfung für alle über sechs Monate alten Personen.
Israel war eines der ersten Länder, das Pirola-Infektionen identifizierte und Präventivmassnahmen dagegen ergriff. Am Dienstag riet das dortige Gesundheitsministerium Menschen mit geschwächtem Immunsystem, in geschlossenen Räumen Masken zu tragen. Die Krankenhäuser sind angehalten, alle neuen Patient:innen auf das Virus zu testen.
In anderen europäischen Ländern wie Grossbritannien hat die Impfkampagne bereits begonnen. Als erste Gruppe erhielten Bewohner:innen von Pflegeheimen den Schutz. Auf der Insel wurden bisher 34 Fälle von BA.2.86 registriert, von denen allein 28 in einem Pflegeheim in Norfolk aufgetreten sind.
Übertragung aus dem Englischen: Renat Kuenzi
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