Standards aus dem Bergwald auch für Regenwald
Die Bruno Manser Stiftung drängt den Hotelkonzern Accor, im malaysischen Regenwald Standards durchzusetzen, wie sie auch in Schweizer Bergwald-Regionen üblich sind. Die Gemeinden sollen über die Nutzung ihrer Wälder mitbestimmen dürfen und dafür entschädigt werden.
Der französische Hotelkonzern Accor möchte in Kuching, der Hauptstadt des malaysischen Bundesstaats Sarawak auf der Insel Borneo, ein Vierstern-Hotel betreiben. Gebaut wird es vom lokalen Partner Interhill, der auch Besitzer bleiben dürfte.
Soweit so gut. Schaden genommen hat das Projekt aber, weil sich Interhill, ein Holz-Konzern in malaysisch-chinesischem Besitz, im Vorfeld einiges hat zuschulden kommen lassen: Letzten September zum Beispiel hatte der Bruno Manser Fonds (BMF) mit Sitz in Basel publik gemacht, dass Interhills Waldarbeiter «in einer Reihe von Fällen Penan-Frauen und –Mädchen sexuell missbraucht haben».
Beim Hotelprojekt steht für alle Beteiligten viel Prestige auf dem Spiel: Accor besitzt internationalen Rang und verschiedene (Marken-)Namen im weltweiten Beherbergungs-Business. Das Hotel in Kuching soll ein Novotel werden, für Geschäftsleute vor allem im Öl-, Holz- und Agrobereich, und für (Öko-)Touristen, denen echter Ursprungs-Regenwald in Aussicht gestellt wird.
Das aufstrebende Kuching möchte ein Luxushotel mit einem weltweit bekannten Namen. Und auch Interhill möchte sicher gehen, dass seine Immobilie von den Accor-Hotelprofis kompetent geführt und vertrieben wird.
Überlagert werde dieser Bedarf nach internationaler Anerkennung durch die in Malaysia politisch heikle Machtbalance zwischen staatstragenden Malayen und wirtschaftsstarken Chinesen, sagt BMF-Geschäftsführer Lukas Straumann. Wobei sich die Malayen (Bumiputras) wiederum in eine muslimische Mehrheit und teils indigene Minderheiten anderer Glaubensrichtungen unterteilen.
Verschollen und doch aktiv geblieben
Zu diesen Minderheiten gehören in Borneo auch die Penan, die seit Jahrhunderten im und vom Regenwald leben. Heute sind diese protestantisch missionierten Indigenen innerhalb des muslimischen Landes Malaysia in ihrer Existenz bedroht. Konzerne wie Interhill, in Hand von Chinesen, beuten mit Konzessionen der von Malayen dominierten Zentralregierung den Regenwald der Penan aus statt ihn zu nutzen.
Die Penan sind auch das Volk, das der Schweizer Umweltpionier Bruno Manser bekannt gemacht hatte. Der unbequeme Regenwald-Schützer– gilt seit vielen Jahren in Malaysia als verschollen. Seine Anhänger befürchten, dass er seine Publizität mit dem Leben bezahlt habe.
In seine Fusstapfen ist seither der BMF getreten. Als «Non-Government-Organisation» (NGO) macht sich der Fonds die Gesetze von globalem Markt und Medien eigen, um im Siedlungsgebiet der Penan normale Sozialstandards durchzusetzen. So verlangt der Fonds vom Hotelkonzern Accor, dass dieser innert einem halben Jahr entsprechende Sozialstandards für die Penan garantieren soll: Konkret hiesse dies laut dem Fonds, dass Accor sie von seinem lokalen Partner Interhill einfordern müsste.
Hélène Roques, Nachhaltigkeits-Direktorin bei Accor, habe dem Fonds versichert, dass ihr Konzern diese Forderungen prüfen werde – «bemerkenswert, wie offen Accor mit unserer Kritik umgeht und sie offensichtlich ernst nimmt», sagt Straumann dazu. Eine Stellungnahme gegenüber swissinfo hat die Vertreterin von Accor zum jetzigen Zeitpunkt abgelehnt.
Reputationsrisiko als Druckmittel
«Es ist für Accors Ruf nicht gut, wenn ihr Projekt in Borneo in der Öffentlichkeit mit Umweltzerstörung und der Missachtung von Menschenrechten in Zusammenhang gebracht wird. Für die Regierung von Sarawak wäre ein Rückzug von Accor aus dem Projekt eine Blamage», argumentiert Straumann gegenüber swissinfo.
BMF nutzt also das Reputationsrisiko, das Accor mit dem lokalen Partner Interhill trägt, als Druckmittel für bessere Bedingungen aus. «In einer Kampagne hat unser Fonds rund 1000 Unterschriften online, weitere 3200 auf Papier und 3800 über befreundete NGOs sammeln können, die das Einhalten von Sozialstandards verlangen», sagt Straumann.
Schutzwälder kann man auch nicht einfach roden
Dabei geht es nicht nur um eine ökologische Nutzung und öffentliche Sicherheit, sondern auch um Nachhaltigkeit in den kommunalen Besitzstrukturen. Die Schweizer Geschichte und Gemeinde-Strukturen dienen dem Historiker Straumann offenbar als Vorbild.
«Ob das klassische Beispiel des Wasserzinses für Berggemeinden oder die Nutzung der Wälder im kommunalen Bereich – aus einer Schweizer Perspektive sind die Forderungen der indigenen Gemeinden nach einer Kontrolle über ihre natürlichen Ressourcen sehr plausibel», sagt das ehemalige Mitglied der Bergier-Kommission.
«Stellen Sie sich vor, eine ‹Zentralregierung› in Bern würde einfach den Schutzwald einer (Walliser) Berggemeinde roden lassen, ohne dass die Dorfbewohner dazu etwas zu sagen hätten», illustriert Straumann den Sachverhalt im Regenwald.
Als (Wirtschafts-)Historiker mit einer botanischen Ausbildung weiss Straumann genau, wie hoch das wirtschaftliche Potenzial einer Ausnutzung oder Ausbeutung von Pflanzen und Hölzern in Regenwäldern einzuschätzen ist.
Waldstätten mussten auch gegen Vögte kämpfen
Schmunzelnd fügt der in Schweizer Geschichte Versierte noch eine weitere Parallele der Penan zu den alten Eidgenossen an: «Ich habe den Penan erzählt, der Ursprung der Schweiz liege bei einem Selbsthilfebündnis von drei Waldstätten.»
Wilhelm Tell lässt also grüssen, nur dass die fremde Vögte in Straumanns Vergleich heute im Regenwald eher in Form von rücksichtslosen Konzernen auftreten. Wie Gessler würden sie sich dabei auf Konzessionen resp. Statthalterrechte berufen, die ihnen in einer weit entfernten Hauptstadt vom «Kaiser» sprich Regierung vergeben würden.
swissinfo, Alexander Künzle in Basel
Accors Hotel- und Tourismusgeschäft ist in rund 140 Ländern aktiv, der Konzern beschäftigt rund 150’000 Personen.
Der Konzernumsatz, in Euro ausgedrückt, fiel 2008 gegenüber dem Vorjahr um 4,7% auf 7,74 Mrd., der Reingewinn betrug 575 Mio.
In Europa ist der Konzern Leader der Branche, weltweit einer der Führenden.
Accor betreibt rund 4000 Hotels. Zu den Hotelmarken gehören Novotel, Sofitel, Etap oder Ibis.
Accor operiert sowohl im Ferientourismus als auch im Geschäftsreise-Sektor.
Weltweit gibt es rund 400 Novotels, davon in der Region Asia-Pacific rund 70.
BMF ist auch in der Schweiz selbst tätig. Zum Beispiel machen rund 600 der 2730 Schweizer Gemeinden beim Projekt der Urwaldfreundlichkeit mit.
Viele dieser Gemeinden besitzen selber Wald.
1997 startete Bruno Manser das Projekt. Bei öffentlichen Bauten sollen Gemeinden auf Holz aus Raubbau verzichten und einheimisches Material verwenden («Global denken, lokal Handeln»).
Sie verpflichten sich auch, ihren Papierbedarf nach nachhaltigen Quellen zu beschaffen.
Denn das Konsumverhalten ist eine wichtige Ursache der Regenwaldzerstörung.
42% der weltweiten Abholzung gehen auf das Konto der Papierindustrie.
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