Albert Anker im Kunstmuseum Bern
Unter dem Titel "Albert Anker und Paris - Zwischen Ideal und Wirklichkeit" widmet das Kunstmuseum Bern dem populären Schweizer Maler nach 20 Jahren wieder eine grosse Ausstellung mit rund 70 Gemälden.
Sie überrascht mit modernen Stilleben.
Nach dem abgebrochenen Theologiestudium und seiner gewünschten Ausbildung an der angesehenen Pariser Malschule von Charles Gleyre lebte Albert Anker (1831-1910) aus Ins während der Wintermonate von 1860 bis 1890 in Paris und liess sich von der dortigen Kunstszene inspirieren.
In der Gegenüberstellung mit erfolgreichen Pariser Malern der Zeit wie Alexandre Cabanel oder Charles Chaplin verdeutlicht sich Ankers Qualität. Besonders die Bildnisse seiner eigenen Kinder vor hellem oder dunklem Hintergrund wirken natürlich und echt.
Obwohl weniger zusammenfassend gemalt, erinnern diese Kinderbildnisse an Manets souveräne Porträtkunst. Neben Edouard Manet, der schwarz auf weiss prallen liess, war die Stilllebenmalerei von Jean-Baptiste Siméon Chardin (1699-1779) vorbildhaft für Anker.
Überraschend moderne Stillleben
Die Ausstellung vereint etwa 20 Stillleben von Albert Anker und hebt so das Typische hervor. Im unteren Drittel der Querformate stehen Karaffen, Krüge, Gläser, Tassen und Teller vor unbestimmtem, meist dunklem Grund auf weissem Tuch oder rohem Holz.
Daraus ergibt sich ein reizvoller Gegensatz zwischen den akademisch exakt gemalten Gegenständen in aufeinander abgestimmten Farbtönen und der reinen Malfläche des Bildhintergrundes. Die erwähnten Bildnisse von Ankers Kindern sind ebenso gemalt.
Weil Anker in seinen Stillleben auf jede traditionsreiche Vergänglichkeits-Symbolik mit Blumen und Früchten verzichtet, wirken die mit Alltags-Gegenständen komponierten Bilder modern. Sie lassen den Maler als einen Vorgänger von Giorgio Morandi erscheinen.
Traditionelle Genre-Szenen
Ankers zahlreiche Genre-Szenen mit Kindern aus dem ländlichen Milieu hingegen wirken für die heutige Betrachterin veraltet. Obgleich sich ihr Bildaufbau etwa an Gustave Courbets noch heute aktuellen Darstellungen weiblicher Sinnlichkeit orientiert, erscheinen die Bilder unecht.
Der internationale Erfolg während Ankers Pariser Zeit hängt gewiss mit dem Umstand zusammen, dass der Maler erfolgreiche Kompositionen auf seine ländlichen Genre-Szenen übertrug. Die grossbürgerliche städtische Kundschaft mag zudem die Exotik heilen Landlebens genossen haben, wo fleissige Mädchen züchtig ihre Lider senken.
So glaubhaft Ankers Bildnisse seiner Töchter wirken, so gestellt wie für eine Reklame erscheinen die Bauernmädchen mit ihrer Handarbeit. Ging es dem begabten Maler hier zuerst um den Verkauf oder liess sich Anker bewusst von protestantischem Ethos leiten?
Es ist schade, dass es keine Fotografien gibt, die das damalige Leben der Kinder auf dem Lande dokumentieren. So fehlt die Möglichkeit eines Vergleichs zwischen der fotografischen und Ankers gemalter Wirklichkeit.
Geschickte Inszenierung
In einer geschickten Inszenierung mit Farbräumen in Dunkelrot für die Salon-Jahrzehnte, Maisgelb für Ankers Botschaft einer heilen Welt und Hellblau für die vielen eindrücklichen Stillleben entwirft die Ausstellungscrew ein vielseitiges Anker-Bild.
swissinfo, Barbara Miesch (sda)
Nach 20 Jahren zeigt das Kunstmuseum Bern wieder eine Ausstellung mit 70 Gemälden von Albert Anker.
Die Ausstellung «Albert Anker und Paris – Zwischen Ideal und Wirklichkeit» dauert bis 31. August.
Bis 27. Juli sind im Kunstmuseum Bern zudem eine Auswahl von Ankers Zeichnungen, Skizzenbüchern und Aquarellen aus der graphischen Sammlung zu sehen.
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