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Art Basel behauptet in einem hart umkämpften Markt ihre Führungsrolle

Ein 3D-Kunstwerk
Die Welt ist ein Schachbrett: "CHESS" (2012) des amerikanischen Künstlers Lutz Bacher, zu sehen auf der Art Unlimited Show der Art Basel im Juni 2024. swissinfo.ch / Eduardo Simantob

Führende Kunstmessen gehen in grossen Holdings auf, expandieren weltweit und wirbeln das Ökosystem des Kunstmarkts durcheinander. Kleineren Messen bleiben die Brosamen.

Als Noah Horowitz im vergangenen Jahr die Leitung der Art BaselExterner Link übernahm, wurden keine grösseren Veränderungen an der Struktur der Messe angekündigt. Aber es gab eine bemerkenswerte Veränderung im DiskursExterner Link.

Im Gegensatz zu seinen Vorgängern zeigte Horowitz eine bemerkenswerte Gewandtheit im “Corporate Speak” und konzentrierte sich mehr auf die Herausforderungen des Marktes und Expansionsmöglichkeiten als auf künstlerische Fragen.

Ja, es ist die grösste und prestigeträchtigste Kunstmesse der Welt, aber bei der Art Basel geht es in erster Linie ums Geschäft. Horowitz’ Jobbeschreibung wurde entsprechend angepasst.

Sein Vorgänger Marc Spiegler leitete die Art Basel von 2012 bis 2022 als “Global Director”. Horowitz ist CEO und signalisiert damit einen vielleicht nicht ganz subtilen, aber substanziellen Kurswechsel im Selbstverständnis und in der Entwicklung des Unternehmens.

“Sein Job ist es, ‘corporate’ zu sein”, sagt Melanie Gerlis, Kunstmarkt-Kolumnistin der Financial Times und des The Art Newspaper. “Diese Rolle existierte nicht”, sagt sie gegenüber SWI swissinfo.ch und fügt hinzu, dass “die Art Basel sehr gut daran getan hat, jede ihrer lokalen Messen von vier verschiedenen lokalen Personen leiten zu lassen” – in Basel, Miami, Hongkong und Paris.

Eine Messe zu viel

Die Zeiten, in denen Kunstmessen auf die Initiative von Galerist:innen, Kunstliebhaber:innen und Kritiker:innen zurückgingen, wie es bei der Art Basel und ihrer Hauptkonkurrentin FriezeExterner Link der Fall war, sind längst vorbei.

Ähnlich wie in der Modebranche um die Jahrhundertwende werden die Kunstmessen von grossen Konzernen aufgekauft, die im Rahmen einer globalen Expansionsstrategie massiv in ihre Marken investieren.

Doch für kleinere Messen und kleinere Holdings ist das nicht unbedingt eine schlechte Nachricht. Will Ramsay, Gründer und Geschäftsführer von Ramsay Fairs, zu der auch die Affordable Art FairExterner Link gehört, die in 16 Städten weltweit stattfindet, hat kürzlich die Satellitenmesse Volta (in Basel und New York) gekauft und hofft, dass die Art Basel und Frieze weiterhin erfolgreich sein werden.

Ein Mann
Will Ramsay, Gründer und Geschäftsführer von Ramsay Fairs: “Es gibt wahrscheinlich nur Platz für so viele dieser grossen Kunstmessen, dann denke ich, gibt es noch Spielraum für regionale Messen, um erfolgreich zu sein.” swissinfo.ch

Ramsay verweist auf eine Reihe mittelgrosser und regionaler Messen wie die ARCO Madrid und die Art Brussels, “zu denen die Leute nicht über den Atlantik fliegen werden, die aber wichtige Treffpunkte für Künstler:innen, Galerien und Sammler:innen aus der Region sind».

Doch der Markt ist nicht gross genug für alle. “Im Jahr 2023 gab es 359 Kunstmessen, und ich glaube, die Leute sind jetzt ein bisschen genervt. Es ist einfach zu viel”, sagt Gerlis.

Hinzu kommt, dass der weltweite Kunstmarkt im vergangenen Jahr um vier Prozent auf geschätzte 65 Milliarden US-Dollar geschrumpft ist. Diese Zahl ist nicht zu vernachlässigen, aber wenn man die Trends beobachtet, ist es kein Wunder, dass sich die grossen Kunstmessen konsolidieren.

“Messen sind in der Durchführung sehr teuer, und [durch eine kommerzielle Ausrichtung] kann man Skaleneffekte erzielen. Man kann jede einzelne Messe billiger machen, wenn man mehrere macht. Ausserdem verdienen Messen immer mehr Geld durch Sponsoring, und natürlich bekommt man grössere Sponsoren, wenn man eine grosse Marke hat”, sagt Gerlis.

Grosse Marken in diesem Geschäft sind vor allem die Art Basel und die Frieze. Sie haben sich in den letzten 20 Jahren sukzessive ausgebreitet und ihre Territorien klar definiert.

Die jüngere Frieze gab auf der Achse London-New York den Ton an, während die Art Basel, gestützt auf ihre Position als älteste und renommierteste Messe, an der Spitze des europäischen Kalenders blieb, mit einem Fuss in den USA (Miami) und einem in Asien (Hongkong).

Die Pole-Position halten

Die Art Basel gehört zur MCH Group, einem internationalen Live-Marketing-Unternehmen mit Sitz in Basel, dessen Hauptveranstaltung früher die Uhrenmesse Baselworld war. Die Baselworld wurde jedoch 2019 abrupt eingestellt und hinterliess bei der Gruppe ein grosses finanzielles Loch, noch bevor die Covid-19-Pandemie ausbrach.

Eine Kapitalspritze von 44 Millionen US-Dollar (mit einer Zusage von weiteren 40 Mio. in den nächsten Jahren) von James Murdoch, dem Spross des Medienmoguls Rupert Murdoch, brachte die MCH wieder auf die Beine und ermutigte das Unternehmen, eine aggressivere Expansionsstrategie zu verfolgen.

Der erste Schritt der neuen Struktur war die Eroberung von Paris: Die MCH verdrängte die traditionsreichste Kunstmesse der französischen Hauptstadt, die FIAC (seit 1974), indem sie deren Platz im Herbst im Grand Palais einnahm.

Das neue Projekt trägt den Namen “Paris + par Art Basel”, um sich von den anderen Art Basel-Messen zu unterscheiden.

Ein Buchcover
Das Buch von Melanie Gerlis aus dem Jahr 2021 reflektiert die ungewisse Zukunft der Kunstmesse, die während und unmittelbar nach der Covid-19-Pandemie vorhergesagt wurde. Doch seither floriert das Geschäft. swissinfo.ch

Paris war der öffentlichkeitswirksamste Schritt, aber die MCH ging weiter und schloss neue Partnerschaften, um ihre führende Position auf dem Kunstmessemarkt zu festigen. Sie folgte damit einer Strategie, die sie seit der Jahrtausendwende verfolgt.

Um auf dem amerikanischen Markt Fuss zu fassen, setzte die Art Basel nicht auf die Anziehungskraft der grossen Zentren wie New York, Los Angeles oder Chicago, sondern eröffnete 2003 ihre zweite Messe in Miami, wo sie von günstigen klimatischen Bedingungen und wenig Konkurrenz profitierte. Seitdem ist diese ein grosser Erfolg.

Ein Jahrzehnt später flossen grosse Kapitalströme von einer boomenden, wohlhabenden asiatischen Oberschicht ein, die ihre Investitionen ausweiten und verfeinern wollte. Die MCH gründete 2013 kurzerhand die Art Basel Hong Kong.

Allerdings hatte die Art Basel nicht mit dem harten Durchgreifen der chinesischen Regierung auf der Insel gerechnet, welche die Freiheit und Unbeschwertheit im Kunstbereich erheblich einschränkte – eine Einschränkung, die sich nach 2019 noch verschärft hat.

Doch wie bereits erwähnt, geht es bei Kunstmessen um das Geschäft, und das wurde durch die politische Situation nicht allzu sehr beeinträchtigt, auch wenn die Atmosphäre beengter wurde.

Anstatt ihr asiatisches Flaggschiff an einen anderen Ort zu verlegen, entschied sich die Art Basel, in Hongkong zu bleiben und mit aufstrebenden und florierenden Kunstmessen in Japan (Art Week TokyoExterner Link) und Singapur (S.E.A. FocusExterner Link) zusammenzuarbeiten, um auf die Expansion ihrer wichtigsten und einzigen ernstzunehmenden Konkurrentin in diesem Bereich zu reagieren: die Frieze.

Die Frieze wird eingerahmt

Die Frieze wurde 1991 von Kunstliebhaber:innen als Zeitschrift gegründet und entwickelte sich schnell zu einer der einflussreichsten Publikationen der Kunstwelt. Sie eröffnete ihre erste Kunstmesse in London im Jahr 2003, als die Art Basel ihre Messe in Miami eröffnete. Doch sie setzte sich von der Konkurrenz ab, indem sie sich ausschliesslich auf zeitgenössische Kunst und lebende Kunstschaffende konzentrierte.

Parallel zu ihrem achtmal jährlich erscheinenden Magazin profitierte die Frieze von der boomenden und pulsierenden Londoner Kunstszene und wurde schnell zu einem Pflichttermin im Kalender des internationalen Kunstmarkts.

Ihr Erfolg führte zur Eröffnung der Frieze Masters im Jahr 2012, ebenfalls in London, die der Kunst vor dem Jahr 2000 gewidmet ist. Im selben Jahr wurde auch die erste Messe in New York eröffnet.

Die Frieze wurde zu gross, zu wohlhabend und zu teuer, um weiterhin in einer unabhängigen Struktur stattfinden zu können. Im Jahr 2016 erwarb die amerikanische Riesenholding Endeavour, deren Geschäftsfelder von der grossen Talentagentur bis zum Sportmarketing reichen, eine Mehrheitsbeteiligung von 70% an der Marke Frieze, einschliesslich der Kunstmessen und des Magazins.

Doch erst einige Jahre später, im Pandemiejahr 2020, traten die beiden ursprünglichen Gründer, die das Unternehmen immer noch leiteten, ihre Plätze einem neu geschaffenen CEO-Posten ab, der mit dem ehemaligen Medienmanager Simon Fox besetzt wurde.

Stand auf einer Messe
Stand der Pace Gallery auf der Frieze London, 2023. Linda Nylind

Von da an ging es nur noch um Expansion und Unternehmensstrategie: Auf die Frieze Los Angeles (2019) folgte die Frieze Seoul (2022), und im vergangenen Jahr wurden The Armory ShowExterner Link in New York und die EXPO Chicago aufgekauft, die unter ihren ursprünglichen Marken weitergeführt werden.

Die jüngsten Umzüge der grossen Messen haben deren Territorien näher zusammenrücken lassen. Der Umzug der Frieze nach Seoul hat die Art Basel dazu veranlasst, in der asiatischen Ecke des globalen Schachbretts zu agieren, während die Art Basel mit ihrem Umzug nach Paris nicht nur geografisch etwas zu nahe an die Londoner Hochburg der Frieze herangerückt ist.

Im Kunstmarktkalender eröffnet die Paris + nur fünf Tage nach dem Ende der Frieze in London, was auf einen offenen Kampf um die Sammler:innen hindeutet. Interessant ist auch, dass Horowitz, der CEO der Art Basel, nicht in Basel, sondern in New York residiert, dem Territorium der Frieze.

Was bleibt für die Normalsterblichen?

Während sich die grossen Marken in ihren globalen Höhen duellieren, folgt ihnen ein ganzes Kunst-Ökosystem, das sich nicht nur auf kleinere und Nischenmessen beschränkt.

Wenn beispielsweise in Basel die Art Basel stattfindet, ist die gesamte Kunstszene mit von der Partie. Museen zeigen ihre besten Ausstellungen des Jahres, Zürcher Galerien organisieren vor der Messe ein Art Weekend für die Sammler:innen unter den Besuchern:innen, und Satellitenmessen wie Liste und Volta bauen ihre Stände auf.

Dasselbe Phänomen ist auch in London und Los Angeles während der Frieze zu beobachten – einen schwereren Stand hat die Frieze in New York, wo das Angebot an Galerien zu gross und es schwieriger ist, die Kunstszene hinter einer Messe zu vereinen.

“Rocky Mountain Air” (2023): kinetische Kunst von Breakfast Studio (USA), ausgestellt auf der Volta Kunstmesse in Basel.

Satellitenmessen sind Teil des Ökosystems der grossen Messen, spielen aber auch in einer parallelen Liga von Nischenmärkten. Die Liste in Basel entstand in den 1990er-Jahren als Initiative junger, unabhängiger Galerien und ist vor einigen Jahren von ihren ursprünglichen Räumlichkeiten in einer heruntergekommenen Fabrikhalle in eine riesige Messehalle neben der Art Basel umgezogen.

Einige der Gründer:innen, wie die Galeristen Peter Kilchmann und Eva Presenhuber, sind gross herausgekommen und mit festen Ständen an der Art Basel vertreten.

Die Liste hat sich als Veranstaltungsort etabliert, ist aber nicht zu einem Unternehmen geworden. Sie wird von einer Stiftung betrieben, die sich ihren Gründungsprinzipien verpflichtet fühlt und ihrem Ursprungsort Basel sehr verbunden ist.

In der Lücke, die sie in der unabhängigen Szene hinterlassen hat, ist vor zwei Jahren eine neue, junge Initiative entstanden, der Basel Social Club, der sich schnell zum lebendigsten Ort während der Art Basel entwickelt hat.

Weit davon entfernt, eine ernsthafte Konkurrenz zur Art Basel zu sein, halten diese unabhängigen Bewegungen laut Kunstmarkt-Kolumnistin Gerlis “die grossen Kunstmessen auf Trab”. “Es gibt nur so viel, was sie tun können; die Leute wollen immer eine Alternative.”

Editiert von Mark Livingston, Übertragung aus dem Englischen: Michael Heger

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