Barry steht im eigenen Museum
In Martigny, im Kanton Wallis, wurde ein Museum eröffnet, das der Geschichte und Gegenwart eines Schweizer Mythos gewidmet ist: dem Bernhardiner-Hund.
Auch gibt das Museum einen wertvollen Einblick in die Gegend des Grossen St. Bernhard. Das Hospiz auf dem Pass ist die eigentliche Heimat dieser Hunde.
Als der Orden der Chorherren vom Grossen St. Bernhard Ende 2004 bekannt gab, er sei nicht mehr «zahlreich genug», um die Aufgaben rund um die Betreuung der weltbekannten Bernhardiner-Hunde wahrzunehmen, wurde befürchtet, die Zucht der Hunde werde eingestellt.
Das hätte zwar nicht das Ende des Bernhardiners bedeutet, aber doch das Ende einer Legende, denn nur ein Hund aus der Zucht auf dem Hospiz bzw. Martigny, darf den Zusatz «vom Grossen Sankt Bernhard» tragen.
Museum und Zuchtbetrieb
Doch die Schweizer Legende konnte gerettet werden: Eine Stiftung «Barry du Grand-Saint-Bernard» führt die Zucht der Chorherren (fälschlicherweise oft Mönche genannt) weiter. So sind auch künftig Bernhardiner auf der Passhöhe anzutreffen.
Gleichzeitig erhielten die Hunde in Martigny, im ehemaligen Zeughaus, in der Nähe des römischen Amphitheaters und der Stiftung Pierre Gianadda, ein Museum. «Der Wunsch oder Traum bestand schon seit langer Zeit», sagte Museums-Direktorin Bernadette Pasquier gegenüber swissinfo.
«Aber erst als die Stiftung der Mäzene Bernard und Caroline de Watteville fünf Millionen Franken in den Bau des Museums steckte, wurde aus dem Traum Wirklichkeit.»
Auch der Bernhardiner Zuchtbetrieb wurde ins Museum integriert. Vor allem die putzigen jungen Hunde werden Alt und Jung begeistern.
Im «Musée et Chiens du Saint-Bernard» steht – wie der Name sagt – zwar der Bernhardiner im Mittelpunkt, doch erfährt der Besucher, die Besucherin, daneben viel Wissenswertes über den alten Passübergang ins Aosta-Tal.
Für Interessierte mit deutscher Muttersprache erschwerend: alle Erklärungen und Tafeln im Museum sind lediglich in französischer Sprache.
Pilgerstrasse ins Hochgebirge
Da die Chorherren schon seit rund tausend Jahren auf der Passhöhe leben und dort seit über 300 Jahren seelsorgerisch tätig sind, zeigt das Museum auch ihre Geschichte.
Das Hospiz selber entstand an der Pilgerroute Canterbury-Rom und wurde um 1050 von Bernhard von Menthon gegründet.
Die Hunde auf dem Hospiz werden aber erst rund 600 Jahre später erstmals auf einem Gemälde «erwähnt». 1708 gibt es auch die erste schriftliche Kunde von ihnen, die – so genau weiss es niemand – eine Kreuzung von syrischen und einheimischen Hirtenhunden sein sollen.
Die Passhöhe des Grossen Sankt Bernhard liegt 2500 Meter über Meer, im Hochgebirge also. Ausser vielleicht in den Sommermonaten Juli und August herrscht dort ein rauhes Klima mit ständigen Wetterwechseln.
Wer früher den schmalen, steilen und schlecht unterhaltenen Passweg hoch ging, der musste sich oft mit Lawinen, Schneeschauern, Nebel und Wind herumschlagen, bevor er ins Hospiz gelangte, wo die Chorherren Speise und Trank für die Pilger bereit hielten.
Eine Art Lawinenhund
Oft hatten die Chorherren Kenntnis davon, wer auf dem Weg nach oben war. Wenn die Leute am Abend nicht eintrafen, gingen sie auf die Suche nach ihnen. Dabei wurden sie von den grossen Hunden begleitet, die im Schnee die Witterung der Verschollen aufnahmen und dazu beitrugen, dass diese gerettet wurden. Die Hunde waren demnach so etwas wie heutige Lawinen- oder Rettungshunde.
Dass die Bernhardiner jedoch selber aktiv wurden und mit dem umgehängten Fässchen Branntwein auf die Suche nach Verschollenen gingen, ist unwahrscheinlich. Doch genau so will es die Legende. Sie entstand zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als die Romantik und die entstehende Abenteuerliteratur der Robinsons und Schatzinseln den heroischen Berhardiner-Hund entstehen liessen.
Das Museum zerstört die Legende nicht. Mit einem gekonnten Kurzfilm, der den Weg des Pilgers François le Pèlerin zeigt, rückt es das Bild über die Tätigkeit der Hunde zurecht. François gerät in einen Schneesturm, die Lawinen donnern, und er wird verschüttet. Die Chorherren suchen nach ihm und die Hunde leisten wertvolle Aufspürarbeit.
Barry lebt
Als Leihgabe des Naturhistorischen Museums Bern steht Barry, der ausgestopfte Ur-Bernhardiner, im Museum der Bernhardinerhunde. Später wird er durch eine Kopie ersetzt werden.
Barry soll über 40 Menschen das Leben gerettet haben und begründete die Legende vom Hund mit dem Fass um den Hals. Er starb übrigens 1814 im Alter von 14 Jahren. Nicht etwa im «Einsatz», sondern wohlbetreut in Bern, wo er alsdann sofort ausgestopft wurde.
Doch der Siegeszug des Bernhardiners war nicht aufzuhalten. Im Museum ist das eindrücklich dargestellt. In Literatur, Gemälden, in Werbung und auf Briefmarken, Schnapsflaschen und Schokolade sowie Kraftgetränken.
Als Comic-Figur, als Skulptur und Hollywood-Star wie auch auf Zigarrenschachteln macht der Hund mit dem treuen Blick eine gute Figur. So wie die Armbrust wurde Barry zum einem Markenzeichen der Schweiz.
swissinfo, Urs Maurer, Martigny
21. Juni 2006: Eröffnung des Museums Bernhardinerhunde der Stiftung Bernard und Caroline de Watteville in Martigny.
Im Erdgeschoss befindet sich der Pflegebereich der Hunde.
Im 1. Stock der Rundgang durch die Vergangenheit des St-Bernhard-Hospiz.
Im 2. Stock, die Sonderausstellung: «Auf den Spuren Hannibals».
Name: ULMA vom Grossen Sankt Bernhard
Geboren: 29.07.1997
Geschlecht: weiblich
Risthöhe: 65 cm
Gewicht: 50 kg
Vater: Udo von Liebegg
Mutter: Sella von Pelleret
In Zucht: seit Geburt
Dysplasie der Hüften: C/C
Augen: mittel, braun ins Nussfarbene gehend
Nahrungsmenge: 600 g/Tag
Art der Nahrung: Hundebiskuits
Charakter: dominant, liebevoll, sensibel
Stellung: Zuchthund vor dem Rücktritt
Geburten: 4 Würfe/25 Welpen
Titel: Klasse 1 (Veteranin) 2005 Lausanne
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