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Das Geheimnis des Tessiner Erfolgs

Casa Marone, 1992 von Mario Botta erbaut. CCS

Das Schweizer Kulturzentrum in Mailand widmet seine aktuelle Ausstellung den bedeutendsten Tessiner Architekten der letzten 30 Jahre.

Tessiner Architekten haben ihre Spuren bereits im päpstlichen Rom und im Russland der Zaren hinterlassen.

Mario Botta ist der Medienstar dieser Gruppe von Architekten, die sich keineswegs durch einen einheitlichen Baustil auszeichnet. «Unsere Gemeinsamkeit besteht vielleicht darin», sagt Botta im Gespräch mit swissinfo, «dass wir eine ähnliche Haltung in Bezug auf Ethik und Territorium haben. Es ist ein besonderes Verhältnis zur Geografie der Orte, an denen unsere architektonischen Werke entstehen.»

Die Tessiner Architekten zeichnen sich schon lange durch Autonomie und Originalität aus. Deshalb ist es für Botta «ausserordentlich schwierig, einen gemeinsamen Nenner für die in Mailand ausgestellten Architekten zu finden».

Geheimnis des Erfolgs

Es gibt auch keine Standard-Antwort auf die Frage, warum die Tessiner Architekten auf eine so lange Erfolgsgeschichte zurückblicken können. Für Botta könnte dies mit der territorialen Beschaffenheit des Tessins zusammen hängen: «Der Kanton Tessin ist bereits eine Architektur in sich; mit seinen horizontalen Wasseroberflächen, die eine Basis darstellen, und den dazugehörigen Vertikalen, bestehend aus Tälern und Bergen.»

Die Tessiner Architekten übernehmen diese Architektur der Landschaft. «Wenn wir uns in einer holländischen Ebene befänden, wären vielleicht unsere Ideen zu bauen und den Raum zu nutzen weniger markant», philosophiert Botta.

Ein multimedialer Katalog



Die 47 Tafeln der Ausstellung sind in die beiden Sektionen «Eckpfeiler» und «Protagonisten» unterteilt. In der ersten Abteilung sind in chronologischer Reihenfolge die wichtigsten, im Tessin realisierten Gebäude dargestellt. Die Abteilung «Protagonisten» nimmt die wichtigsten Vertreter der so genannten Tessiner Architekturschule unter die Lupe. Darunter finden sich Namen wie Mario Botta, Luigi Snozzi, Aurelio Galfetti und Livio Vacchini. Alle haben auch prestigereiche Bauwerke im Ausland erstellt.

Der Ausstellungskatalog ist in Form einer viersprachigen CD-Rom erschienen. Diese ermöglicht interaktive Rundum-Ansichten der Gebäude. Auf einem Computer im Ausstellungsraum gibt es 11 Interviews mit 7 Architekten und 4 Architektur-Kritikern zu lesen. Auf einem zweiten Computer lassen sich Bezüge zu in der Ausstellung angesprochenen Themen herstellen.

Sieben Persönlichkeiten

«Wir wollten nicht um jeden Preis hier in Mailand die Diven der Architektur vorstellen», sagt Jacques Gubler, Architekturprofessor der Akademie von Mendrisio und Kurator der Ausstellung. Aber zweifellos hätten alle sieben Persönlichkeiten eine wichtige Rolle durch die Kommunikation ihres Wissens gespielt.

«Es handelt sich um Persönlichkeiten, die alle durch ihre Lehre und internationale Tätigkeit einen enormen Einfluss auf die neue Architekten-Generation ausgeübt haben.» Für Gubler vermittelt die Ausstellung zwei Botschaften: Zum einen zeigt sie auf, welch hervorragende Qualität Schweizer Architektur haben kann. Zum anderen «begleitet» sie zu den Fragestellungen, die mit dieser Architektur verbunden sind.

Diese reichen von Umgang mit dem Territorium über die Bebauung öffentlicher Flächen bis zur Suche nach massgebenden Referenzen. Gubler: «Wenn die Ausstellung auf Wanderschaft geht, beispielsweise nach Sizilien, können die Besucher über die architektonischen Modelle diskutieren. Deshalb präsentieren wird nicht nur ästhetische Meisterwerke, sondern zeigen auch ganz praktische Anwendungen wie Kinderkrippen oder Mehrfamilienhäuser.»

Wanderausstellung

Für CCS-Direktor Domenico Lucchini kann die Ausstellung sogar dazu beitragen, «Mailand von einer gewissen Provinzialität zu befreien. Und dies in einem Moment, in dem Mailand nicht mehr die Hauptstadt der Kultur ist – wie in den ersten Nachkriegsjahren und später in den 70-er Jahren.» Es ergebe sich so die Gelegenheit, das Bild der lombardischen Kapitale zu korrigieren, das durch die Präsenz der Wirtschaft bestimmt sei.

Für den Schweizer Konsul in Mailand, Marco Cameroni, ist die Ausstellung wichtig für das Image der Schweiz im Ausland: «Die Architektur ist eine hervorragende Botschafterin für einen bedeutenden Bereich der Schweizer Kultur.»

Mario Botta wünscht sich, dass die Besucherinnen und Besucher durch die Ausstellung, die von den 70-er Jahren des 20. Jahrhunderts bis heute reicht, ihre eigene Geschichte entdecken können. «Architektur ist ein formaler Ausdruck der Geschichte. Dieser Ausdruck ist manchmal erbarmungslos, aber immer wahrhaft.»

swissinfo, Mariano Masserini, Mailand
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Tessiner Architektur in der Welt: Eckpfeiler und Protagonisten 1970-2001
Im Centro Culturale Svizzero in Mailand mit dabei: Mario Botta, Mario Campi, Aurelio Galfetti, Bruno Reichlin, Fabio Reinhart, Flora Ruchat-Roncati, Luigi Snozzi, Livio Vacchini.

Das Tessin stellt seit Jahrhunderten weltberühmte Architekten.
Für Mario Botta schafft die spezielle Geometrie der Tessiner Landschaft die Basis für diesen Erfolg.
Die Ausstellung in Mailand lässt die Ideen und Entwürfe der Tessiner Architekten seit 1970 und ihre jeweilige Entwicklungsgeschichte Revue passieren.

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