Der Grosse Siegfried ist tot
Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld, einer der bedeutendsten Verleger der Nachkriegszeit, ist tot. Er starb am Samstag im Alter von 78 Jahren nach schwerer Krankheit.
Der Suhrkamp-Verleger Unseld galt als grosser Liebhaber der Schweiz und der Schweizer Literatur.
Unseld leitete den Verlag seit 1959 und prägte mit einem intellektuell und künstlerisch anspruchsvollen Programm das geistige Leben des deutschsprachigen Raums. Unter den von ihm geförderten und verlegten Autoren sind Max Frisch, Martin Walser, Peter Handke, Rainald Goetz, Peter Weiss und Thomas Bernhard.
Eine Herzattacke und andere gesundheitliche Komplikationen hatten den Verleger in diesem Sommer zum Rückzug aus dem aktiven Verlags-Geschehen gezwungen. Die letzte Frankfurter Buchmesse fand ohne ihn statt. Fast bis zum Schluss hat er alle wichtigen Entscheidungen im Verlag selbst getroffen.
Unseld und die Schweiz
Der Winterthurer Peter Reinhart unterstützte 1950/51 die Gründung des Suhrkamp-Verlags finanziell. Ein Jahr später machte der schweizerisch-deutsche Nobelpreisträger Hermann Hesse Siegfried Unseld mit Peter Suhrkamp bekannt.
Max Frischs «Tagebuch 1916-1949» war 1952 eine der ersten Publikationen, die Unseld betreute und der Beginn einer langen Freundschaft mit dem Schweizer Autor. Frischs «Homo Faber» ist mit einer Auflage von 3,5 Millionen Exemplaren das meistverkaufte Suhrkamp-Buch.
Siegfried Unseld hat rechtzeitig dafür gesorgt, dass weiterhin Schweizer Literatur im Suhrkamp-Verlag erscheint. Im Stiftungsrat der im Juni gegründeten Familienstiftung sitzt unter anderen Adolf Muschg.
Vorliebe für Schweizer Literatur
Unseld hatte bis zuletzt auch eine besondere Vorliebe für die Schweizer Literatur und förderte unter anderen die jungen Autoren Gion Mathias Cavelty, Peter Weber und Lukas Bärfuss.
Auch auf der Backlist weist kein anderer Verlag soviele bedeutende Schweizer Autoren aus wie Suhrkamp: von Peter Bichsel über Adolf Muschg, Paul Nizon, Erica Pedretti, Jörg Steiner, Gertrud Leutenegger bis zu Urs Faes.
Projekt «Suhrkamp Schweiz»
«Ohne Siegfried Unseld wäre die Schweizer Literatur des 20. Jahrhunderts nicht geworden, was sie ist», sagt Charles Linsmayer. Der Publizist und «Bund»-Redaktor, der 1989/90 für Suhrkamp die «Weisse Reihe Schweiz» herausgab, erinnert auch daran, dass Unseld 1975 einen Schweizer Verlagszweig gründen wollte.
Das Projekt «Suhrkamp Schweiz» kam unter anderem deshalb zum Erliegen, weil Unseld sich weigerte, linke Bücher wie Meienbergs «Reportagen aus der Schweiz» oder die später im Limmat-Verlag publizierte Dokumentation «Schweizerische Arbeiterbewegung» (von einem Autorenkollektiv, dem u.a. Josef Estermann angehörte) herauszubringen.
swissinfo und Agenturen
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch