Deutschsprachige Filme zu Gast in Zürich
Zu seinem fünfjährigen Jubiläum setzt das Film Festival in Zürich einen neuen Schwerpunkt. Zum ersten Mal findet ein Wettbewerb für deutschsprachige Filme statt. Damit soll nicht nur die Produktion, sondern auch die Zusammenarbeit gefördert werden.
«Wir wollten für das deutschschweizerische, österreichische und deutsche Filmschaffen, was ja zumindest sprachlich unser Heimmarkt ist, eine geeignete Plattform finden, um junge Talente zu fördern», erklärt Karl Spoerri, Co-Festivalleiter.
«In einem Wettbewerb für internationale Filme ist es nicht möglich, acht Filme aus dem deutschsprachigen Raum zu zeigen, sonst wäre er ja nicht mehr international. Deswegen haben wir uns entschieden, eine eigene Wettbewerbssektion einzuführen», sagt Spoerri gegenüber swissinfo.ch.
Mit dieser Plattform will die Festivalleitung nicht nur das Filmschaffen fördern, sondern auch Möglichkeiten für Begegnungen bieten. So zum Beispiel an einem Forum für Produzenten aus der Schweiz, Deutschland und Österreich, wo Kontakte geknüpft sowie Projekte vorgestellt und diskutiert werden.
Für Markus Welter, der mit seinem Film Im Sog der Nacht am Wettbewerb teilnimmt, bietet die deutschsprachige Kategorie die Möglichkeit, das Filmschaffen der Nachbarländer besser kennen zu lernen. «Denn man bekommt doch eher wenig mit, was in den anderen Ländern läuft», sagt er gegenüber swissinfo.ch.
Die deutsche Sprache und ihre Dialekte
«Deutschsprachige Filme sind uns auch näher, denn bei internationalen Filmen ist man vielleicht zu sehr auf die Untertitel oder die Eindrücke des anderen Landes konzentriert», erklärt Welter.
Für den Regisseur, der in Bonn geboren ist und seit vielen Jahren in der Schweiz lebt, ist der gleiche Ursprung der deutschen Sprachen verbindend. «Und trotzdem haben alle ihre Dialekte: die Deutschen, die Österreicher und die Schweizer», sagt der Filmemacher.
Doch sei die Haltung gegenüber den Dialekten nicht in allen Ländern gleich: «In der Schweiz ist es so, dass jeder, bis hin zum Bundesrat, Mundart spricht. Das ist normal. Eine mundartsprechende Rolle in einem deutschen Film wird jedoch als Tölpel oder Bauernbub wahrgenommen.»
Aus diesem Grund gibt es den Film Im Sog der Nacht in zwei Versionen: diejenige für die Schweiz ist in Dialekt gesprochen, die für Deutschland ist komplett auf hochdeutsch synchronisiert.
Zusammenarbeit aus der Not
«Mit dem Wettbewerb wollen wir auch die Co-Produktionen zwischen den Ländern fördern», erklärt Festivalleiter Spoerri. Er sieht noch viel Potential in der Zusammenarbeit zwischen österreichischen, deutschen und schweizerischen Kollegen, deshalb werde es nächstes Jahr wieder einen deutschsprachigen Spielfilmwettbewerb geben.
Der Film von Welter ist eine Co-Produktion zwischen der Schweiz und Deutschland. Diese Zusammenarbeit ist allerdings eher aus der Not als aus der Tugend geboren, wie der Regisseur erklärt. «Der Film wurde deshalb co-produziert, weil man für dieses Genre in der Schweiz nicht genügend Geld auftreiben konnte.»
«Die Zürcher Filmstiftung, das Schweizer Fernsehen und einige Verleiher haben uns zwar unterstützt. Das war aber gerade zu wenig Geld, um einen Film herstellen zu können und zu viel, um ihn fallen zu lassen.»
Zuerst habe man eine Kooperation mit Österreich angestrebt. «Dort war man sehr euphorisch und zuversichtlich, dass uns die nötigen Gelder zugesprochen werden. 15 Tage vor Drehbeginn erfuhren wird dann aber, dass wir doch keine Unterstützung erhalten», erzählt Welter.
Dank zwei jungen Produzenten aus Köln sei schliesslich die Zusammenarbeit mit Deutschland entstanden, wie zum Beispiel mit der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MFG).
Freud und Leid der Co-Produktion
«Eine Co-Produktion hat gute aber auch schlechte Seiten», sagt der Filmemacher. «Die Geldgeber stellten personelle Forderungen. Bei der MFG waren die Gelder an Posten gebunden, die durch Abgänger der Filmakademie Baden-Württemberg zu besetzen waren.»
Deshalb konnten einige langjährige Freunde von Welter nicht mitwirken. Denn durch den Co-Produzenten-Vertrag wird ganz klar geregelt, welche Posten durch Deutsche und welche durch Schweizer zu besetzen sind. Ein Punktesystem regelt das Verhältnis.
«Daraus hat sich ergeben, dass in meinem Film der Drehbuchautor ein Schweizer, der Kameramann ein Deutscher, der Musiker wieder ein Schweizer ist usw.», erklärt Welter.
Eine Co-Produktion wirke sich aber auch auf das Drehbuch aus. Wäre der Film zusammen mit Österreich produziert, hätte die Flucht der Bankräuber im Film dort geendet. «Jetzt endet sie in Deutschland in Baden-Württemberg. Das war die Forderung der MFG.»
Trotz dieser Bedingungen, die nicht ganz der künstlerischen Freiheit entsprechen, würde Welter sofort wieder einer Kooperation zustimmen. «Denn durch neue Kräfte und Gesichter wird man dazu provoziert, neu zu denken.»
Zudem könne das Filmland Schweiz vom grossen Nachbar profitieren und umgekehrt. «Wir sprechen zwar die gleiche Sprache, bringen aber doch einen neuen Blick auf das Leben im anderen Land.»
Sandra Grizelj, swissinfo.ch
Vom 24. September bis 5. Oktober werden am 5. Zurich Film Festival dreissig Filme gezeigt, darunter zehn Weltpremieren.
In drei Kategorien werden die besten Filme ausgezeichnet: 13 Filme im «Internationalen Spielfilmwettbewerb», neun im «Internationalen Dokumentarfilmwettbewerb» und acht im «Deutschsprachigen Spielfilmwettbewerb».
Der Ehrenpreis hätte dieses Jahr an Roman Polanski gehen sollen. Wegen seiner Festnahme wurde die Übergabe aber auf unbestimmte Zeit verschoben. In einer Retrospektive werden seine wichtigsten Filme gezeigt.
Der amerikanische Schauspieler Morgan Freeman erhält den «Golden Icon Award».
Gastland ist Argentinien. In der Reihe «Neue Welt Sicht» werden argentinische Spielfilme gezeigt. Die Internationalen Kurzfilmtage Winterthur präsentieren zudem einen argentinischen Kurzfilmblock.
In der Reihe «onedotzero_ch» werden ausserdem digitale Filme (Musikvideos und Kurzfilme) von jungen Schweizer Künstlern gezeigt.
Im Wettbewerb für deutschsprachige Spielfilme treten acht Filme gegeneinander an: vier Filme aus Deutschland, je einer aus Österreich und der Schweiz und zwei Co-Produktionen zwischen der Schweiz und Deutschland.
Das dominierende Thema in den Filmen ist die Suche nach sich selbst. Die deutschsprachigen Filmemacher werfen Fragen auf wie ‹Wer bin ich?› oder ‹Ist meine Existenz bedeutend?›
Der Wettbewerb zeigt junges Kino: alle Protagonisten in den acht Filmen sind zwischen zwanzig und dreissig.
Die Jury bilden der deutsche Filmemacher Til Schweiger, der Produzent Henning Molfenter, der zahlreiche internationale Filme produziert hat, und der Schweizer Musiker Niki Reiser.
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