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Deutschtum im Wallis

Die deutschsprachige Gemeinschaft von Sitten ist gut vernetzt - auf dem Bild: Schloss Tourbillon bei Sitten. Keystone

Vor mehr als 50 Jahren gegen die "Verwelschung" des Wallis gegründet, setzt sich der Rottenbund für den Schutz des Deutschtums im zweisprachigen Kanton ein. Die deutschsprachige Minderheit fühlt sich auch heute noch unter Druck.

Auf Konfrontationskurs mit den Compatriotes will Obmann Bernhard Truffer nicht gehen. Man wolle aber etwas für die deutsche Sprache und Kultur tun, «ohne gegen den welschen Kantonsteil eine feindselige Stimmung zu erwecken», wie es bereits im Protokoll der Gründungsversammlung vom 21. Oktober 1948 hiess.

War es damals die Nicht-Wahl eines Oberwallisers ans Kantonsgericht, die zur Gründung des Rottenbundes (Rotten: altdeutsche Bezeichnung für Rhone) führte, sind es heute «kleine Dinge, die die Leute aufregen». Etwa, wenn im Oberwallis ein Anruf bei der Auskunft 111 mit «Renseignement, vous désirez?» quittiert wird.

Sprachgrenze unter Druck

Für Rottenbund-Obmann Truffer ist klar: «Die Sprachgrenze rückt wieder stärker gegen das Oberwallis.» Vor allem in der Hauptstadt Sitten, die früher zweisprachig gewesen sei, verliere das Deutschtum stark an Boden, sagt der pensionierte Kantonsarchivar, der im Unterwalliser Weindorf Uvrier bei Sitten wohnt.

Eine der Ursachen sieht Truffer in der steigenden Mobilität. Viele Oberwalliser, die in Sitten arbeiteten, kehrten abends ennet die Sprachgrenze zurück. Anfangs der 60-er Jahre habe es in der Hauptstadt noch drei deutsch-sprachige Gemeinderäte gegeben, heute sei Sitten eine welsche Stadt.

Schlechte Übersetzungen

Rund ein Viertel der Walliser Bevölkerung lebt im Oberwallis, auf dem ganzen Kantonsgebiet machen die deutschsprachigen Walliser knapp einen Drittel aus. Die Minderheit fühlt sich von der welschen Mehrheit nicht immer verstanden, etwa dann, wenn sie mit mangelhaften Übersetzungen amtlicher Dokumente konfrontiert ist.

Im Gegensatz zu den zweisprachigen Kantonen Bern und Freiburg kennt die Walliser Kantonsverwaltung keinen professionellen und zentral organisierten Übersetzungsdienst. «Ein echtes Problem», sagt Michel Clavien, Informationschef des Kantons Wallis.

Die oft wortwörtlichen Übersetzungen führen nicht nur zu Stilblüten wie «Lemansee» (statt Genfersee), sondern auch zu Unmut bei den Empfängern. «Die deutsche Sprache sollte von offizieller Seite besser gewürdigt werden», fordert Bernhard Truffer.

Zwei Welten

Die mangelhafte Übersetzungsqualität könne zur Entfremdung beitragen, räumt Staatsrat Thomas Burgener ein. «In Sitten ist das Oberwallis weit weg.» Der in Visp wohnhafte Magistrat pendelt jeden Tag zwischen den Sprachregionen. «Wer nicht französisch spricht, kann im Wallis nicht politisieren, wer nicht deutsch spricht, hingegen schon».

Zwar sorgen im Grossen Rat Dolmetscher für eine Simultanübersetzung. In den Kommissionen wird hingegen ausschliesslich in französischer Sprache verhandelt. Burgener verweist aber auch auf Bemühungen, die Zweisprachigkeit im Kanton etwa mit der Einrichtung von Bilingue-Klassen zu fördern.

Deutschschule im Aufwind

Zur Zeit besuchen rund 180 Schülerinnen und Schüler die Primar-, Real- und Sekundarklassen der deutschen Schule. In den letzten Jahren sind die Schülerzahlen stetig gestiegen. Fast alle Kinder stammen aus zweisprachigen Haushalten, sagt Schulkommissions-Präsidentin Brigitte Moix-Pfiffner.

Die Zusammensetzung der Klassen ist sehr homogen: unter den Eltern finden sich kaum Ausländer noch solche, «bei denen Arbeitslosigkeit ein Thema ist». Ganz im Gegensatz zu den städtisch geprägten Klassen der französisch-sprachigen Mehrheit. «Die Welschen sehen uns deshalb als bevorzugt an», sagt Moix-Pfiffner.

Die heile Welt findet sie aber nicht nur ideal: «Die Kinder könnten von anderen Kulturen profitieren», sagt die mit einem Unterwalliser verheiratete, mittlerweile zweisprachige Ostschweizerin. Bevor sie vor vier Jahren mit ihrem Mann nach Sitten zog, hatte sie bereits in der Westschweiz gelebt.

Stark vernetzte Gemeinschaft

Vor 17 Jahren aus dem Oberwallis in die Hauptstadt umgezogen ist Camilla Zanella, deren Kinder die deutschsprachige Schule besuchen. Ihr Mann, ebenfalls ein Oberwalliser, arbeitet schon seit 30 Jahren im Unterwallis. Mit ihrem «Hausfrauen-Französisch» stosse sie in Sitten manchmal an Grenzen, sagt Zanella.

Etwa wenn es darum geht, sich bei Behörden mit einem Anliegen durchzusetzen. In solchen Fällen hilft die gute Vernetzung der deutschsprachigen Gemeinschaft in Sitten weiter. Die Vereinsdichte ist mindestens so gross wie im Oberwallis. «Wir würden uns verleugnen, wenn wir unsere Eigenheiten und Sprache nicht auch hier leben würden.»

swissinfo und Agenturen

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