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Die Rückkehr der Emigranten

Die argentinisch-schweizerische Chemielaborantin Bettina Heldner arbeitet sich im Gastgewerbe ein. swissinfo.ch

Von Argentinien zurück ins Wallis: Die 27-jährige Bettina Heldner, Schweiz-Argentinierin der dritten Generation, kehrt die Emigration ihrer Vorfahren um.

Die junge Frau ist in die Schweiz gekommen, um in Naters in einem Hotel zu arbeiten. Sie erhielt diese Möglichkeit dank des persönlichen Engagements einer Konsulin und der Hotelierfrau.

Aufbruch, Emigration. Verbunden damit war die Angst vor dem Sprung ins kalte Wasser. Im Herzen die Eltern, der Bruder, die Schwester, die Freunde und ein Viertel Jahrhundert Lebens, das sie zwischen Las Tunar und der Provinzhauptstadt Santa Fé verbracht hat.

“Es erscheint mir, als ob ich die ähnliche Gefühle und Situationen durchlebe wie mein Grossvater, auch wenn es für mich eine Rückkehr ins Heimatland ist”, erzählt Bettina Heldner im Gespräch mit Swissinfo. “Argentinien ist mein Land und meine Familie. Aber die Schweiz steht für die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.”

Auf den Spuren des Grossvaters

Dieser Satz hat eine besondere Bedeutung. Denn er stammt von einer jungen Schweizerin aus dem Ausland, die Chemielaborantin gelernt hat und aus wirtschaftlicher Notwendigkeit nun als Zimmermädchen tätig ist.

Dass sie diese Arbeit macht, widerspiegelt eine Determination, wie sie schon ihre Vorfahren kannten. Ihr Grossvater hat im Alter von zwei Jahren zusammen mit einer Tante das Walliser Dorf Zeneggen verlassen. Sie suchten in San Jeronimo Norte in der Provinz Santa Fé (Argentinien) ihr Glück.

Ihren Herkunftsort Zeneggen kann Bettina Heldner jetzt bei schönem Wetter täglich sehen. Sie erspäht dieses typische Walliser Dörfchen auf einer Sonnenterasse über dem Rhonetal bei Visp.

Zeneggen retour

Nur wenige Kilometer trennen sie von dem Dorf, das ihr Grossvater nach seiner Emigration nie wieder gesehen hat. Immer noch leben hier Familien mit ihrem Nachnamen: entfernte Verwandte der argentinischen Heldner.

Ihre Rückkehr ins Herkunftsland wurde möglich auf Grund des unermüdlichen Einsatzes der Generalkonsulin Marie Thérese Heldner und der Solidarität der Walliserin Suzanne Imhof, die 1961 das Hotel Touring in Naters gegründet hat.

Den Ausschlag für die Initiative gab ein Bericht im Magazin “10 vor 10” des Schweizer Fernsehens DRS am vergangenen 27.Juni. Es ging um die Schwierigkeiten der Schweizer in Argentinien. Unter den Interview-Partnern war die Schweizer Generalkonsularin Marie Thérese Heldner, eine Jugendfreundin von Suzanne Imhof.

Gelebte Solidarität

Imhof nahm telefonisch Kontakt auf. Details wurden per e-mail geregelt. Schliesslich konnte Bettina Heldner in die Schweiz kommen. Sie hat einen Vertrag für 18 Monate in der Tasche. Die Aussicht auf Arbeit in der Schweiz eröffnete für sie vollkommen neue Perspektiven.

Bettina strahlt heute in ihrem weissen Kittel als Zimmermädchen. “Für mich ist dies eine wahnsinnige Chance. Ich kann Deutsch lernen und mich im Hotelfach ausbilden,” freut sie sich.

Unsicherere Zukunft

Bettina Heldner sieht. – genauso wie die anderen 23 Schweizer Angestellten im Hotel Touring – in ihrem Job keinen beruflichen Abstieg. “Ich habe auch zu Hause immer gerne geputzt, deshalb macht mir diese Arbeit Spass”, sagt sie, während sie den Boden eines Badezimmers blank reibt.

Christian Imhof, der die Leitung des Hotels von seiner Mutter übernommen hat, ist sehr zufrieden mit der Arbeit der Schweiz-Argentinierin. Sie sei für 18 Monate angestellt und dem Gesamtarbeitsvertrag der Branche unterstellt.

Das Beispiel der Initiative von Suzanne Imhof und Marie Thérese Heldner könnte von anderen Unternehmern nachgeahmt werden. Vielleicht liessen sich so weitere Personen wie Bettina Heldner die “Rückkehr ins Vaterland” ermöglichen.

Sergio Regazzoni, swissinfo

(Übersetung: Gerhard Lob)

14’781 Schweizer Bürger sind in den konsularischen Vertretungen Argentiniens registriert
100’000 bis 2 Millionen: Die geschätzte Zahl der Nachkommen von Schweizern in Argentinien
37 Millionen: Einwohner Argentiniens

Die junge Generation der Schweiz-Argentinier wünscht sich eine Rückkehr in die Eidgenossenschaft. Für viele von ihnen stellt die Schweiz die einzige Perspektive dar, um der Wirtschaftskrise in Argentinien zu entfliehen.
Die Vorfahren von Bettina Heldner sind nach Argentien ausgewandert, jetzt hat die Chemielaborantin den umgekehrten Schritt gemacht. Sie arbeitet in einem Hotel in Naters (Wallis)

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