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Fahndung im Stillen

Die 10 gestohlenen Bilder der Kirche von Novazzano (I) im Wert von rund 1 Mio. Franken wurden in Abfallsäcken wieder gefunden. Keystone

Häufig erfährt die Öffentlichkeit nichts davon: Kunstraub ist für alle Betroffenen meist peinlich. Oft sind die Geschädigten auf Diskretion bedacht.

Die Meldung über einen Diebstahl kann dem Ruf schaden, seien die Geprellten nun Privatpersonen, Galerien, Museen, Auktionshäuser oder Versicherungen. Zudem will man ja niemanden zum weiteren Kunstraub animieren, indem man auf sich aufmerksam macht.

Und häufig haben die Diebe ein Problem: Die gestohlenen Preziosen sind schlicht zu bekannt, um überhaupt verkauft werden zu können. Wie zum Beispiel ein am Mittwoch wieder aufgetauchtes Werk von Peter Paul Rubens.

Schwierige Suche

«Es gibt immer mehr Datenbanken mit gestohlenen Kulturgütern», erläutert Andrea Raschèr, Leiter Recht und Internationales im Bundesamt für Kultur, gegenüber swissinfo. «Hier hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan.»

Doch es müsse noch mehr geschehen, um offener über Diebstähle zu informieren. Dieser Forderung schliesst sich auch Roberto Conforti, General der italienischen Carabinieri und verantwortlich für Kunstdelikte, in einem Interview mit dem Zürcher «Tages-Anzeiger» an.

Milliarden-Sammlung

So wurde erst Ende Mai bekannt, dass ein Elsässer Kunstliebhaber bei sich zu Hause eine Sammlung im Wert von über anderthalb Milliarden Franken zusammengestohlen hatte. Nach seiner Festnahme im Herbst 2001 versenkte seine Mutter den Kunstschatz in einem Kanal. Die meisten der gefundenen Bilder wurden während der zwei Monate im Wasser zerstört.

Darunter befanden sich Meisterwerke von Peter Breughel, Lukas Cranach dem Älteren, François Boucher und Peter Jacobsz Codde. Zu den zerstörten Gegenständen dürfte auch eine Geige aus dem 17. Jahrhundert zählen, die der Dieb 1996 aus dem Basler Historischen Museum gestohlen hatte.

Kirchen gefährdet

Das illegale Geschäft mit Kunstwerken steht nach Drogen- und Waffenhandel weltweit an dritter Stelle. Da heute die meisten Museen ihre wertvollen Werke schützen, werden hauptsächlich ungeschützte Kirchen und Kapellen von Kunstdieben heimgesucht.

So haben Unbekannte Täter im Februar 2002 aus der Nationalkirche der deutschen Katholiken in Rom, Santa Maria dell’Anima, fünf Bilder alter flämischer Meister gestohlen. Davor hatte es ähnliche Einbrüche im polnischen Kolleg in Rom sowie in der Kapelle der Gregoriana-Universität gegeben.

Im Elsass hat ein ausserordentlich sachverständiger Bücherdieb eine berühmte Klosterbibliothek ausgeräumt. Laut Justizbehörden schaffte der 32-Jährige innerhalb von zwei Jahren mehr als tausend wertvolle religiöse Bücher aus der Klosterkirche vom Mont Sainte-Odile.

Veröffentlichtes Geheimnis

Der Dieb war jeweils über einen Geheimgang und eine Strickleiter in die Bibliothek im ersten Stock des altehrwürdigen Bauwerkes gelangt. Von dem Geheimgang hatte er in einer Fachzeitschrift der Strassburger Uni gelesen.

Die gestohlenen Bücher, darunter unschätzbar wertvolle aus der Frühzeit des Buchdrucks, hat die Polizei unversehrt in der Privatbibliothek des Diebes bei Strassburg gefunden.

Diebesgut beschädigt

Nicht alle gestohlenen Gegenstände werden mit Liebe weitergepflegt. So haben Berliner Kunsträuber ein Bild zerschnitten, möglicherweise, um damit die Versicherung zu erpressen. Die Restauration eines derart beschädigten Bildes ist teuer.

In einer Madrider Barackensiedlung fand die Polizei 1997 ein Ölbild von Alonso Canos. Das Bild «der heilige Johannes» war durch die schlechte Lagerung stark beschädigt.

Vor einigen Jahren hat ein Dieb in Zürich einen Hodler von etwa 60×90 Zentimetern aus dem Rahmen geschnitten, ihn auf Postkartengrösse zusammengefaltet und in die Jackentasche gesteckt. Das Bild wurde später gefunden, es ist heute praktisch wertlos.

Grosse Meister finden zurück

Am letzten Mittwoch ist ein vor 16 Jahren in Irland gestohlenes Gemälde von Peter Paul Rubens wieder aufgetaucht. Es gehört zu 18 Meisterstücken, die 1986 in einem Raubüberfall auf die Beit-Sammlung erbeutet wurden, eine der berühmtesten privaten Sammlungen der Welt. Doch die Diebe konnten kein einziges der bekannten Gemälde verkaufen.

Erst vorletzten Freitag ist ein gestohlenes Gemälde von Pablo Picasso neun Jahre nach dem Diebstahl in Frankreich wieder gefunden worden. Das kleine Ölbild «Kreuz Ass» aus dem Jahr 1914 war 1993 aus einer Kunstgalerie in Genf entwendet worden. Die Polizei entdeckte das Bild im geschätzten Wert von mehr als 750 000 Franken in einem Lagerraum bei Lyon.

Und jüngst konnte ein Chagall-Gemälde, das im vergangenen Jahr aus dem Jüdischen Museum in New York gestohlen wurde, in das Russische Museum nach St. Petersburg zurückgebracht werden. Es war im Februar als unzustellbares Paket in einem Postamt im US-Staat Kansas entdeckt worden.

Doch oft fehlt von den gestohlenen Bildern und Gegenständen jede Spur. Sei es, dass sie in Privatsammlungen verschwinden, oder dass die Diebe sie nicht verkaufen können, weil die Gemälde oder Skulpturen schlicht zu bekannt sind. Der Fall Rubens hat es erneut bewiesen.

Christian Raaflaub

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