Gestärktes Schweiz-Image in Shanghai
Die Weltausstellung hat ihre Tore geschlossen. In den sechs Monaten zählte sie mehr als 72 Mio. Besucher. Der Anlass schlug alle Rekorde, egal ob Kosten, Gigantismus, Überfluss und Besucherzahl. Auch die Schweiz hinterliess in China ihre Spuren.
Nur zögernd liess sich im vergangenen Mai Aussenministerin Micheline Calmy-Rey überzeugen, zu Beginn der Expo auf die Sesselbahn zu steigen, die über das Dach des Schweizer Pavillons führte.
Damals löste ihr Zögern Lächeln aus – heute jedoch zeigt sich, dass ihre Skepsis nicht ganz unberechtigt war.
Hatte sie eine Intuition, eine Vorahnung, einen Verdacht – ahnte sie bereits, dass sich rund zwei Monate später auf dieser Sesselbahn eine chinesische Besucherin verletzten würde?
Von den drei Bundesräten, die die Expo besuchten, bliebt sie jedenfalls die einzige, die den Sessellift wirklich testen konnte.
«Rund 45% der Zeit lag er darnieder», konstatiert Pavillon-Direktor Manuel Salchli. Dennoch glaubt er, dass dank der Expo das «Image der Schweiz in China gestärkt» worden sei.
Das werde aber «Präsenz Schweiz», die das Projekt geleitet hat, nicht davon abhalten, für diese schlecht laufende Installation eine Kompensation zu verlangen.
«Man hat uns nicht das geliefert, was wir bestellt hatten», so Salchli. Ab November werde «Präsenz Schweiz» mit dem Generalunternehmer Nüssli über Schadenersatz-Forderungen sprechen. Dieser hatte den Pavillon schlüsselfertig geliefert.
Für Nüssli hat «das Schweiz-Image in keiner Weise durch die Unterbrechungen gelitten, obschon sie sicher ärgerlich und bedauerlich» gewesen seien.
So denken auch die wichtigsten Sponsoren des Pavillons: Der Zementriese Holcim, der zwei Millionen Franken in das Projekt investiert hat, glaubt, durch die Pannen nicht gelitten zu haben. Alles im allem habe das schlechte Funktionieren das Image nicht gross geschmälert, denn «zuletzt ging ja alles wieder wie es sollte».
«Schweiz Tourismus»-Sprecherin Véronique Kanel hält fest, dass «das Interesse der Chinesen für die Schweiz gleich geblieben ist – trotz Sesselliftpanne». In der Presse habe es kein negatives Echo gegeben.
Entgegenkommen
Die chinesischen Medien verhielten sich entgegenkommend, sie waren gebeten worden, nur die positiven Meldungen zu übermitteln. So geriet der Schweizer Pavillon oft in die Schlagzeilen, immer mit Lob verbunden.
Die Presse-Agentur China News platzierte den Pavillon unter die ersten zehn, was auch die Besucherzahlen bestätigen: Beinahe 2,8 Mio. Besucherinnen und Besucher – wobei es wohl mehr gewesen wären, wenn der Sessellift funktioniert hätte.
Für «Schweiz Tourismus» war die Expo eine «einmalige Gelegenheit, mit dem breiten chinesischen Publikum direkt zu kommunizieren», inklusive aller entsprechenden Promotionsaktivitäten.
«Wir konnten über zehn Millionen Personen erreichen. Kurz: Eine einmalige Gelegenheit, den Chinesen die Lust auf die Schweiz näherzubringen», so Kanel.
Ein weiterer Gross-Sponsor, der Uhrenhersteller Swatch, ist ebenfalls zufrieden. Laut Nick Hayek hat die im Pavillon verkaufte Swatch-Uhr einen grossen Erfolg gehabt – die Verkaufszahlen seien positiv.
«Präsenz Schweiz» wird im Frühling die Abschlussbilanz von Shanghai veröffentlichen. Basieren wird sie auf zwei Befragungen, unter den Besuchern einerseits und unter den Untermietern des VIP-Salons andererseits.
Unterdessen wird das Design des Schweizer Pavillons respektive das Recht für einen möglichen Wiederaufbau zu einem Mindestpreis von einer Million Franken ausgeschrieben.
«Mindestens drei grosse Städte haben bereits ihr Interesse angemeldet, den Pavillon bei sich aufzubauen», weiss Salchli. Das Budget, 25 Mio. Franken, sei eingehalten worden. Der Verkauf der 7000 Solarzellen der Aussenfassade des Pavillons würden, wie auch die Baupläne, weitere Einnahmen generieren.
Schweizer Städte zufrieden
Auch im Städtepavillon geben sich Zürich, Basel und Genf zufrieden, wenn auch etwas diskreter. «Der Auftritt ist gelungen, trotz der Komplexität und der Neuartigkeit dieses Projekts», sagt Virginie Todeschini, Projektleiterin für Genf.
Denn es ist das erste Mal, dass Schweizer Städte an einer Weltausstellung teilgenommen haben. Die drei Städte jedenfalls seien glücklich, die Beziehungen zu den chinesischen Behörden gestärkt zu haben.
Das Städteprojekt geht auf den Genfer Exekutiv-Politiker Manuel Tornare zurück. Tornare habe zahlreiche Genfer Unternehmer getroffen, die ihm gegenüber gesagt hätten, der Pavillon sei offenbar ein grosser Erfolg gewesen. Und jene, die nicht nach Shanghai geflogen seien, hätten es bereut.
Die Expo 2010 Shanghai stand unter dem Motto «Better City, better Life».
Sie ist die grösste Weltausstellung, die je auf die Beine gestellt worden ist.
Die Expo hat China rund 60 Mrd. Franken gekostet.
Mit über 72 Mio. Besuchern hat sie den bisherigen Rekord gebrochen, den Osaka in Japan 1970 mit 64 Millionen hielt.
2012 wird die kommende Welt-Expo in Yeosu in Südkorea stattfinden. Thema wird sein: «Grünes Wachstum, blaue Wirtschaft», wobei sich blau auf die Meere bezieht.
2015 wird die Expo in Mailand folgen, zum Thema Nahrungsmittel-Sicherheit.
Den Schweizer Pavillon haben drei Bundesräte besucht, mindestens 40 Parlamentarier, zahlreiche kantonale Politiker, Industrielle und Unternehmer, Künstler und Celebrities wie Roger Federer oder Bertrand Piccard.
Weiter kamen einige deutsche Minister, zahlreiche chinesische Minister, Prinzen aus Saudi-Arabien und malayische Politiker zu Besuch.
Übertragung aus dem Französischen: Alexander Künzle
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