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Harald Szeemann – Die Ausstellung als Abenteuer

Harald Szeemann im Juni 2001 vor der Eröffnung der Biennale Venedig. Keystone

Seit 45 Jahren inszeniert der umtriebige Berner Harald Szeemann weltweit Ausstellungen der aussergewöhnlichen Art.

Am Mittwoch (11. Juni) feiert der weltbekannte Kunsthistoriker und Ausstellungsmacher im Tessin seinen 70. Geburtstag.

Eine Ausstellung ist eine Ausstellung ist eine Ausstellung. Gertrude Steins Diktum der Rose, die eine Rose ist und eine Rose ist kann so einfach nicht auf eine Ausstellung übertragen werden.

Oder vielleicht doch? Keiner kennt die Antwort besser als Harald Szeemann, einer der ganz Grossen seines Faches.

Schlüssig wird auch seine Antwort nicht ausfallen, schliesslich heisst das szeemannsche Credo, das jede Ausstellung ein Abenteuer sein muss. Immer neu, immer überraschend, immer Fragen stellend, immer auch der süssgiftigen Anarchie verpflichtet.

Frisch, frech, firm – der Ausstellungsmacher Szeemann

Denn nichts ist so ausgelatscht, wie Ausstellungskonzepte, die sich um die immergleichen Impressionisten, die ewigen Klassiker, die romantischen Romantiker drehen. Alle paar Jahre wieder.

Da heisst es heute Querverbindungen schaffen, in der Geschichte graben, Neues wagen. Mittlerweile haben sich das fast alle Kuratorinnen, alle Ausstellungsmacher zu eigen gemacht.

Denn das Geld in der Kunstbranche fliesst deutlich langsamer. Und die Konkurrenz für die öffentlichen Kunst-Sammlung und Häuser ist mit den grossen Privatmuseen und Sammlungen beträchtlich.

Einer, der das alles schon viel früher – nicht unbedingt wusste – aber instinktsicher und mit der nötigen Portion «Frechfreiheit» ausführte war und ist Harald Szeemann.

Jüngster Kurator der Welt



1933 wurde Harald Szeemann in Bern geboren. Er soll ein «wahnsinnig herziges Kind» gewesen sein, wie er einst einem Interviewer anvertraute. Sicher war er ein aufgewecktes Bürschchen, das schon in seiner gymnasialen Zeit zwischen Bildender Kunst, Musik, Philosophie und Literatur hin und her wanderte.

Nach einem Studium in Bern und an der Sorbonne in Paris wurde ihm 1961 die Leitung der Kunsthalle Bern angeboten. Ein frischer Kunst-Wind muss damals durch die Aarestadt gezogen sein, war doch Harald Szeemann ganze 28 Lenze jung und somit der Welt jüngster Kurator.

Von Anfang an sprengte Szeemann den gängigen Ausstellungsbegriff. Er lotete tiefer aus, verschob Grenzen, spürte den Puls der Zeit lange, bevor die Masse überhaupt wahrnahm, dass etwas Neues im Kunstbusch war.

Chaos und Eros – Kosmos und Kunst

Unermüdlich trieb und treibt ihn seine Neugier an. Er will wissen was das Ding im Innersten zusammen hält. Und er weiss, das Ding ist grösser als alles, was wir uns vorstellen können. Und gerade deswegen so anziehend, so spannend.

Und nie nur eindimensional. Chaos und Eros, Amore und Anarchie, Kosmos und Kunst. Alles bedingt Alles und Nichts.

1968 verhüllte Christo die Berner Kunsthalle. Damit realisierte Szeemann das erste Grossprojekt des Verhüllungskünstlers. Damals, als noch niemand auch nur ahnte, dass Christo dereinst in Basel Kirschbäume und später den ganzen Berliner Reichstag verhüllen würde.

Klar, dass Harald Szeemann nicht immer geliebt und gehätschelt wurde. Einer der Grenzen überschreitet, sie oftmals gar nicht anerkennt, der viel Liebe und Verständnis für die Spreu und weniger für den Weizen hatte/hat, wird zwangsläufig nicht von allen verstanden. Oftmals auch nicht von Kunstsachverständigen.

Doch unaufhörlich war sein Aufstieg in die erste Liga der Ausstellungsmacher. 1972 hinterliess er an der documenta 5, deren künstlerischer Leiter er war, unauslöschliche Eindrücke.

Provokateur und Kreateur

1992 bescherte Szeemann der Schweiz fast einen Herzinfarkt als Ben Vautiers Parole «la suisse n’existe pas» im Schweizer Pavillon der Weltausstellung gierig von der Presse aufgenommen wurde. Endlich einmal keine Kühe und kein Käse und kein Geld. Dafür Selbstironie und Kreativität.

Nun, die Schweiz brauchte dann doch keinen Herzschrittmacher und seit damals wissen einige mehr, dass die Schweizer und Schweizerinnen doch nicht so simpel gestrickt sind, wie sich sich selber gerne verkaufen.

Im Expo-Jahr 2002, dem Jahr der Schweizer Landesausstellung, ist Harald Szeemann so weit arriviert, dass er selbst Geld verschreddern lassen kann.

Das gefällt zwar nicht allen, aber so richtig aufzuregen vermag sich niemand mehr. «The times they are a-changing».

Kunst fürs Volk

Längst gehört Szeemann zu den Königsmachern. Junge und unbekannte Künstler und Künstlerinnen, die es in eines seiner Ausstellungskonzepte schaffen, haben in der Regel den Sprung in die globale Kunstliga geschafft. Das da manchmal auch böses Blut und Neid mit im Spiel sind, gehört zum Business as usual.

Im weiteren hat der clevere Berner, der heute im Tessin lebt unzählige Ausstellungen auf der ganzen Welt realisiert. Er hat die Biennale in Venedig entstaubt und wieder auf Kunstkurs gebracht.

Er hat – und das ist sein grösster Verdienst – die Kunst unters Volk gebracht. Und, und, und. Eine Ausstellung ist eine Ausstellung ist eine Ausstellung.

Noch sind die Obsessionen des anarchischen Humanisten Harald Szeemann nicht erschöpft. Hoffentlich noch lange nicht.

swissinfo, Brigitta Javurek

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