Historische Hotels als Kulturgut bewahren
Mit einem auf der St. Petersinsel vorgestellten Hotel- und Restaurantführer sollen die historischen Herbergen und Gaststätten der Schweiz aufgewertet werden. Ein nationales Archiv wird die Tourismus-Erinnerungen aufnehmen.
Wenn man sich mit dem Schiff auf dem Bielersee der St. Petersinsel nähert, sieht man schon von weitem das alte Kloster, das mit den Jahren in ein Restaurant und Hotel umgebaut wurde. Seine Jahrhunderte alten Mauern widerhallen die Stimmen der Touristen, welche die Ruhe und den Zauber des Ortes geniessen. Der Sonnenuntergang bringt die Stille, die diesen Ort mit seiner Geschichte verbindet.
«An keinem anderen Ort fühle ich mich wirklich derart glücklich wie auf der St. Petersinsel, in der Mitte des Bielersees; an keinen anderen Aufenthalt erinnere ich mich mit so süsser Wehmut», schrieb Jean-Jacques Rousseau über seinen kurzen Aufenthalt auf der Insel im Jahr 1765.
Die alte Residenz des berühmten Philosophen ist mittlerweile zum «Historischen Hotel des Jahres 2010» gekürt worden. Die Auszeichnung erhielt das Hotel von der Landesgruppe Schweiz des Internationalen Rates für Denkmalpflege (ICOMOS) in Zusammenarbeit mit GastroSuisse, hotelleriesuisse, dem Unternehmerverband der Schweizer Hoteliers, sowie Schweiz Tourismus.
Ein Preis für die Wahrung der Hotelkultur
Peter Omachen vom Denkmalschutz des Kantons Obwalden und Präsident der Schweizer ICOMOS-Jury erläutert den Zweck der Auszeichnung: «ICOMOS versucht, bei den Besitzern und Verwaltern den Willen fördern, ein historisches Hotel oder Restaurant zu erhalten.» Damit soll die Wichtigkeit der Bewahrung auch bei einem breiten Publikum gefördert werden, sagt Omachen gegenüber swissinfo.ch.
Die Schweizer ICOMOS-Sektion wurde 1993 gegründet, um zu verhindern, dass in der Belle Epoque gebaute Hotels nicht abgebrochen oder nach rein kommerziellen Kriterien renoviert werden. Zwei Jahre später, 1995, sei aus Gesprächen zwischen Akteuren in den Bereichen Tourismus, Hotellerie und Denkmalpflege die Idee einer Preisvergabe für das «Historische Restaurant oder Hotel des Jahres» entstanden, erklärt Omachen.
Laut den Autoren des Hotel- und Restaurantführers bekundeten die historischen Hotels und Restaurants reges Interesse für das Projekt. Mit ihrer touristischen Vergangenheit hat die Schweiz in diesem Bereich ein Potenzial, das noch zu entdecken ist. Viele Hotels entstanden im 19. oder zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Schweiz ein privilegiertes touristisches Ziel war.
Nationales Tourismus-Archiv
Auch Schweiz Tourismus setzt auf die Aufwertung und Kommerzialisierung des Hotel-Kulturgutes in unserem Land. «Die Zahl der Gäste steigt, die authentische Erfahrungen in einem einzigartigen historischen Kontext suchen. Das ist eine sehr interessante Marktnische, betont Christoph Juen, Direktor von hotelleriesuisse (Schweizerischer Hotelierverband), gegenüber swissinfo.ch.
Mit einem nationalen Hotel-Archiv soll verhindert werden, dass das historische Erbe verschwindet. Mit diesem Projekt sollen die Dokumente der Geschichte des Tourismus in der Schweiz gesammelt und bewahrt werden. Das Archiv soll im weiteren als Plattform dienen für Forschung und Ausbildung.
«Damit trägt hotelleriesuisse zur Bewahrung des geschichtlichen und kulturellen Erbes von Tourismus und Hotellerie bei. Es gibt keine Zukunft ohne Vergangenheit», so Christoph Juen.
Eine gelungene Renovation
In den Räumen des Klosterhotels auf der St. Petersinsel lebt man auf einer Art Pendel der Emotionen, in einem Spiel zwischen gestern und heute. Die kürzlich erfolgte Restaurierung des Hotels und Restaurants lässt beim Gast eine raffinierte Mischung zwischen Antike und Moderne zurück.
«Das ist ein zauberhafter Ort. Ein Ort zwischen Himmel und Wasser. Hier erlebt man die Geschichte der letzten 1000 Jahre», sagt Daniel Schüpfer gegenüber swsissinfo.ch.
Zusammen mit Denise Mani ist er Geschäftsführer des Hotels St. Petersinsel. 1972 wurde die Insel im Bielersee zum Naturschutzgebiet erklärt, und heute erleben wir eine Kombination von intakter Natur mit einem ausgezeichneten Hotel- und Gastronomie-Angebot.
Daniel Schüpfer strahlt: «Wir sind sehr stolz auf die ICOMOS-Auszeichnung. Das heisst, dass unsere Arbeit anerkannt wird. Wir wurden von einer Jury von Profis in dem Bereich prämiert.»
Nach einer ersten Renovation in den 80er-Jahren folgte in den letzten zwei Jahren eine weitere wichtige Restauration. Laut den Autoren des Führers «Historische Hotels und Restaurants in der Schweiz» handelt es sich um eine geglückte Renovation, weil diese dem Gast ermögliche, die verschiedenen Entwicklungsphasen der Struktur leicht zu erkennen. Die magische Aura des Ortes und die Erwartungen des Gastes verschmelzen sich harmonisch.
Luca Beti, St. Petersinsel, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Italienischen: Jean-Michel Berthoud)
Die St. Petersinsel befindet sich im Bielersee, Kanton Bern.
Nach der ersten Juragewässer-Korrektion zwischen 1868 und 1890 in der Region des Neuenburger-, Bieler- und Murtensees und dem daraus entstandenen Absinken der Wasserspiegel wurde die St. Petersinsel zu einer Halbinsel.
1972 wurde sie zum Naturschutzgebiet erklärt. Auf der Halbinsel gibt es Sümpfe und Vorland, an den Ufern wächst dichtes Schilf. Ein optimaler Lebensraum für zahlreiche Fisch- und Vogel-Arten.
Die St. Petersinsel wurde in der Antike von den Römern benutzt. Um 1127 wurde dort ein Kloster errichtet, das heute in ein Restaurant umgebaut ist und eigenen Wein produziert.
Der Internationale Rat für Denkmalpflege (ICOMOS) ist eine Nichtregierungs-Organisation (NGO) und wurde 1965 gegründet.
Er setzt sich für die Erhaltung von historischen Monumenten und Weltkulturbauten ein. Zudem sammelt er Informationen und Restaurierungs-Techniken. Weiter bringt er hochqualifizierte Spezialisten zusammen, die für die NGO arbeiten.
Der internationale ICOMOS-Sitz befindet sich in Paris.
Die Schweizer Sektion wurde 1993 gegründet. Seit 1996 verleiht sie den Preis «Historisches Hotel des Jahres».
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