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Kleinbrauerei trotzt Krise und Biergiganten

In diesen mittelalterlichen Liegenschaften wird das "Ueli-Bier" gebraut. Keystone

Meldungen über Umsatzeinbussen gehören seit Wochen zum Alltag. Aufmerksamkeit zieht auf sich, wer derzeit gute Geschäfte macht, wie zum Beispiel die Kleinbrauerei Fischerstube in Kleinbasel. Mit immer neuen Ideen trotzt sie auch den grossen Brauereien.

Die weltweite Rezession hinterlässt ihre Spuren auch in der Schweizer Wirtschaft. In den Medien erscheinen täglich Meldungen über Kurzarbeit, Stellenabbau oder Firmenschliessungen. «Wir spüren gar nichts davon», sagt hingegen Anita Treml Nidecker, Geschäftsleiterin der Kleinbrauerei Fischerstube, besser bekannt als Herstellerin des Ueli-Biers. Der Name steht im Zusammenhang mit der Kleinbasler Tradition um den «Wilden Mann» und den «Vogel Gryff».

«Wir verzeichnen immer noch ein starkes Wachstum», sagt Treml Nidecker.
«Aber das kann sich vielleicht ändern, wenn die Kaufkraft wirklich abnimmt. Denn unser Bier ist natürlich etwas teurer als industriell hergestelltes. Wir haben einen sehr strengen Sommer. Trotzdem versuchen wir innovativ zu sein und im Gespräch zu bleiben. Wir ruhen uns nicht auf unserem Erfolg aus.»

Das Bier wird unweit des Rheins in zwei mittelalterlichen Liegenschaften gebraut. Diese befinden sich in der Altstadt von Basel, genauer in Kleinbasel, dem rechtsrheinischen Teil der Stadt.

Die einzelnen Produktions- und Lagerräume sind auf die nebeneinander liegenden Häuser aufgeteilt. Die Gänge sind schmal und die Räume klein. Der Duft des Biers liegt überall in der Luft.

Viel Erfolg im Kleinen

Sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter helfen auf engstem Raum mit, jährlich 2400 Hektoliter Bier zu produzieren. Auch Lehrlinge werden hier ausgebildet.

Die Brauerei habe schon einige Erfolge zu verzeichnen: Sie sei die erste in der Schweiz gewesen, die Weizenbier im Offenausschank anbot. «Wir haben immer wieder eine Vorreiterrolle gespielt», sagt die Geschäftsführerin überzeugt.

So sei etwa die Idee, eine Zwei-Liter-Karaffe zum Verkauf anzubieten, neu gewesen. «Der Verkauf in der Karaffe ist eine alte bayrische Biertradition. So können die Leute frisches Bier zu Hause geniessen», sagt sie, denn bis vor fünf Jahren habe die Brauerei kein Flaschenbier produziert.

Wichtig für den Erfolg sei auch die Vielfalt: «Wir bieten naturtrübe Biere an, die im Gründungsjahr 1974 noch völlig verpönt waren. Daneben führen wir aber auch Dunkles, Weizen-, Lager- und Spezial-Bier. Für eine Kleinbrauerei ist das eine grosse Leistung», sagt die Geschäftsleiterin.

Gegen das grosse Bierkartell

Vielleicht rührt der anhaltende Erfolg auch daher, dass die Kleinbrauerei aus einer Krise entstanden ist. Sie wurde in einer Zeit gegründet, als in der Schweiz noch das Bierkartell herrschte.

Dieses schrieb den Restaurants vor, welche Biermarke sie auszuschenken hatten. Der Gründer der Brauerei, Jakob Nidecker, wehrte sich gegen diese Vorgabe, wie die heutige Leiterin und Schwiegertochter des Gründers, erzählt:

«Mein Schwiegervater kaufte Anfang der 1970-er Jahre die Liegenschaft, in der wir noch heute sind. Er wollte das ehemalige Restaurant darin wieder zum Leben erwecken. Es war klar für ihn, das Basler Bier Warteck anzubieten, das damals gleich um die Ecke gebraut wurde. Das Bierkartell wollte ihm dies aber nicht erlauben, weil eine andere Brauerei vorgesehen war für sein Restaurant.»

Der Schwiegervater sei sich bewusst gewesen, dass er gegen die Vorgaben des Bierkartells nicht ankommen würde, sagt Treml Nidecker: «Deshalb entschied er sich kurzerhand, sein eigenes Bier zu brauen.»

Nicht immer einfach, klein zu sein

Dass die Brauerei klein ist, beschert ihr aber auch Nachteile: «Wir haben keinen Warenlift. In den Altliegenschaften hätte ohnehin keiner Platz. Deshalb muss vieles von Hand getragen werden», erklärt die Leiterin.

Aus Platzgründen sei es auch nicht möglich, Bier in Flaschen abzufüllen. «Deswegen haben wir beschlossen, mit einer anderen Kleinbrauerei im nahegelegenen Lörrach in Deutschland zusammenzuarbeiten. Dort lassen wir das Flaschenbier nach unserem Rezept brauen und abfüllen.»

Für Treml Nidecker ist eine Zusammenarbeit über die Grenze hinweg völlig selbstverständlich. Wichtiger als die Grenze sei das Kriterium «regional».

Verbundenheit zu Kleinbasel

Der regionale Gedanke zeigt sich auch in den Beziehungen zum Stadtquartier: «Kleinbasel wird von gewissen Leuten immer noch als minderwertig angesehen. Deshalb ist es uns wichtig, etwas Attraktives zu bieten. Viele kommen extra wegen unserem Bier hierher, auch Touristen. Wir sind mittlerweile eine Basler Institution», sagt die Brauerei-Leiterin.

Heute sei das Bedürfnis nach regionalen Produkten, mit denen man sich auch identifizieren könne, gestiegen. «Tradition muss aber nicht heissen, dass man bei den alten Zöpfen bleibt», ergänzt sie. «Zwar spüren wir heute noch den Geist des Gründers, aber neue Generationen bringen auch neue Ideen.»

Treml Nidecker hegt auch Ausbaupläne. «Wir wollen noch etwas wachsen, weil Investitionen anstehen. Nach über 30 Jahren müssen gewisse Dinge ersetzt werden.» In Betracht zieht sie auch einen zweiten Standort für eine Abfüllanlage und die Lagerung des Biers.

Eines sei aber gewiss: «Gebraut wird immer hier in Kleinbasel, das ist wichtig.»

Sandra Grizelj, Basel, swissinfo.ch.

Das Bierkartell wurde 1935 gegründet. Damit konnten die Absatzkanäle und die Preise für das Bier in Restaurants und im Detailhandel bestimmt werden.

Jedes Restaurants hatte einen festen Lieferanten. Wer fremdes Bier verkaufte, musste mit einer strengen Strafe rechnen.

Dank dem Bierkartell, verbunden mit Importrestriktionen, hatten ausländische Marken keine Chance auf dem Schweizer Markt. Ende der 1980-er Jahre betrug der Marktanteil von ausländischen Bier nur 1%.

1992 verschwand das Bierkartell durch eine EU-Verordnung, was die Konkurrenzsituation für die Schweizer Brauereien verschärfte. Seither sind viele Schweizer Brauereien eingegangen oder wurden von ausländischen aufgekauft.

Der Name des Ueli-Biers verweist auf eine alte Kleinbasler Tradition, die von drei zunftähnlichen Gesellschaften hochgehalten wird.

Jeweils im Januar beginnt das eintägige Fest mit der Rheinfahrt des Wilden Mannes. Er tanzt auf dem Floss und grüsst nur die Kleinbasler. Den Grossbaslern auf der anderen Seite zeigt er nur den Rücken.

Bei der Anlegestelle Klingental legt das Floss an. Dort wird der «Wilde Mann» vom «Vogel Gryff» und dem Löwen empfangen. Gemeinsam ziehen sie tanzend durch Kleinbasel.

Sie werden von lustigen und sympathischen Narrenfiguren begleitet, den Uelis. Mit klappernden Büchsen sammeln sie Geld für die Bedürftigen.

Anlässlich der grossen Tutanchamun-Ausstellung und der aktuellen Vang-Gogh-Ausstellung in Basel hat die Brauerei spezielle Biere gebraut. So wurde aus dem Ueli-Bier das Tut-Anch-Ueli bzw. das Van-Ueli-Bier.

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