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Locarno: Die Schweizer Filme

Birdseye - Thriller und Farce zugleich. Picture taken from "Birdseye"

Das Filmfestival Locarno neigt sich dem Ende zu. In den vergangenen Tagen machte nun auch das Schweizer Kino im Wettbewerb und auf der Piazza auf sich aufmerksam.

Am Mittwoch-Abend uraufgeführt wurde die schweizerisch-amerikanische Koproduktion «Birdseye». Das Publikum auf der Piazza reagierte einhellig freundlich.

Das ebenfalls schweizerisch-amerikanische Regie-Duo Stephen Beckner und Michael Huber bietet mit «Birdseye» einen Thriller, der zugleich eine Farce ist. Viele kabarettistische Momente sorgen für vergnügliches Schmunzeln.

Erfrischende Komik

Gedreht im Stil einer Dokumentation werden die Versuche eines verbohrten Sheriffs bei der Jagd nach einem vermeintlichen Verbrecher verfolgt. Dabei ist nicht klar, ob der gesuchte Urs Vogelaug, genannt «Birdseye», wirklich ein Gauner ist oder bloss ein schelmischer Performance-Artist.

Die trotz mancher Länge in der Handlungsführung erfrischende Komik des Films resultiert insbesondere aus Szenen, in denen die gnadenlose Vermarktung von Gewalt und Kriminalität in den Medien, besonders im Fernsehen, der Lächerlichkeit preisgegeben wird.

Neben dem schwungvollen, auf einem populären Comic basierenden italienisch-französisch-luxemburgischen Animationsfilm «Corto Maltese» (Regie: Pascal Morelli) fand «Birdseye» bisher den grössten Publikumszuspruch auf der Piazza Grande.

Politische Ambition

«Oltre il confine» («Hinter der Grenze») des Zürcher Regisseurs Rolando Colla, eine schweizerisch-italienische Koproduktion, ist bisher der politisch ambitionierteste Film im internationalen Wettbewerb.

Ereignisse des Zweiten Weltkriegs und des Bosnien-Konfliktes der 1990-er Jahre werden miteinander verknüpft. Der Film gefällt dank der Italienerin Anna Galiena. Sie spielt glaubwürdig und anrührend die Hauptrolle, eine junge Frau, die beim Versuch, bosnischen Flüchtlingen zu helfen, mit der eigenen Vergangenheit konfrontiert wird.

Negativ ins Gewicht fällt jedoch die in ihrem Einklagen von Solidarität und Toleranz mit Kitsch überladene Handlung. Genau dies spaltete das Publikum.

So gab es Sympathie für das Eintreten des Films in Sachen Aufeinanderzugehen von Menschen aus unterschiedlichen Generationen und Ethnien, während andererseits die Erzählung im Stil eines Drei-Groschen-Romans auf Teile des Publikums abstossend wirkte.

Angestrengtes

Weitgehend durchgefallen ist hingegen der griechische Wettbewerbs-Beitrag, «Hard Goodbye: My Father» (Schwierige Abschiede). Regisseurin Penny Panayotopoulou setzt in der Schilderung der Geschichte eines Zehnjährigen, der den unerwarteten Tod seines Vaters nicht verarbeiten kann, zu sehr auf vordergründige Sentimentalität.

Auf den ersten Blick erfreulich sperrig mutet der deutsche Wettbewerbs-Beitrag «Das Verlangen» (Regie: Ian Dilthey) an. Doch die theatralische Fabel um eine Pfarrersfrau, die sich durch die Liebe zu einem Mörder aus der Enge ihres Daseins löst, leidet an schwerblütig-papierenen Dialogen, einer angestrengten Inszenierung und vordergründigem Schauspiel.

Die gleichen Mängel bescherten auch dem Schuld-und-Sühne-Drama «La Cage» (Der Käfig) von Regisseur Alain Raoust aus Frankreich breite Ablehnung. Immerhin liess die Schauspielerin Caroline Ducey aufhorchen.

Ihre Darstellung einer Jugendlichen, die nach Absitzen einer Haftstrafe wegen Mordes durch eine Reise zum Vater des Opfers das eigene Gewissen befragt, offenbart ein ausserordentliches Talent.

Lacher im Wettbewerb

Ein Ausnahmetalent beweist auch US-Regisseur Steven Shainberg mit seiner Adaption von Mary Gaitskills Shortstory «Secretary» (Sekretärin), nämlich das zum Delikat-Frivolen.

Die Groteske um das seltsame erotische Verhältnis einer Sekretärin zu ihrem Chef sorgte im Wettbewerb für die meisten Lacher und wurde als niveauvolle Unterhaltung zu Recht gefeiert.

Zwar stehen die letzten Wettbewerbsbeiträge aus. Doch steht bereits fest: Die Jury hat es schwer. Denn von wenig Misslungenem abgesehen erfüllte der diesjährige Wettbewerb einen hohen Anspruch. Soviel Qualität an einem grossen Filmfestival hat Seltenheitswert.

swissinfo und Peter Claus (sda)

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