Mehr Schaden als Nutzen
Der Bericht einer Parlamentskommission über die Kontakte des Schweizer Nachrichtendienstes zum südafrikanischen Apartheidregime ist das Hauptthema in den Zeitungen vom Mittwoch.
Gerügt wird allseits die fehlende politische Kontrolle über den Nachrichtendienst.
Keine Hinweise auf eine Zusammenarbeit bei einem Chemiewaffen-Programm habe die Delegation der Geschäftsprüfungs-Kommissionen bei der Untersuchung der Kontakte von Schweizer Geheimdienstlern mit Südafrika gefunden, «dafür aber eine Gefährdung der Interessen der Schweiz», schreibt die BASLER ZEITUNG.
Die Bilanz dessen, was Regli und seine Nachrichtendienstleute in Sachen Südafrika erreicht hätten, sei eindeutig negativ, kommentiert die BAZ. «Der politische Schaden überwiegt die dürftigen Befunde aus der Endphase des Kalten Krieges bei weitem. Die Südafrika-Geheimniskrämereien vergifteten die politische Diskussion in Bern.» Fazit der BAZ: Reglis Südafrika-Kontakte seien «ohne jeden Nutzen» gewesen.
Die NEUE LUZERNER ZEITUNG drückt dasselbe in ihrer Schlagzeile aus: «Wo kein Nutzen ist, ist ein Schaden.»
Rügen – nicht nur für Regli
Regli fühle sich jetzt zwar «vollständig rehabilitiert», schreibt der Zürcher TAGES ANZEIGER. «Zu Unrecht.» Das Urteil sei für den Ex-Geheimdienstchef immer noch belastend genug. Sein eigenmächtiges Handeln und sein unkooperatives Verhalten bei parlamentarischen Untersuchungen hätten ihm scharfe Rügen eingebracht.
Der gravierendste Vorwurf aber treffe nicht Peter Regli allein, schreibt der TAGI weiter. «Die ‹krasse Verletzung der schweizerischen Aussen- und Neutralitätspolitik›, die der unkontrollierte Nachrichtendienst zu Apartheid-Zeiten begangen hat, haben auch frühere Bundesräte zu verantworten.»
Dasselbe gilt für den TAGI auch für die Parlamentsmehrheit: «Sie hat an den engen Militär- und Wirtschaftskontakten zum rassistischen Unrechtsstaat keinen Anstoss genommen. Nur unter diesen politischen Bedingungen konnte der Nachrichtendienst so eigenmächtig und sensibel handeln.»
Der Fall Schweiz
Für den Berner BUND ist die ganze Angelegenheit von einem «Fall Regli» und einem «Fall Nachrichtendienst» zu einem «Fall Schweiz» geworden. Abgeschlossen ist dieser Fall für den BUND noch nicht. Zu viele Fragen seien noch offen.
«Konnte das Apartheidregime mit dem Wissen Bundesberns über die Schweiz weiterhin seinen lukrativen Gold-, Diamanten- und Devisenhandel betreiben und so die internationalen Sanktionen unterlaufen?», fragt sich DER BUND. Und weist darauf hin, dass der Bundesrat im April die Südafrika-Akten im Bundesarchiv sperren liess. «Hat er etwas zu verbergen?»
Auch die BERNER ZEITUNG erwartet kaum, dass «die leidige Geschichte um einen Nachrichtendienst, der jenseits aller politischen Sensibilitäten mit Vertretern eines Apartheidregimes kungelt», ad acta gelegt werden kann. Reglis Geist scheine noch immer präsent. «Die Dunkelkammer der Nation sollte nochmals gelüftet werden.»
Die Westschweizer Zeitung LE TEMPS spricht von «Spionen ausser Kontrolle» – «Des espions hors controle» und fordert deshalb, dass die Demokratie ihre Polizei unbedingt unter ständiger überwachter Freiheit halten müsse.
Ad acta legen und vorwärts schauen
Jetzt seien Lehren aus der Affäre zu ziehen, schreibt der CORRIERE DEL TICINO. Und die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG titelt: «Ad acta.» Für die Delegation sei es jetzt Zeit, das Kapitel der nachrichtendienstlichen Beziehungen der Schweiz zu Südafrika während der Apartheidzeit nun endlich definitiv ad acta zu legen, schreibt die NZZ. «Dem wäre eigentlich nichts mehr beizufügen.»
Ad acta legen und in die Zukunft blicken: Das ist das Fazit der AARGAUER ZEITUNG. Sie schreibt: «Ansonsten darf es die Schweiz jetzt wohl mit Südafrika halten und – jedenfalls was die politische Ebene betrifft – vorwärts schauen.»
swissinfo, Jean-Michel Berthoud
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