Originale oder Kopien für die Kapellbrücke in Luzern?
Ein Grossbrand auf dem Wahrzeichen Luzerns hat 1993 den grössten Teil der 111 Ölbilder aus dem 17. Jahrhundert zerstört. Um die Frage, ob die Originale durch Kopien ersetzt werden sollen, ist jetzt ein Streit entbrannt.
An den Brand auf der Holzbrücke erinnern heute einige verkohlte Bildtafeln und zahlreiche Leerstellen unter dem Giebel. «Eine traurige Erinnerung», sagt Denkmalpfleger Georg Carlen bei der Besichtigung der Brücke gegenüber swissinfo. «Allerdings verleiht dies der Brücke einen Teil ihrer Originalität und Entwicklung in der Geschichte.»
Carlen war damals am Morgen nach dem Brand, als alles noch rauchte, an den Schauplatz gekommen. «Es ging darum, zu retten, was zu retten war und die Restaurierung und Konservierung vorzubereiten», sagt er. Nur in den Brückenköpfen blieben die Bilder erhalten, der Rest war verloren.
Die geretteten Ölgemälde wurden abgenommen und temporär durch Fotografien ersetzt, die allerdings bald ausbleichten und falsche Farbstiche bekamen.
An den Brückenköpfen hängen heute wieder die Originalbilder, die Szenen aus der Geschichte von Stadt und Republik Luzern erzählen. Zusätzlich wurde in der Mitte ein Bilderzyklus aufgehängt, der bei der Verkürzung der Kapellbrücke im 19. Jahrhundert ins Depot gestellt wurde.
Sicher wie nie zuvor
Die Frage nach der Sicherheit der historischen Ölgemälde drängt sich auf. Der Denkmalpfleger weist auf zwei Metallröhren mit einer Linse im Giebel der Brücke: «Die Polizei schaut uns jetzt zu. Mit mehreren Videokameras wie dieser wird die Brücke Tag und Nacht bewacht.»
Ausserdem gebe es Rauchmelder und Wärmekabel. Und unter der Brücke dürften keine Boote mehr durchfahren. Von solch einem Boot aus war damals der Brand ausgelöst worden. «Die Brücke ist jetzt so sicher wie noch nie», sagt Carlen.
Privates Engagement für die Kopien
Dennoch ist jetzt eine Diskussion darum entbrannt, ob die Originalbilder nicht besser in einem sicheren Depot gelagert und auf der Brücke durch Kopien ersetzt werden sollen. Ausgelöst hat die Debatte Jost Schumacher, Anwalt in Luzern, der die Bilder für zwei Millionen Franken hat kopieren lassen.
«Ich habe mein ganzes Leben in Luzern verbracht und viel von dieser Stadt bekommen. Statt meinen Nachkommen viel Geld zu vererben, möchte ich etwas Kulturelles hinterlassen. Deshalb habe ich diese Kopien initiiert und finanziert», begründet Schumacher sein Engagement.
Die Bilder wurden von zwei Kopisten auf der Basis von Fotografien aus dem Jahr 1992 in Öl gemalt. Im November präsentierte Schumacher die Kopien in einer Ausstellung der Öffentlichkeit. Ausserdem hat er sie in einer Broschüre unter dem Titel «Der Bilderweg auf der Kapellbrücke in Luzern» herausgegeben.
Streit um die Qualität
Der Denkmalpfleger hält wenig von der Qualität dieser Kopien. «Die meisten sind schlecht gemacht. In den Farben sind sie schreierisch, während die dunkleren Originale eine gewisse Würde der Zeit zum Ausdruck bringen», sagt Carlen. Er habe nichts dagegen, die Lücken mit Kopien aufzufüllen, wenn diese gut gemacht seien.
Schumacher kontert mit einer Kritik am Zustand der erhaltenen Originale: «Auf einigen der Bilder sieht man kaum noch etwas. Da hat kein Mensch Freude daran.»
Was soll nun geschehen? Der Denkmalpfleger möchte die historischen Bilder aus der Zeit von 1611-1618 auf der Brücke lassen. «Wenn man die Originale durch Kopien ersetzt, würde dies für Luzern und seine Besucher ein Verlust von Lebensqualität bedeuten», sagt Carlen.
Doch sei die ganze Geschichte für ihn noch nicht auf der politischen Traktandenliste: «Die Stadt als Eigentümerin der Brücke wird in Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege überlegen, was jetzt zu machen ist. Bewilligungsinstanzen sind die kantonalen und eidgenössischen Denkmalpflegestellen.»
Fortsetzung folgt
Der Kunstfreund und Anwalt Jost Schumacher gibt sich zurückhaltend: «Ich dränge mich nicht auf. Die Kopien sind vorhanden. Ich denke, die Stadt Luzern müsste von sich aus sagen, dass sie die Bilder gerne haben möchte.» Falls sie dies tue, würde er ihr die Kopien als Leihgabe zur Verfügung stellen.
Im Stadtparlament sind zwei Vorstösse von der SVP und der FDP hängig, die das Aufhängen der Kopien auf der Kapellbrücke fordern. «Ich lasse der Öffentlichkeit und der Politik den Vorrang, sich darüber auszusprechen», sagt Schumacher.
swissinfo, Susanne Schanda, Luzern
Die Kapellbrücke und der dazu gehörende Wasserturm entstanden im 14. Jahrhundert als Teil der Stadtbefestigung Luzerns.
Der Bilderzyklus wurde im 17. Jahrhundert vom Luzerner Stadtschreiber und Universalgelehrten Renward Cysat geplant.
Ab 1611 malte der Renaissance-Maler Hans Heinrich Wägmann die 146 Ölbilder.
Sie stellen die Entstehung der Stadt und Republik Luzern aus der Sicht der Gegenreformation dar. Dazu gehören auch eine Reihe Bilder, die Leben und Leiden der Stadtpatrone Leodegar und Mauritius erzählen.
Im Zuge der Verkürzung der Brücke im 19. Jahrhundert wurden 35 Bilder in ein Depot eingelagert.
In der Nacht vom 17. auf den 18. August 1993 brannte die Kapellbrücke fast vollständig nieder, wobei 86 Bildtafeln des Mittelabschnitts zerstört wurden.
Die 25 Gemälde an den Brückenköpfen, die den Brand überstanden, wurden inzwischen um die im 19. Jahrhundert eingelagerten Bilder ergänzt, darunter der Mauritiuszyklus.
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