Othmar Schoeck – der fast vergessene Spätromantiker
Als Liedkomponist wurde er als "Schubert des 20. Jahrhunderts" bezeichnet. 50 Jahre nach seinem Tod werden die Werke von Othmar Schoeck kaum mehr aufgeführt.
Mit Opern, Liederzyklen und Kammermusik weckte Schoeck kurz nach 1900 das Interesse des Auslandes an Musik aus der Schweiz.
Da er bis zuletzt an der Tonalität und an traditionellen Formtypen festhielt, galt Schoeck bei den Verfechtern des Fortschritts als Anachronist.
Die spätromantische Grundhaltung seiner Vokalmusik, die im Zentrum seines Schaffens steht, sicherte ihm jedoch weit über den Tod hinaus grosse Beliebtheit.
Als später Vollender und Überwinder der romantischen Musiktradition entwickelte Schoeck eine unverwechselbare, vorwiegend lyrische Tonsprache.
Eine wichtige Ausnahme bildet das Trauerspiel «Penthesilea» (1923-1925) nach Kleist, welches 1927 in Dresden uraufgeführt wurde.
Es verkörpert inmitten von unzeitgemässer Liebesliedschwärmerei auf Verse von Eichendorff, Lenau und Keller einen für schweizerische Verhältnisse ungewohnt heftigen Aufschrei in expressionistischer Manier.
Mit seinen scharfen Dissonanzen und dramatischen Spannungsbögen unterscheidet sich das kühne Meisterwerk grundlegend vom Hauptstrom der damals an der deutschen Romantik oder an der französischen Moderne orientierten Schweizer Musik.
Unerschöpflicher Liederkomponist
Von seinen Vorbildern Schubert und Hugo Wolf ausgehend, schuf Schoeck zahlreiche Liederzyklen, die zum Wertvollsten gehören, was auf dem Gebiet des Klavierliedes in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum hervorgebracht wurde.
Als Sohn des Kunstmalers Alfred Schoeck 1886 in Brunnen zur Welt gekommen, besuchte Othmar Schoeck zuerst eine Zürcher Kunstschule, bevor er sich der Musik zuwandte. Ein aquarelliertes Selbstporträt des Zwölfjährigen zeugt von grosser malerischer Begabung.
Die stärkere Neigung zur Musik veranlasste den jungen Künstler, 1905 ins Zürcher Konservatorium einzutreten, wo Karl Attenhofer, Robert Freund und Friedrich Hegar zu seinen Lehrern zählten.
Aufstieg zum Nationalkomponisten
Seine kompositorische Ausbildung setzte Schoeck 1907 bei Max Reger in Leipzig fort. Schon 1908 in die Schweiz zurückgekehrt, begann er seine Karriere als Chorleiter und als Orchesterdirigent.
Von 1917 bis 1944 leitete der zum eigentlichen Nationalkomponisten aufgestiegene Musiker die Sinfoniekonzertes des Orchestervereins St. Gallen. Daneben trat er häufig als Liedbegleiter und als Gastdirigent auf.
Dass Schoecks Opern in Deutschland noch in den Kriegsjahren gespielt wurden, führte in der Schweiz zu negativen Reaktionen seines Umfelds.
Obwohl er sich in seinen Liedern und Chören immer wieder vehement gegen den Krieg äussert, fühlt Schoeck sich isoliert.
Während eines Konzerts in St. Gallen im Jahr 1944 erleidet er einen Herzinfarkt und muss seine Auftritte drastisch reduzieren.
1956 wird er zum 70. Geburtstag mit Festkonzerten geehrt. Schoeck wird mit der Hans-Georg-Naegeli-Medaille und dem Grossen Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.
Nach seinem Tod, am 8. März 1957, geriet Schoeck relativ schnell in Vergessenheit.
swissinfo und Walter Labhart, SFD
Wird am 8. September 1886 in Brunnen (Kanton Schwyz) geboren und stirbt am 8. März 1957 in Zürich.
Im Herbst 1904 schreibt er sich am Konservatorium Zürich ein und studiert bei Friedrich Hegar, Carl Attenhofer, Robert Freund, Hans Häusermann und Lothar Kempter senior.
Auf Einladung von Max Reger besucht Schoeck zwischen Frühling 1907 und Frühling 1908 am Leipziger Konservatorium Regers Kompositions-Unterricht.
1909, nach seiner Rückkehr in die Schweiz, verdient Schoeck seinen Lebensunterhalt mit der Leitung von verschiedenen Männerchören.
1916 wird er Musikdirektor des Symphonieorchesters St. Gallen. Er leitet das Orchester bis 1944.
1943 verleiht ihm die Stadt Zürich den Musikpreis.
1944 beendet ein Herzinfarkt seine Dirigentenkarriere.
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