Schätze aus Glas
Schätze aus Glas – unter diesem Motto fand in der Schweiz vom 13. bis 14. September zum 10. Mal der "Europäische Tag des Denkmals" statt.
Mit geführten Besichtigungen in Kathedralen und Werkstätten konnte das Glas, seine Herstellung und Verwendung erkundschaftet werden.
Gemäss dem römischen Historiker Plinius «erfanden» phönizische Geschäftsleute den Stoff Glas aus purem Zufall. Sie hatten bemerkt, dass sich beim Entzünden von Feuer auf Sand eine durchsichtige Flüssigkeit bildete.
Ob es nun Wahrheit oder Legende ist: Mit Sicherheit hat die Verarbeitung von Glas antike Wurzeln. Die ältesten Glasfunde in der Schweiz – Perlen und Armreifen – reichen ins Eisenzeitalter zurück (8. bis 1 .Jahrhundert v.Ch.).
Glas war immer schon ein moderner Stoff. Bereits zu römischen Zeiten wurde das Material rezykliert. Dies erklärt, warum nicht mehr sehr viele alte Stücke existieren – ganz abgesehen von der Zerbrechlichkeit des Glases.
Alte und moderne Kirchenfenster
Am Tag des Denkmals gab es zahlreiche Führungen, um spektakuläre Fenster von Kathedralen oder Kapellen zu entdecken. Eine Fundgrube ist das Städtchen Romont im Kanton Freiburg, wo sich das Schweizerische Glasmuseum befindet, sowie der Kanton Jura mit seinem reichen Schatz moderner Kirchenfenster.
Diesen Reichtum im Jura verdanken wir dem französischen Künstler Fernand Léger (1881-1955), der 1954 in Courfaivre einige fantastische Kirchenfenster schuf und damit einen regelrechten Boom dieser Kunst in der Region in Gang setzte.
Aber nicht nur Kirchenfenster lockten an, sondern auch Glasmanufakturen, Sternwarten, Treibhäuser oder andere Bauten, in denen Glas eine tragende Rolle spielt.
Botanischer Garten in Bern
In Bern konnte ich bereits vor dem Denkmaltag die Glashäuser im Botanischen Garten besuchen: Mein Führer war Christoph Schläppi, Architekturhistoriker und Vizepräsident des Schweizerischen Heimatschutzes.
Wie viele andere Kunstliebende in diesem Land half Schläppi am Denkmaltag dem Publikum bei der Entdeckung dieser faszinierenden Gewächshäuser. Ein Ingenieur begleitete ihn und lieferte zusätzliche technische Details zu den Bauten.
«Die ersten Gewächshäuser verdanken wir Ludwig XIV, der dort Orangen und exotische Früchte züchten liess», sagt Schläppi. Und nicht zufällig sei das erste Gebäude, das der modernen Architektur zugeordnet wird, ein Gewächshaus.
Tatsächlich wird der Crystal Palace von Sir Joseph Paxton als Beginn der modernen Architektur bezeichnet. Paxton, der auch Gärtner war, entwarf für die Weltausstellung 1851 in London einen Glaspalast aus vorgefertigten Teilen. «Das war eine Sensation, weil niemand zuvor dies je gemacht hatte», meint Schläppi.
Mittel werden knapper
Während unser Rundgang in eine Nachahmung eines tropischen Waldes führte, erinnerte Schläppi an die unglaubliche Evolution, die Glas als Baustoff in den letzten 10 Jahren erfahren hat.
Hier in Bern stammen die Gewächshäuser grösstenteils aus den 50-er Jahren. Im Winter geht viel Wärme und Energie verloren. An ihrer Erhaltung hat man eher aus historischen denn aus kunst-architektonischen Gründen Interesse.
Der Botanische Garten von Bern ist ein öffentlicher Park. Der Eintritt ist gratis. Doch der Unterhalt der Gewächshäuser verschlingt ein Vermögen. Nur das grösste Gewächshaus mit den Palmen hat isolierte Fenster. Es stammt aus den 70-er Jahren.
Die Zeiten sind nicht günstig, um zusätzliche Mittel zu verlangen. Im Rahmen des Eidgenössischen Sparprogramms hat Bundespräsident Pascal Couchepin vorgeschlagen, 11 Millionen Franken dem Denkmalschutz zu entziehen und dafür dem Schweizer Filmschaffen zuzuführen.
Die Konkurrenz zwischen den einzelnen Kunstsparten wird immer härter. Und der Kuchen, den es zu verteilen gibt, wird immer kleiner.
Während des Wahlkampfs will offenbar keine Partei das Risiko eingehen und als überflüssig bezeichnetes Gut wie die Kultur verteidigen. Dabei wird der Kulturtourismus als Wachstumsmarkt betrachtet.
swissinfo, Raffaella Rossello
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)
Jedes Jahr lockt der Europäische Denkmaltag in der Schweiz rund 50’000 Besucher an.
Initiant ist der Europarat. In der Schweiz übernimmt die Nationale Informationsstelle für Kulturgüter-Erhaltung (NIKE) die Koordination des Events.
40 Länder nehmen am Denkmaltag teil, jedes Land mit einem eigenen Thema.
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