Schweizer Kunstdenkmäler in guten Händen
Die Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, die erste offizielle denkmalpflegerische Institution der Schweiz, feiert ihr 125-jähriges Jubiläum.
Aus diesem Anlass bietet sie diesen Sommer eine Reihe von Besichtigungen und Führungen zu Kulturdenkmälern in der Westschweiz an.
Nach Meinung von Georg Germann, Professor für Kunstgeschichte, ist jedes Gebäude, auch der schäbigste Schuppen, ein Zeuge seiner Epoche und verdient daher Respekt. Georg Germann hat sich Zeit seines Lebens mit der Vielfalt des Schweizer Kulturgutes befasst.
Wie bei jedem Vermächtnis gilt es auch hier, die Fülle der künstlerischen und architektonischen Zeugnisse der Schweiz, die von der Antike bis in die Gegenwart reichen, in einem Inventar zu erfassen.
Diese Aufgabe hat die Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (GSK) übernommen. Sie wurde 1880 gegründet und hiess damals Verein für die Erhaltung vaterländischer Kunstdenkmäler.
Die Arbeitsmethoden in den Büros in Bern haben sich zwar verändert, nicht aber das Ziel. Es besteht darin, «die öffentliche Aufmerksamkeit auf die historischen Denkmäler und Kunstwerke der Schweiz zu lenken und zur Erhaltung derselben direkt oder mittelbar beizutragen».
Ein Vermächtnis der Französischen Revolution
Aufgabe der GSK ist es, diese Kulturgüter zu inventarisieren und zu erforschen und sie mit Publikationen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
«Wir befassen uns mit ihnen nicht nur anhand ästhetischer, sondern auch historischer und ethnologischer Gesichtspunkte», erklärt Catherine Courtiau, Leiterin der Westschweizer Zweigstelle «Antenne Romande». In diesem Konzept hätten neben Architektur, Städtebau, Landschaft und Kunstwerken auch Alltagsgegenstände Platz.
«Die wissenschaftliche Bestandesaufnahme von Kunstdenkmälern, wie auch die Institution Museum, sind eine Erfindung der französischen Revolution», fügt die Genfer Kunsthistorikerin hinzu. Auf sie gehe auch die Gründung des Schweizerischen Landesmuseums 1891 in Zürich durch die Vorgängerin der GSK zurück.
Um die gewaltige Aufgabe abzudecken, wurden kurz nach der Gründung des Vereins für die Erhaltung vaterländischer Kunstdenkmäler weitere Institutionen ins Leben gerufen, so zum Beispiel 1915 die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege, die sich auf die Erhaltung von Baudenkmälern spezialisiert hat.
Mit der Zeit entstand ein ganzes Netzwerk denkmalpflegerischer Institutionen. Auf dieser Grundlage konnten in der Schweiz von 1848 die Instrumente eines modernen Staates geschaffen werden: das Bundesarchiv, die Landesbibliothek, die Münzstätte oder das Bundesamt für Landestopographie.
Dazu kam 1905 der «Schweizerische Heimatschutz», ein Privatverein, der sich der Denkmalpflege und dem Landschaftsschutz widmet. Und der dieses Jahr seinen hundertsten Geburtstag feiern kann.
Produktion am laufenden Band
Dass die GSK seit vielen Jahren äusserst aktiv ist, zeigt unter anderem das reichhaltige Verzeichnis ihrer Publikationen. Am bekanntesten ist die Serie «Kunstdenkmäler der Schweiz», eine Kunsttopographie des Landes, die voraussichtlich 2050 abgeschlossen wird. Ende 2004 umfasste die Reihe bereits 104 Bände.
Dazu kommt das 1970 begonnene «Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850-1920 INSA», dessen 11. und letzter Band vor kurzem veröffentlicht wurde.
Nicht zu vergessen der «Kunstführer durch die Schweiz». Die ersten zwei von insgesamt vier Bänden erscheinen demnächst in einer vollständig überarbeiteten Neuausgabe. Die 1935 geschaffene Reihe der «Schweizerischen Kunstführer GSK» zählt bereits über 750 zum grossen Teil illustrierte Nummern.
Abgesehen von zahlreichen Sonderpublikationen gibt die GSK auch die Quartals-Zeitschrift Kunst+ Architektur heraus.
Für ihre Rund 5500 Mitglieder, aber auch für andere Interessierte organisiert die Gesellschaft schliesslich auch zahlreiche Exkursionen in der Schweiz und im Ausland.
Vermächtnis unter Aufsicht
Eine ganze Reihe Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker wachen im Auftrag der kantonalen Ämter für Denkmalpflege über die Baudenkmäler – zum Missfallen mancher Eigentümer historischer Bauten, die sich an strenge Vorgaben halten müssen.
Historische Bauwerke und endlose Sammlungen wichtiger Werke zu inventarisieren, ist nach Ansicht vieler Laien unverständlich. Nötig ist diese Arbeit allemal, findet Georg Germann.
«Um das architektonische Vermächtnis der Schweiz den öffentlichen und privaten Besitzern, den Einwohnern und den Touristen wirklich vor Augen zu führen und sie gegen kurzfristige Privatinteressen schützen zu können, ist eine Inventarisierung von öffentlichem Interesse», erklärt der Berner Professor.
Die Behörden haben jedoch auch den Auftrag, das Kulturerbe zu erhalten. Angesichts der herrschenden Finanzlage kein leichtes Unterfangen. Warum ein Gebäude restaurieren, das den heutigen Anforderungen nicht mehr genügt, wenn allein schon die Sanierung der sanitären Einrichtungen ein Vermögen kostet?
«Weil dies unser Vermächtnis ist», gibt Georg Germann zur Antwort. Und fügt hinzu: «Eigentlich müsste man sich vor dem Gesetz für die Zerstörung eines Bauwerks rechtfertigen, und nicht für dessen Renovation».
swissinfo, Isabelle Eichenberger
(Übertragung aus dem Französischen: Maya Im Hof)
Aus Anlass ihres 125. Jubiläums organisiert die GSK ein spezielles Führungsprogramm mit über 20 Exkursionen in die Westschweiz.
Parallel dazu finden Ausflüge in die Deutschschweiz, ins Graubünden und ins Tessin statt.
Die GSK wurde 1880 in Zofingen gegründet mit dem Ziel, historische Baudenkmäler zu inventarisieren, bekannt zu machen und zu restaurieren sowie Kunstwerke zu erwerben.
1891 wurde das neu errichtete Landesmuseum in Zürich mit dem Erwerb von Kunstwerken betraut.
1915 wurde die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege gegründet; sie befasst sich mit der Erhaltung der Bauwerke.
Die GSK ist ein Verein mit 5500 privaten und institutionellen Mitgliedern, die die Gesellschaft mit einem Jahresbeitrag unterstützen.
Das Sekretariat in Bern beschäftigt 15 Personen. In der Zweigstelle «Antenne Romande» in Genf ist eine Person tätig.
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