Sehnsuchtsland Orient im Zentrum Paul Klee
"Auf der Suche nach dem Orient": Die dreiteilige Ausstellung im Zentrum Paul Klee spannt einen weiten Bogen vom 10. Jahrhundert bis heute, von Bern nach Marokko, Tunesien, Ägypten, Israel, die Türkei und Iran.
«Der Zusammenprall der Kulturen ist eine Erfindung», erklärt Juri Steiner, Direktor des Zentrums Paul Klee (ZPK) provokativ. Mit der grossen dreiteiligen Ausstellung treten er und sein Team den Beweis an, dass der Austausch zwischen dem Orient und dem Okzident Jahrhunderte alt ist.
Venedig bildete im 15. Jahrhundert die Drehscheibe für die europäischen und die Handelspartner aus dem osmanischen Reich. Dass sich dort auch die Kulturen begegneten, zeigt das Porträt von Sultan Mehmet II., das der venezianische Renaissance-Maler Gentile Bellini 1480 malte. Es bildet einen Höhepunkt der Ausstellung.
Der Orient übte auf die Maler Europas eine anhaltende Faszination aus. Aus dem 19. Jahrhundert stammen die Bilder «Ansicht von Tanger» und «Marokkanische Landschaft» von Eugène Delacroix. Henri Matisse und Wassily Kandinsky waren weitere Maler, die das Terrain für Paul Klees Reisen nach Tunis (1914) und Ägypten (1928) vorbereiteten.
In Tunis zum Maler geworden
Die Zeichnungen und Aquarelle Klees aus dieser Zeit zeigen, wie stark die Erfahrung Nordafrikas seine Malweise beeinflussten. In seinem Selbstverständnis ist er dort erst zum Maler geworden: «Ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler», schrieb Klee nach der Reise in sein Tagebuch.
Er machte sich an die Umsetzung der Farbeindrücke und liess die klassischen orientalischen Klischees, die sich bei vielen europäischen Künstlern fanden, hinter sich. Das Aquarell «Rote und gelbe Häuser in Tunis» ist ein Puzzle aus Dreiecken, Quadraten, Rechtecken, abstrahierten Menschen und Bäumen.
An einer Wand des Zentrums Paul Klee hängen je ein Bild der Reisegefährten Klee und August Macke. Die «Landschaft bei Hammamet» von Macke zeigt in kräftigen Farben, weitgehend gegenständlich eine Uferlandschaft mit Booten, Palmen und Menschen mit einem Esel, während Klees «Blick zum Hafen von Hammamet» abstrakte Formen in verschwimmenden, blassen Farben darstellt.
Islamische und zeitgenössische weltliche Kunst
Die Klee-Bilder werden ergänzt durch zahlreiche von der orientalischen Welt inspirierten Bilder europäischer Maler und eine Sonderschau zur islamischen Kunst.
Der zweite Teil der Ausstellung zeigt ab Ende Februar zeitgenössische Kunst aus dem Nahen Osten. Videoarbeiten, Installationen und Musikperformances erzählen von «Traum und Wirklichkeit». Ergänzt wird dieser Teil durch 17 Konzerte, mehrere Filmvorführungen und Hörstationen des Musiknetzwerks Norient.
In einem dritten Teil, «Teppich der Erinnerung», wird ab Ende Mai das Orient-Thema Paul Klees schliesslich vertieft. Hier stehen Architektur, Kalligrafie und Ornamentik im Vordergrund.
Politik und Kunst
«Die zeitgenössische Kunst aus dem Nahen Osten hat oft dokumentarischen Charakter. Von ihr erfährt man mehr über die Befindlichkeit der Menschen in diesem komplexen Kontext, als wenn man die Tagesschau, Al-Jazira oder CNN schaut», sagt Juri Steiner, Direktor des Kleezentrums, gegenüber swissinfo.
Die darstellende Kunst hat in der islamischen Welt wegen des Bilderverbots kaum eine Tradition. Die Musik und das Geschichten-Erzählen sind dagegen sehr präsent. «Der narrative Charakter zeigt sich auch in der darstellenden Kunst, besonders in der Videokultur», so Steiner.
«Als wir vor zwei Jahren mit den Vorbereitungen zur Ausstellung anfingen, wussten wir noch nicht, wie aktuell das Thema sein wird», sagt der Direktor weiter und spielt auf den Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen an.
Die Spannungen spiegeln sich im zweiten Ausstellungsteil, an dem sowohl israelische als auch palästinensische Künstler beteiligt sind. Es habe bereits politisch motivierte Absagen gegeben, berichtet Steiner und erklärt: «Es ist nicht unser Ziel, Politik zu betreiben, sondern ausdrucksstarke Kunst auszustellen und vielleicht über die Kunst eine Plattform zu bieten, die es sonst nicht gibt.»
swissinfo, Susanne Schanda
Der erste Teil der Orient-Ausstellung ist vom 7.2. bis 24.5.2009 zu sehen: «Auf der Suche nach dem Orient. Von Bellini bis Klee».
Der zweite Teil dauert vom 28.2. bis 16.8.2009: «Traum und Wirklichkeit. Zeitgenössische Kunst aus dem Nahen Osten».
Der dritte Teil beginnt am 30.5. und dauert bis 30.8.2009: «Paul Klee. Teppich der Erinnerung».
Im Rahmen der drei Orient-Ausstellungen findet von Februar bis August 2009 ein reichhaltiges Musikprogramm statt. Die iranischen Sängerinnen Masha und Marjan Vahdat, der türkische Nay-Spieler Kudsi Erguner und der in Bern lebende libanesische Oud-Spieler und Komponist Mahmoud Turkmani bilden Höhepunkte.
Das Kindermuseum Creaviva zeigt mit «Tempelfest» eine interaktive Ausstellung.
Ein Filmprogramm thematisiert gesellschaftliche Fragen ebenso wie die Suche nach dem Eigenen und den kulturellen Wurzeln.
Der Katalog mit Texten der Ausstellungsmacher und weiterer Experten enthält 271 Abbildungen.
Das Kulturmagazin «DU» widmet seine neuste Ausgabe dem Orient. In Zusammenarbeit mit dem Kleezentrum präsentiert es den Nahen Osten in Literatur, Film, Musik, Fotografie, Wissenschaft und Gesellschaft.
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