Sieg gegen Griechen als wichtiger Film im Kopf
"Wir können es schaffen!": Diesen Geist hat Andy Egli in der Schweizer Fussball-Nati beim 2:1 gegen Griechenland gespürt. Den Augen des 76-fachen Ex-Internationalen entgehen auch kleinste Details auf und neben dem Rasen nicht.
Heute ist Andy Egli als Trainer, Unternehmer im Bereich Fussball-Management und Ko-Kommentator am Schweizer Fernsehen tätig.
Mit seinen 50 Jahren wirkt er gleich frisch wie in den 1990er-Jahren, als er 76 Mal das Trikot der Schweizer Nati trug. Erfrischend sind seine Analysen, und präzis. Wie das Gespräch mit swissinfo zeigt.
swissinfo: Was hat Sie im Spiel der Schweiz beim 2:1 gegen Griechenland am meisten überzeugt?
Andy Egli: Das Zusammenspiel von Alex Frei und Blaise Nkufo hat mich begeistert. Ich kenne die Geschichte der beiden, sie spielten 2001/2002 beim FC Luzern, als ich dort Trainer war.
Damals gab es Schwierigkeiten in ihrem Zusammenspiel, am Mittwoch hat es wunderbar geklappt.
swissinfo: War das Griechenland-Spiel der Turnaround in der WM-Quali?
A.E.: Wir müssen differenzieren. Die Schweiz hat die Qualifikation in Israel sehr gut begonnen. Bis zum Anschlusstreffer der Israeli zum 2:1 in der 75. Minute zeigte die Nati wirklich eine gute Leistung.
Der Ausgleichstreffer in der letzten Minute und das Debakel gegen Luxemburg führten dazu, dass man sich fast lustig über die Nationalmannschaft gemacht hat. Das entsprach aber nicht ganz der Realität. Klar, die Leistung gegen Luxemburg war schlecht, aber Leistung und Resultat gegen Israel waren o.k.
Gegen Lettland und Griechenland waren also Resultate gefordert. Der Lettland-Match war trotz des Sieges sehr mühsam. Es war ein enormer Druck spürbar, von dem sich die Spieler anfänglich nicht befreien konnten.
swissinfo: Sechs Punkte aus den letzten beiden Spielen – wie hoch ist der Anteil Ottmar Hitzfelds am Umschwung?
A.E.: Der Trainer trägt Verantwortung, ob die Mannschaft gewinnt oder verliert. Zu Beginn der Qualifikation machte Hitzfeld einige Fehleinschätzungen. Die Auswechslungen in Israel bei der 2:0-Führung der Schweiz etwa haben dazu geführt, dass sie schliesslich nur einen Punkt gewann.
Es ist Hitzfeld aber jetzt gelungen, die Mannschaft so vorzubereiten, dass sie sechs Punkte holen konnte. Es zeigt seine ausserorderordentliche Begabung, in schwierigen Situationen Energien zu generieren, die es ihm ermöglichen, sehr konzentriert zu arbeiten und seine Spieler so weit zu bringen, dass sie Spiele auf dem höchsten Konzentrationslevel absolvieren können.
swissinfo: Wie hat Hitzfeld diesen Umschwung erreicht?
A.E.: Wie ich ihn kenne, hat er sehr viele Gespräche geführt, im Team, in kleineren Gruppen, aber vor allem mit den einzelnen Spielern. Insbesondere mit jenen, von denen er erwartet, dass sie Verantwortung übernehmen und aufgrund ihrer mentalen Stärke die Mitspieler positiv beeinflussen können.
Er versteht es meisterhaft, den Spielern den ‹Spirit› zu vermitteln: ‹Wir können es schaffen!›. Gegen die Griechen zeigten die Schweizer null Komplexe und haben das Spiel in der ersten Halbzeit geprägt. Kein einziger schien nervös zu sein. Das war sehr beeindruckend.
Seine Äusserungen am Mittwoch nach dem Spiel zu Hakan Yakin deuten ebenfalls auf intensive Gespräche hin. Der Weltklasse-Pass, den Yakin bei seiner ersten Ballberührung auf Nkufo spielte, zeigte: Yakin war bereit. Dabei hätte er als Auswechselspieler frustriert sein können.
swissinfo: Trat die Schweizer Nati am Mittwoch als Team auf?
A.E.: Es ist zu einfach, aus einer Niederlage abzuleiten, dass die Equipe kein Team war und umgekehrt bei einem Sieg von einem Team zu reden. In den ersten Spielen gab es Szenen von Körpersprache, da hatte ich Zweifel, ob die Schweiz bereit ist, die Qualifikation als echtes Team durchzustehen.
Im Lettland-Spiel beispielsweise spielte Stephan Lichtsteiner einen zu steilen Pass auf Valon Behrami, der den Ball nicht erreichen konnte. Die abfällige Handbewegung Behramis gegenüber dem Mitspieler kann eine emotionale Reaktion sein. Bei den Zuschauern, die ein Team sehen wollen, kommt das aber extrem negativ herüber.
Am Mittwoch sah ich das Gegenteil: Nkufo sprintete nach seinem Tor zu Alex Frei, der eine Minute vorher ausgewechselt worden war. Das ist ein Zeichen der Solidarität dem Mitspieler gegenüber, um ihm zu zeigen ‹Dieses Tor haben wir auch für dich erzielt!›
swissinfo: Kaum ist die Schweizer Nati wieder in Schwung, kommt die fünfmonatige Winterpause. Welche Möglichkeiten hat der Trainer, diesen Schwung zu konservieren?
A.E.: Bei der nächsten Partie im Frühjahr 2009 beginnt alles wieder bei Null. Hitzfeld weiss noch nicht, welche Spieler ihm Ende März in den beiden Spielen gegen Moldawien zur Verfügung stehen werden.
Gegen diesen Gegner aber wird die Schweiz Favorit sein, alle erwarten Siege. Die Pleite gegen Luxemburg war für Spieler, Coach und Staff aber derart eindrücklich, dass sich eine Erfahrung in dieser Form wahrscheinlich nicht wiederholen wird.
Sind die Spieler im Frühling wieder beisammen, können sie die Bilder des Sieges gegen den Europameister von 2004 sofort wieder abrufen. Das versetzt sie in die Lage, auch gegen Moldawien ein gutes Resultat zu machen.
swissinfo: Blamage gegen Luxemburg, Sieg gegen die Griechen: Wo steht die Schweiz?
A.E.: Die Spitze ist im Fussball sehr eng zusammengerückt. Das zeigen die Unentschieden vom Mittwoch von Israel gegen Lettland, Portugal gegen Albanien und der Färöer gegen Österreich.
Wir müssen die Realität sehen. In der Gruppe 2, die allgemein als die Schwächste angesehen wurde, ist Israel im Fifa-Ranking die Nummer 16, Griechenland liegt auf Position 17. Die Schweiz kommt als Nr. 45. Vom Ranking her sind wir also nur das drittbeste Team.
Wir gehören definitiv noch nicht zur Weltspitze. Aufgrund der guten Nachwuchsarbeit in den letzten 15 Jahren sind wir auf dem Weg dorthin. Für ein kleines Land wie die Schweiz stellt sich aber schon die Frage, ob es jemals in der Lage sein kann, dauerhaft zur Weltspitze im Fussball zu gehören.
Wir haben schon an der Weltspitze geschnuppert, etwa 1992 bis 1996 mit der Qualifikation für WM und EM.
swissinfo-Interview: Renat Künzi
Er spielte u.a. bei Grasshopper Zürich, Xamax Neuenburg, Servette Genf und Borussia Dortmund in der Bundesliga.
Sein Palmares krönen fünf Schweizer Meistertitel und vier Cupsiege.
Egli bestritt 76 Länderspiele (8 Tore). Sein Karrierehöhepunkt war die WM-Endrunde 1994 in den USA.
Als Trainer betreute er u. a. Thun, Aarau und Biel.
Egli ist einer der wenigen Schweizer Ausbildner mit Auslanderfahrung: Er trainierte Waldhof Mannheim in Deutschland und Busan in Südkorea.
Anfang Oktober ist er von einem zweimonatigen Einsatz als Fussball-Lehrer in Nordkorea zurückgekehrt.
2009
28.3.: Moldawien-Schweiz
1.4.: Schweiz-Moldawien
5.9.: Schweiz-Griechenland
9.9.: Lettland-Schweiz
10.10.: Luxemburg-Schweiz
14.10.: Schweiz-Israel
Spiele der vierten Runde:
Griechenland-Schweiz 1:2
Lettland -Israel 1:1
Luxemburg-Moldawien 0:0
Rangliste:
1. Griechenland 9 Punkte
2. Israel 8
3. Schweiz 7
4. Lettland 4
5. Luxemburg 4
6. Moldawien 1
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