«Vitus» gewinnt Schweizer Filmpreis 2007
Am Dienstag verfehlte Fredi M. Murer zwar noch die Oscar-Nominierung, doch am Mittwoch hat er mit seinem Erfolgswerk in Solothurn den "Schweizer Oscar" gewonnen.
Bei den Dokumentarfilmen schwang «Das kurze Leben des Jose Antonio Gutierrez» obenaus. Beide Preise sind mit je 60’000 Franken dotiert.
Der Hauptpreis wurde am Mittwochabend im Solothurner Konzertsaal von Bundesrat und Kulturminister Pascal Couchepin überreicht. Fredi M. Murers poetisches Wunderkind-Drama «Vitus» erzählt von einem hochbegabten Jungen, der sich nach einem Unfall wieder «normal» gibt, aber heimlich ein Doppelleben als Klaviervirtuose und millionenschwerer Internet-Börsenguru führt.
«Vitus» ist einer der Schweizer Kinoerfolge des letzten Jahres. Der Film war für die Schweiz im Nominations-Rennen um den Oscar in der Kategorie «Bester nicht-englischsprachiger Film», hat aber am Dienstag die Nominationshürde knapp verfehlt.
Den Preis als bester Dokumentarfilm erhielt «Das kurze Leben des José Antonio Gutierrez» von Heidi Specogna. Die Regisseurin zeichnet das tragische Schicksal des ersten US-Soldaten nach, der im März 2003 im Irak-Krieg sein Leben verlor.
Beste Hauptrolle: Jean-Luc Bideau
Den Preis für die beste Hauptrolle erhielt der Schauspieler Jean-Luc Bideau für seine Rolle im Film «Mon frère se marie» von Jean-Stéphane Bron. Als Favoritin war im Vorfeld Stephanie Glaser für ihre Rolle im Film «Die Herbstzeitlosen» gehandelt worden.
Jean-Luc Bideau, der Vater des Schweizer Filmchefs Nicolas Bideau, spielt in der Komödie einen geschiedenen Familienvater, der zwecks Verheiratung seines Adoptivsohnes für zwei Tage wieder mit seiner früheren Familie zusammen leben muss.
Der Genfer Schauspieler hat sich in der Schweiz mit den Filmen von Alain Tanner («La salamandre» oder «Jonas qui aura 25 ans en l’an 2000») und Claude Goretta («L’invitation») einen Namen gemacht, hat seither aber meistens in Frankreich gedreht.
Natacha Koutchoumov beste Nebendarstellerin
Für die beste Nebenrolle wurde Natacha Koutchoumov für ihre Rolle im Film «Pas de panique» von Denis Rabaglia ausgezeichnet.
Die 31-jährige Genferin ist in der Westschweiz und in Frankreich eine gefragte Bühnen- und Filmdarstellerin und hat unter anderem schon mit Gérard Depardieu gedreht («Vatel»). Auch in Lionel Baiers nominiertem Film «Comme les voleurs» hat sie eine Rolle.
«Das Fräulein» gewinnt Drehbuch-Preis
Der erstmals vergebene Preis für das beste Drehbuch ging an Andrea Staka für den Film «Das Fräulein», eine Milieustudie über das Leben von Frauen aus Ex-Jugoslawien in Zürich. Der Film machte letzten August in Locarno als Gewinner des Goldenen Leoparden von sich reden.
In dem Film, der mit drei herausragenden Darstellerinnen besetzt ist, geht es um Wirtschaftsflucht, den Bosnienkrieg und Heimatlosigkeit, aber auch um uralte Dilemmas wie Sicherheit/Wagnis, Planung/Spontaneität und Alter/Jugend.
Erstmals ein Hauch Glamour
Der Preis als bester Kurzfilm ging an den neunminütigen Erstling «Feierabend» von Alex Kleinberger. Den Trickfilmpreis gewann «Wolkenbruch» von Simon Eltz.
Schliesslich ging der Preis der Jury an den Film «Nachbeben» für die beste Arbeit eines Filmteams. Der Film, ein Psychodrama im Bankermilieu, zelebriert den Sturz des Investment-Bankers nach den klassischen Regeln des Königsdramas.
Erstmals wurde für den Schweizer Filmpreis der rote Teppich ausgerollt. In Limousinen wurden die Nominierten zur Preisverleihung gefahren.
swissinfo und Agenturen
Die Schweizer Filmpreise, erstmals 1998 verliehen, sind die wichtigsten Auszeichnungen der Schweizer Filmbranche.
Die Verleihung der «Schweizer Oscars» findet jeweils im Januar an den Solothurner Filmtagen statt.
Sie werden vom Bundesamt für Kultur ausgerichtet, in Partnerschaft mit Swiss Films, der SRG SSR idee suisse, dem Internationalen Filmfestival von Locarno, dem Filmfestival «Visions du reel» von Nyon und den Solothurner Filmtagen.
Die beiden besten Werke der Sparten Spiel- und Dokumentarfilm werden mit je 60’000 Franken honoriert.
Die siebenköpfige Jury wurde von Charles Lewinski präsidiert, einem bekannten Schweizer Roman-, Theater- und Drehbuchautor.
Das Jahr 2006 geht als Meilenstein in die Schweizer Filmgeschichte ein.
Schweizer Filme erreichten im vergangenen Jahr einen Marktanteil von knapp 10%. 2005 waren es noch 5,9%.
Damit belegten die Schweizer Filme hinter den USA, aus denen 60% stammten, Platz zwei. Auf Rang drei folgte Frankreich (8,7%), dann Grossbritannien (8,3%) und Deutschland (6%).
Zwei Filme – «Grounding», der die letzten Tage der Swissair beleuchtet, sowie «Die Herbstzeilosen» – haben beide fast die Schwelle von 400’000 Eintritten erreicht. «Vitus» und die Komödie «Handyman» wurden beide von mehr als 200’000 Besuchern gesehen.
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